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Zusammenfassung
Minden sticht liturgisch durch ein ganzes Corpus hochwertiger und jeweils
nachhaltig rezipierter Zimelien hervor, die zwar in erster Linie eine Memorial-
stiftung Sigeberts darstellen, im Unterschied zur besonderen Gorgonius-Ver-
ehrung des Amtsvorgängers auch wieder Petrus in den Mittelpunkt rücken. Der
Petrischrein zeigt Petrus als primum caput, als prin-ceps, und barg wohl auch
entsprechende Partikel römischer Schädelreliquien aus der Papstkapelle Sancta
Sanctorum. Das angebliche Feuer von 1062 war ganz offensichtlich eine Meta-
pher, vielleicht bezogen auf jenes läuternde Feuer, von dem der erste Petrusbrief
spricht, dem zeitgenössischen Verständnis nach also Petrus selbst (1 Petr 1, 6).
Gerade weil Petrus in den Weihenotizen der Altäre von 1064 und des Kirchen-
baus von 1071 nicht erwähnt wird, hat er sich an angestammter Stelle bewährt:
im Hauptaltar und in seinen Reliquien, deren Schrein neuesten Forschungen
nach weit vor den angeblichen, nur vermeintlich alles zerstörenden Brand von
1062 zu datieren ist. Hagiographisch war bereits im 10. Jahrhundert durch den
Austausch von Gorgonius-Schriften der Schulterschluss mit Gorze, einem be-
deutenden anderen Petrus-Patrozinium, gelungen. Erst die spätmittelalterliche
Historiographie aber ließ die Nebenheiligen zu petrinischen Haupthelden wer-
den: Gorgonius töte mit seinem Schwert, dessen petrinisches Pendant in Bremen
verwahrt wurde, den angeblich simonistischen, vor allem aber antigregoriani-
schen Bischof Folkmar. Margarethas Arm stritt für Petrus - den des Gorgonius
stiftete erst ein Sohn Heinrichs des Löwen, nach Tribbe sogar dieser selbst.
Magdalena, deren Reliquien die Historiographen für die einzigen aus der Zeit
vor dem vermeintlichen Dombrand von 1062 hielten, zeigte statt Rache Rekon-
ziliation. Die beiden Sophien schließlich, zunächst die römische virgo mit noch
heute eigenem Mindener Termin, dann vor allem die viduci mit historiographisch
gefeiertem prächtigem Reliquiar, ergänzten sein römisches Profil.
In Minden war Petrus aber mehr als der allgemeinkirchlich verehrte princeps
apostolorum. Mitten in der hier bereits um 1062 aufbrandenden Auseinander-
setzungen zwischen Regnum und Sacerdotium erhielt Bischof Egilbert eine
Stiftung von einem gewissen Wolfram, der als miles sancti Petri bezeichnet wird.
Sonst verlieh nur der Papst diesen Titel, vor allem dem Kaiser bei dessen Krö-
nung, während des Investiturstreits aber ausschließlich seinen eigenen inner-
kirchlichen Parteigängern - wohl mit Blick auf die Frühformen des Kreuzzugs. In
Minden beanspruchte Egilbert selbst diese Amtsgewalt. Vor diesem Hinter-
grund mögen sowohl die Weihen von 1064 und 1071 als auch sein erwähnter
Urkundentext noch besser in das Spannungsverhältnis von Regnum und Sac-
erdotium einzuordnen sein: Die Kreuzpatrozinien nahmen im einen Fall sieg-
reiche Aktion, im anderen anteilnehmende Passion auf. Die Trinität findet im
Urkundentext ihre Autorität bestätigt. Petrus selbst schließlich erscheint,
gleichbleibend präsent in seinem Altar samt Reliquien, repräsentiert in seinem
sich selbst so bezeichnenden Stellvertreter: dem am Petrusaltar zelebrierenden
Bischof Egilbert. Petrus ist dabei weniger jener in Bremen verehrte kirchliche Fels
in der Brandung und missionierende Fischer auf hoher See. Weit mehr erscheint
er im aufbrandenden Feuer von Minden als Fürst, und zwar nicht allein inner-
halb des Apostelkreises, als princeps apostolorum. In innovativer Umformung des
gelasianischen Zwei-Gewalten-Modells von der päpstlichen auctoritas und kai-
Zusammenfassung
Minden sticht liturgisch durch ein ganzes Corpus hochwertiger und jeweils
nachhaltig rezipierter Zimelien hervor, die zwar in erster Linie eine Memorial-
stiftung Sigeberts darstellen, im Unterschied zur besonderen Gorgonius-Ver-
ehrung des Amtsvorgängers auch wieder Petrus in den Mittelpunkt rücken. Der
Petrischrein zeigt Petrus als primum caput, als prin-ceps, und barg wohl auch
entsprechende Partikel römischer Schädelreliquien aus der Papstkapelle Sancta
Sanctorum. Das angebliche Feuer von 1062 war ganz offensichtlich eine Meta-
pher, vielleicht bezogen auf jenes läuternde Feuer, von dem der erste Petrusbrief
spricht, dem zeitgenössischen Verständnis nach also Petrus selbst (1 Petr 1, 6).
Gerade weil Petrus in den Weihenotizen der Altäre von 1064 und des Kirchen-
baus von 1071 nicht erwähnt wird, hat er sich an angestammter Stelle bewährt:
im Hauptaltar und in seinen Reliquien, deren Schrein neuesten Forschungen
nach weit vor den angeblichen, nur vermeintlich alles zerstörenden Brand von
1062 zu datieren ist. Hagiographisch war bereits im 10. Jahrhundert durch den
Austausch von Gorgonius-Schriften der Schulterschluss mit Gorze, einem be-
deutenden anderen Petrus-Patrozinium, gelungen. Erst die spätmittelalterliche
Historiographie aber ließ die Nebenheiligen zu petrinischen Haupthelden wer-
den: Gorgonius töte mit seinem Schwert, dessen petrinisches Pendant in Bremen
verwahrt wurde, den angeblich simonistischen, vor allem aber antigregoriani-
schen Bischof Folkmar. Margarethas Arm stritt für Petrus - den des Gorgonius
stiftete erst ein Sohn Heinrichs des Löwen, nach Tribbe sogar dieser selbst.
Magdalena, deren Reliquien die Historiographen für die einzigen aus der Zeit
vor dem vermeintlichen Dombrand von 1062 hielten, zeigte statt Rache Rekon-
ziliation. Die beiden Sophien schließlich, zunächst die römische virgo mit noch
heute eigenem Mindener Termin, dann vor allem die viduci mit historiographisch
gefeiertem prächtigem Reliquiar, ergänzten sein römisches Profil.
In Minden war Petrus aber mehr als der allgemeinkirchlich verehrte princeps
apostolorum. Mitten in der hier bereits um 1062 aufbrandenden Auseinander-
setzungen zwischen Regnum und Sacerdotium erhielt Bischof Egilbert eine
Stiftung von einem gewissen Wolfram, der als miles sancti Petri bezeichnet wird.
Sonst verlieh nur der Papst diesen Titel, vor allem dem Kaiser bei dessen Krö-
nung, während des Investiturstreits aber ausschließlich seinen eigenen inner-
kirchlichen Parteigängern - wohl mit Blick auf die Frühformen des Kreuzzugs. In
Minden beanspruchte Egilbert selbst diese Amtsgewalt. Vor diesem Hinter-
grund mögen sowohl die Weihen von 1064 und 1071 als auch sein erwähnter
Urkundentext noch besser in das Spannungsverhältnis von Regnum und Sac-
erdotium einzuordnen sein: Die Kreuzpatrozinien nahmen im einen Fall sieg-
reiche Aktion, im anderen anteilnehmende Passion auf. Die Trinität findet im
Urkundentext ihre Autorität bestätigt. Petrus selbst schließlich erscheint,
gleichbleibend präsent in seinem Altar samt Reliquien, repräsentiert in seinem
sich selbst so bezeichnenden Stellvertreter: dem am Petrusaltar zelebrierenden
Bischof Egilbert. Petrus ist dabei weniger jener in Bremen verehrte kirchliche Fels
in der Brandung und missionierende Fischer auf hoher See. Weit mehr erscheint
er im aufbrandenden Feuer von Minden als Fürst, und zwar nicht allein inner-
halb des Apostelkreises, als princeps apostolorum. In innovativer Umformung des
gelasianischen Zwei-Gewalten-Modells von der päpstlichen auctoritas und kai-