Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

DOI issue:
Nr. 15
DOI article:
Pettenkofer, Max von: Eine Niederschrift v. Pettenkofers über das Regenerationsverfahren [2]
DOI article:
Berger, Emil: Ueber den Einfluss von Anomalien und Erkrankungen des Sehorganes auf die Maltechnik [3]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0074

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
70

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 15.

Um die hygroskopische Eigenschaft nament-
lich bei Leinwandbildern zu verringern, ist der
Kopaivabalsam gleichfalls ein vortreffliches Mittel,
wenn damit die Rückseite der Gemälde getränkt
wird. Er dient auch sehr zweckmässig zu ver-
schiedenen restauratorischen Zwecken, die man
bisher mit anderen Mitteln verfolgte, z. B. zum
Geschmeidigmachen, zum Niederlegen und zum
Befestigen aufgestandener Farbstellen. Herr Kon-
servator Frey, dem ich zuerst meine Grundsätze
über Anwendung des Kopaivabalsams mitteilte,
und den ich als beste Autorität im Restaurations-
fache seinen Leistungen gemäss betrachten kann,
räumt jetzt auf Grund vielfacher Erfahrungen
dem Kopaivabalsam einen sehr hohen Rang unter
den Mitteln seines Faches ein, während er den-
selben früher, obwohl er ihm als Substanz und
als Mittel für gewisse Restaurationszwecke längst
bekannt war, nie in dieser Weise angewendet hatte.
Der Alkohol und der Kopaivabalsam sind beide
allerdings längst bekannte Substanzen, welche auch
zum Restaurieren der Oelgemälde, namentlich für
Zwecke des Reinigens und Putzens, in verschie-
dener Weise schon versucht und verwendet wor-
den sind, ich aber bin der erste gewesen, welcher
ihnen (zur Aufhebung der molekularen Trennung)
eine rationelle, deshalb neue und eigentümliche
bestimmte Verwendung gegeben, der sie zu einer
allgemein verwendbaren Methode gestaltet hat.
Erst durch mich wurden die Alkoholatmosphäre
und der Kopaivabalsam als Konservierungs-
mittel in die Galerien eingeführt, erst ich habe
diesen Stoffen eine konsequente Anwendung ge-
geben.
Ich betrachte alle Dämpfe, welche die gleiche
Wirkung auf Harze wie der Alkohol, und alle
Harze, welche zur Aufhebung der molekularen
Trennung die gleichen wesentlichen Eigenschaften
wie der Kopaivabalsam besitzen, als integrierende
Bestandteile meiner Methode.
Da meine Methode trotz dem langen Be-
kanntsein mit den beiden Hauptmitteln, dem Al-
kohol und dem Kopaivabalsam, weder in einer
Galerie praktisch verwendet und durchgeführt,
noch in irgend einem Werke beschrieben ist, so
muss sie auch aus diesem Grunde als neu und
eigentümlich betrachtet werden. Sie könnte höch-
stens von dem einen oder anderen schon früher
gefunden und geheim gehalten worden sein, in
welchem Falle aber nur § 109 des Gewerbege-
setzes vom 21. April 1862 eine Beschränkung
meines Privilegiums begründen könnte.
Auch der Umstand kann meinen Rechten
nicht entgegenstehen, dass mein Verfahren in
den Kgl. Bayer. Galerien bereits seit Jahren aus-
geübt wird, denn ich habe es nicht veröffent-
licht, habe es nur vertraulich mitgeteilt und
betrachtete seine Anwendung nur als einen Ver-
such im grossen. Da dieser nun glänzend gelungen

ist, glaube ich um so mehr einen rechtlichen
Anspruch erworben zu haben, in meinem geistigen
Eigentum durch ein Privilegium geschützt zu
werden.
München, den 8. November 1867.
gez. Dr. Max v. Pettenkofer,
o. ö. Professor der Hygiene.
Ueber den Einfluss von Anomalien
und Erkrankungen des Sehorganes
auf die Maltechnik.
Von Augenarzt Dr. Emil Berger, Paris, ausländischen korre-
spondierendem Mitglied der Königl. Akademien der Medizin
in Belgien, Madrid und Turin.
(Fortsetzung.)
Liebreich gebührt das Verdienst, zuerst dar-
getan zu haben, dass die Anomalien der Farben-
darstellung, welche bei einem hervorragenden eng-
lischen Meister (Mulready) an den Werken seiner
Altersperiode zu erkennen sind, lediglich durch die
Altersveränderungen der Linse zu erklären sind.
Man kann sich leicht von der Farbenemphndung
des Greisenalters eine Vorstellung machen, wenn
man die Aussenwelt durch ein leicht gelb gefärbtes
Glas betrachtet. Diese Altersveränderung der Linse
tritt bei verschiedenen Leuten in verschiedener In-
tensität auf. Bei Liebreich selbst, der nunmehr
im 74. Lebensjahre steht, scheint sie, seinen Bildern
nach zu schliessen, wohl wenig entwickelt zu sein.
Ich besitze zwei Aquarelle von Franz Alt in Wien,
die derselbe im 7g. resp. 77. Lebensjahre gearbeitet
hat, an beiden ist an den Farbentönen wenig von
Altersveränderungen der Linse zu erkennen. Aller-
dings ist es nötig, um letztere mit Sicherheit fest-
zustellen, die Jugendwerke eines Meisters mit jenen
der Altersperiode zu vergleichen.
Auch die Trübung der Linse durch beginnende
Starbildung wirkt störend auf die F arbenwahrnehmung.
Dieser Erscheinung ist wohl auch bei Turner die
anormale Farbendarstellung und die schon früher
erwähnte Anomalie der Darstellung der Konturen
zuzuschreiben.
Auch bei Rembrandt ist, wie ich aus dem
Werke Emile Michels**) entnahm, in den Bildern
aus seinen letzten Jahren ein starker Rückschritt in
Betreff der Farbenpracht'*) und der Ausarbeitung der
Details nachzuweisen. Ich vermute, dass diese Er-
scheinungen durch Altersveränderungen des Auges,
vielleicht durch beginnende Starbildung hervorge-
rufen wurden, für welche Auffassung auch das letzte

6) Michel Emile, Rembrandt, sa vie, son oeuvre et son
temps, bei Hachette & Cie. in Paris 1S93, S. 4S7 und $32.
?) Vergi. Michel a. a. O. S. 4S7 „Le nombre des cou-
leurs qu'il emploie est de plus en plus restreint; mais il se sert
de préférence des plus riches et des plus ardentes; plus de
pourpre, mais de rouge vermillon, auxquels se mêlent de jaunes
vifs et de tons fauves".
 
Annotationen