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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 16
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Ziegler, Walter: Der Holzschnitt und seine Abarten [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0077

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1. Mai 1905.

Herausgegeben von der „Werkstatt der Kunst", ERNST CLOSS.
Erscheint 14tägig unter Leitung von ERNST BERGER, München.

Nr. 16.

Inhalt: Der Holzschnitt und seine Abarten. Von Walter Ziegler. — Ueber den Einfluss von Anomalien und Erkrankungen
des Sehorganes auf die Maltechnik. Von Dr. Emil Berger (Schluss). — Die Fresken von Boscoreale. — Anfragen
und Beantwortungen. — Literatur.

Der Holzschnitt und seine Abarten.
Von Walter Ziegler.

Der Originalholzschnitt, welcher neuerdings
vielfach Freunde findet, verdient wohl, dass ihm
einige Aufmerksamkeit geschenkt werde. Der
zeichnende Künstler sollte sich einigermassen
mit der Handhabung von Messer und Stichel
vertraut machen, denn mit diesen Werkzeugen
ist die Herstellung einer erhabenen oder ver-
tieften Zeichnung nicht gar so schwierig, als
mancher sich vorstellt.
Die Arbeitspraktik besteht beim Holzschnitt
darin, dass die Druckfarbe abgebenden Teile der
Plattenfläche unberührt bleiben, alle nicht druk-
kenden Partien hingegen mit schneidenden oder
stechenden Werkzeugen tiefer gelegt werden.
Natürlich bedingt in der Technik des Holz-
schnittes das zur Verwendung kommende Ma-
terial und Handwerkszeug eine ganz bestimmte
Gestaltungsart der Zeichnungselemente, welcher
sich der Schaffende unbedingt anbequemen muss.
Unsere Altmeister benutzten zur Herstellung des
Linienholzschnittes als Plattenmaterial Holz vom
Apfel- oder Birnbaum, das seiner Längsfaser
nach hergerichtet war. Als Werkzeug dienten
kurze Messer in handlichen Griffen und zum
Ausgründen Hohleisen. Der Kleinheit der Zeich-
nungselemente ist bei dieser Art eine bestimmte
Grenze gesetzt, Halbton ist nicht als solcher zu
bilden. Die Formen werden in silhouettierende
Flecken zusammengefasst, konturierende, in sich
modellierte Linien dienen zur Begrenzung. Ueber-
gangstöne werden nur dort berücksichtigt, wo sie
zur Verdeutlichung nötig sind, wobei ziemlich
derbe Schraffierung genügen muss. Die zu Gebote
stehenden Mittel verlangen eine archaisierende
Vereinfachung und verständnisvolle Ueberlegung;

aber gerade durch diese Beschränkung resul-
tieren Meisterwerke, wie überall dort, wo von
Anfang an ein Werk den gegebenen Mitteln an-
passend gedacht ist.
Viel jüngeren Datums ist der Tonholzschnitt,
welcher dadurch ermöglicht wurde, dass das we-
nig widerstandsfähige und verhältnismässig grob-
faserige Obstholz durch hirnseitig hergerichtetes
Buchsbaumholz ersetzt wurde. Dieses Material
verlangte auch andere Werkzeuge. Das Messer
wich dem Stichel und die Bearbeitungsart näherte
sich dadurch dem Kupferstich, so dass man der-
artige Werke richtiger mit Holzstich als Holz-
schnitt bezeichnen sollte. Der prinzipielle Unter-
schied wurzelt darin, dass, dem Kupferstich ent-
gegengesetzt, die Form- und Tonwiedergabe mit-
tels weisser Linien und Punkten auf schwarzem
Grunde erzielt wird, man arbeitet aus dem Ton
durch Zeichnen der Lichter.
Die Zeichnungselemente können bei dieser
Art des Schnittes in genügender Kleinheit in
Anwendung gebracht werden. Der Stichel lässt
sich bequemer und beweglicher handhaben als
das Messer und annähernd dem wirklichen Halb-
ton können Formen und Tonübergänge in ge-
wünschter Weichheit mit dem Tonholzschnitt er-
zielt werden.
Halten wir uns die beiden geschilderten Holz-
schnitt-Techniken in ihren Eigentümlichkeiten vor
Augen, so erkennen wir deutlich, dass ganz ver-
schiedene Endziele mit diesen Methoden ange-
strebt sind. Einerseits silhouettierende Verein-
fachung, andererseits Hervorbringen der Bild-
erscheinung durch subjektiven Halbton. Irgend-
welche Produkte des Holzschnittes gliedern sich
 
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