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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 6
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Einiges über Moritz von Schwinds Maltechnik
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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 6.

bei: a Ein Bild fertig machen, heisst das vorhandene
Gute beibehalten und es nicht wieder verderben.
Man muss dabei manchmal förmlich restaurieren,
darf aber auch nicht vergessen, was Tizian sagt:
Velature secce, trenta o quaranta.«"
„Immer und immer wieder wies er uns auf das
Studium der Italiener (besonders auf Tizian), der
Deutschen und Niederländer hin und erzählte, dass
er die graue und komplementäre Untermalung haupt-
sächlich an einem Gemälde Tizians studiert hätte,
das damals durch den Galeriedirektor Engerth in
Wien auf eine neue Leinwand übertragen wurde.
Nachdem das Bild abgenommen und die Rückseite
sichtbar geworden war, konnte man die Untermalung
sehen und studieren. Sie war bei der Karnation
breit grau und bei den Gewändern in den kom-
plementären Farben ausgeführt. Sehr oft kam Schwind
auf dieses Bild zurück und freute sich lebhaft, als
ich ihm, nach der Rückkehr von meiner ersten
italienischen Reise, erzählte, dass sich in den Uf-
fizien in Florenz eine Madonna Tizians befindet, bei
welcher der Kopf noch in der breiten graugrünen
Untermalung mit braunen Schatten stehen geblieben
ist, woraus geschlossen werden kann, dass Tizian
stets in dieser Weise untermalt hat. Ebenso inter-
essierte es Schwind, als ich ihm später mitteilte, dass,
wie ich bei einem Aufenthalte in Paris gesehen hatte,
nicht nur die Schüler Delaroches, sondern auch
dieser und Ingres das Prinzip der Grau-Unter-
malung befolgten."
„Wie wir bei der Unter- und Uebermalung
eines Oelbildes verfuhren, sei hier mitgeteilt. In
gleicher Weise wie Tizian den Kopf der eben er-
wähnten Madonna untermalt hat, legten wir die Köpfe
und die Fleischteile an, und zwar ohne Reflexe.
Bei den Gewändern geschah die Untermalung in
den komplementären, aber stumpfen Farben mit auf-
gesetzten Lichtern, die sich nach der Farbe des
Gewandes richteten. War dann eine solche Unter-
malung getrocknet, so wurden die höchsten Lichter
aufgesetzt, und nun musste das Bild, bevor an die
Uebermalung geschritten werden konnte, einige Zeit
zur vollständigsten Trocknung zurückgestellt werden.
Unterdessen wurde eine andere Arbeit begonnen oder
ein untermaltes und zurückgestelltes Bild wieder
vorgenommen."
„Bei dem Uebermalen der Köpfe, Hände u. s. w.
werden die Lichter pastos aufgesetzt und die Mittel-
töne durch das Hinüberziehen derselben (über die
graugrüne Untermalung) nach und nach erreicht.
Auf diese Weise wird es möglich, die feinsten Nüan-
cierungen herzustellen. Sodann werden die Kern-
schatten vollendet und die Reflexe pastos gemalt. Die
breite Untermalung leistet dabei vortreffliche Dienste. "
„Bei den Gewändern wurde in anderer Weise
verfahren. Das betreffende Kleid u. s. w. ward durch-
weg mit der dafür bestimmten Farbe lasiert und da-
bei die Lichtstellen mit besonderem Fleisse und
grosser Sorgfalt behandelt. Durch die komplemen-

täre Untermalung (also z. B. stumpfes Grün für ein
mehr oder weniger intensives rotes Gewand) kamen
die Mitteltöne zur vollen Geltung; ebenso die Kern-
schatten und die pastos gemalten farbigen Reflexe.
Diese Lasuren sind aber nicht leicht auszu-
führen. Man muss mit aller Liebe und mit vielem
Gefühl arbeiten; besonders in den Lichtpartien. Da-
mit dieselben zur richtigen Wirkung kommen, muss
man die etwa zu stark aufgetragene Lasur vorsich-
tig entweder mit einem Leinwandstückchen oder mit
dem Finger so weit als möglich wegwischen. Auch
ist es geboten, mehrere sogenannte »trockene« La-
suren hierbei zu verwenden.
Durch diese Art der Malerei erzielt man für
die Lichter und Schatten der farbigen Gewänder
eine grosse Klarheit und Transparenz. Zu bemerken
ist, dass hier nur die Lichter und Reflexe farbig
wirken, wie wir dies z. B. bei den Bildern des Paolo
Veronese studieren können.
Endiich sei noch angeführt, dass wir stets unsere
Oelbilder auf Kreidegrund ausführten, wobei nicht
ausser acht gelassen werden durfte, dass derselbe
von den Maltuchfabrikanten auch vollkommen richtig
hergestellt wurde."
Herr Prof. Dr. J. Naue hatte die Liebenswürdig-
keit, die obigen Ausführungen auf unseren Wunsch
hin noch in einigen Punkten zu ergänzen und teilte
uns noch folgendes mit:
„Schwind verwandte beim Oelmalen stets ge-
bleichtes Mohnöl, wie damals üblich. Man bleichte
es in der Sonne selbst, da man dann sicher war,
gutes Material zu haben.
Zum Uebermalen wurde die sogenannte Mal-
butter — ein Gemisch von gebleichtem Mohnöl
und Speichel, auf der Palette und der Spachtel tüch-
tig verrieben — derart verwendet, dass das ganze
vollständig trockene Bild damit sorgfältig eingerieben
wurde. Dies Verfahren basierte auf übernommenen
Ueberlieferungen. Als dann der Retouchierhrnis in
den Handel kam, und die früheren Gebräuche ver-
drängte, blieb Schwind doch noch, so viel ich mich
erinnere, bei diesen. —
Unter »trockenen« Lasuren sind diejenigen zu
verstehen, welche erst dann verwendet wurden, wenn
das Bild bis zu einem gewissen Grade vollendet war,
also bereits die anderen Lasuren erhalten hatte.
Schwind nannte diese »fleischige«, weil die Farben,
im Gegensatz zu der »trockenen Lasur«, mehr mit
Oel gemischt werden mussten, jedoch so, dass sie
nicht fliessend waren.
Zu den trockenen Lasuren kann man ebenso-
gut Deckfarben als transparente verwenden. Sie
werden mit wenig Oel gemischt und mit einem
kurzen Borstenpinsel (am besten passen gebrauchte
dazu) sorgfältig aufgetragen und eingerieben. Oft
ist es nötig, derartige Lasuren, da sie nur wie ein
Hauch auf der Untermalung liegen sollen, noch mit
dem Finger und bei grösseren Stellen mit dem Ballen
der Hand zu verreiben. Hin und wieder muss man
 
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