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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Universität Heidelberg [Contr.]; Universität Heidelberg [Contr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0018

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1.1. Historiographie als Quelle

17

1. Forschungsüberblick
1.1. Historiographie als Quelle
Aufgrund der Fragestellung handelt es sich bei der Hauptquellengattung für
diese Untersuchung um mittelalterliche Historiographie. Lange Zeit standen
Urkunden im Zentrum der Forschung zu Königtum,10 für den Tod des Herr-
schers sind sie allerdings wenig aussagekräftig. Um den Spezifika mittelalterli-
cher Historiographie Rechnung zu tragen, erfolgt hier ein Überblick über die
Forschungsgeschichte.
Der Zugriff des 19. Jahrhunderts auf historiographische Texte kann exem-
plarisch an den frühen Regesten der Regesta Imperii beobachtet werden: Die in
den chronikalischen Berichten enthaltenen Details wurden klassifiziert und vor
allem nach ihrem ,Wahrheitsgehalt' sortiert.11 Durch das künstliche Zusam-
menfügen der als zutreffend erachteten Einzelheiten entstanden damit zu den
jeweiligen Ereignissen Kollagen aus Versatzstücken verschiedensten Ursprungs.
Die Historiographie verkam auf diese Weise zum ereignisgeschichtlichen
,Steinbruch' für die Geschichtswissenschaft.12 Als übergeordneter Grund für die
Abkehr von diesem Zugriff muss die verstärkte Aufmerksamkeit der Kultur-
wissenschaften auf Phänomene der Sprache und deren Auswirkungen ab den
1960er Jahren gelten. Hieraus ergaben sich prägende Einsichten zur Wahrneh-
mung von Realität und deren Rückbindung an kulturelle Formen der symboli-
schen Sinnstiftung. Diese Hinwendung zur Sprache sorgte für eine verstärkte
Bereitschaft, literarische Quellen für historische Fragestellungen nutzbar zu
machen und führte auch zu mehr Aufmerksamkeit für die mittelalterliche His-
toriographie.13
In der Mediävistik hatte allerdings bereits in den 1930er Jahren eine fachin-
terne Diskussion über Geschichtsdenken und Geschichtsanschauung in histo-

10 In diesem Kapitel werden die Veröf fentlichungsj ahre der Studien in den Kurztiteln in Klammem
angegeben. - Siehe hierzu Deisenroth, Mittelalter (1983) sowie Böckenförde, Forschung (21995),
aber auch Kortüm, Typologie (1997), bes. S. 1-3 und bereits Beumann, Historiographie (1955),
S. 449 f.

11 Als Beispiel kann RI V,l,l Nr. 3835a herausgegriffen werden, das die immense historiographi-
sche Überlieferung zum Tod Friedrichs II. sehr selektiv wiedergibt. Zur Orientierung an den
Regesta Imperii siehe Kapitel 3. Ich nehme hier verallgemeinernd Bezug auf die im 19. Jahr-
hundert verbreitete Arbeitsweise bei der Auswertung historiographischer Quellen (ein weiteres
Beispiel wären die entsprechenden Bände der „Jahrbücher der deutschen Geschichte")- Damit
sollen weder die editorischen oder heuristischen Anstrengungen noch einzelne herausragende
Leistungen aus diesem Zeitraum geringgeschätzt werden.

12 Es handelt sich hierbei um ein geflügeltes Wort, als exemplarischer Nachweis: Plessow, Ge-
schichte (2006), S. 9.

13 Grundlegend Bourdieu, Langage (2001). Siehe auch Goetz, Mediävistik (1999), S. 114-117. Eine
praktisch orientierte Einführung bietet Landwehr, Geschichte (2001).
 
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