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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0354

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Nebenpatrone und Heiligenkulte der Petrus-Kathedralen (IV)

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Gorgonius (in der Krypta sogar gesondert), gefolgt von Sophia aus Rom (virgo),
später auch Sophia aus Mailand (vidua) samt Töchtern Fides, Spes und Caritas,
schließlich ergänzt um weitere Heilige, unter anderem den in Minden früh be-
legbaren, doch erst spät prominenten Felicianus. Direkt neben Felicianus er-
scheint, ebenso früh bezeugt, Timotheus - diesem ungeachtet seiner geringeren
Reliquienquantität rangmäßig bald vorausgehend, bald folgend. Verwies Feli-
cianus in besagter Weise auf Petrus, so Timotheus wegen seines biblisch be-
zeugten, liturgisch sogar apostelgleich gefeierten Schülerstatus auf Paulus. Be-
zeichnend ist bei allen prominenten Mindener Heiligen ein gewisser, im Falle des
Gorgonius sogar explizit auf Petrus selbst zurückgeführter Rombezug. Als
ortsansässiger Bischof ließe sich allenfalls eine einzige Person vermuten, sofern
man den reliquienmäßig früh nachweisbaren heiligen Bischof Theodorus gegen
Diktion und Tradition der spätmittelalterlichen Nekrologe und Chroniken mit
dem Mindener Oberhirten Theoderich (Dietrich) gleichsetzen mag. In Minden
standen somit - in Analogie zum prächtigen Petrischrein - von außen erworbene
Reliquien im Vordergrund, in Bremen hingegen die Gewährsleute der eigenen
Geschichte. Osnabrück suchte hier - wie in so vielfacher Hinsicht auch sonst -
einen Mittelweg: Um die eigene Dom- und Bistumsgeschichte aufzuwerten,
fälschte man wie in Bremen Urkunden - allerdings nicht, um eigene Gründer-
bischöfe herauszustellen, sondern um die Translation der Heiligen Crispin und
Crispinian um ganze Jahrhunderte vorzudatieren und mit Karl dem Großen
selbst in Verbindung zu bringen. Auch die anderen Nebenpatrone haben einen
auswärtigen Hintergrund: Bennos II. persönlicher Patron Clemens einen petri-
nisch-römischen, Regina, Hermagoras und Prokopios einen an die Bremer Ne-
benpatrone gemahnenden, gleichsam universal-kosmopolitischen, zugleich
aber auch einen internen, für Osnabrück spezifischen Petrus-Bezug. Regina war
seit Translation von Crispin und Crispinian nach Minden liturgisch-kalendarisch
insbesondere mit diesen beiden Heiligen verbunden, materiell-reliquienkultisch
hingegen auch mit Prokopios und Hermagoras. Hermagoras galt als von Petrus
entsandter Nachfolger des Evangelisten Markus in Aquileia, Prokopios erinnerte
durch eine Art Umkehrung des Qwo-wd/'s-Erlebnisses, bei dem Jesus selbst die
entscheidende Frage stellt, an beide Apostelfürsten: hinsichtlich der Wortwahl
an die Umkehr des Petrus und bezüglich der Rollenverteilung an die Konversion
des Paulus. Inhaltlich standen die Osnabrücker somit den sich unabhängig-
weltoffen gebenden Bremern, methodisch dagegen den an enger Rombindung
interessierten Mindenern näher. Naumburg schließlich hatte neben Petrus auch
Paulus zum Patron, verfügte aber über keine bedeutenden Nebenpatrone, weder
ortsansässige noch transferierte. In Ermangelung früh nachweisbarer Reliquien
kommt hier umso größere Bedeutung den liturgischen und hagiographischen
Texten zu. Liturgische Bücher aus späterer Zeit lassen eine frühe lokale Vereh-
rung von Heiligen wie Hermes und Pantaleon vermuten, die eigene Ortsinter-
essen an Befreiungsidealen und an der Ostkirche widerzuspiegeln scheinen.
Hagiographische Texte mussten hierfür in der Gestalt von Abschnitten aus der
Vita des heiligen Leonhard eigens transferiert werden.
 
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