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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 19
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Floerke, Hanns: Der Kunstunterricht in den Niederlanden im 17. und 18. Jahrhundert [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0091

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Nr. Ì9.

Münchner kunsttechnische Blätter.

87

mählich komponieren, Verteilen der Farben auf Grund
eigener Zeichnung. Darum gibt es auch so viele
schlechte Miniaturen. Jeden Fortschritt verdankt er
sich selbst. Das Gesellenverhältnis bringt ihm eine
gewisse Freiheit, er versucht sich in grösseren Ar-
beiten als handwerklicher Gehilfe des Meisters, er
wagt sich endlich an die Modellierung der Fleisch-
teile von Figuren mit Oelfarbe, während bisher die
Leim- und Eifarbe sein Ausdrucksmittel gewesen
war — aber die grossen Fortschritte kommen doch
erst, wenn er sich in anderen Städten und Ateliers
umsieht, wenn er reist und neue Eindrücke erlebt.
Im 14. Jahrhundert sind die Maler Handwerker,
die oft Verlangen nach künstlerischen Aufgaben haben
und jede Gelegenheit ergreifen, sich damit zu be-

Grundlage des Kunststudiums blildete. Es ist ita-
lienischer Einfluss, der sich hier geltend macht. Auch
das Zeichnen nach Gips*) ist darauf zurückzuführen.
Wie lagen die Verhältnisse im 17. und 18. Jahr-
hundert, in der Zeit, die uns hauptsächlich inter-
essiert? Der Lehrling hatte sich in der Regel schon
zu Hause im Zeichnen nach Stichen und Radierungen
geübt. Mit einer gewissen Sicherheit hierin trat er
in das Atelier eines Malers ein. Hier kam es nächst
den bekannten maltechnischen Vorbereitungen zum
Zeichnen nach Gipsmodellen und anatomischen Fi-
guren.**) Eine Illustration hierzu gibt ein Bild von
*) Gipsabgüsse nach Antiken wurden schon zu Beginn
des 16. Jahrhunderts in die Niederiande eingeführt. Im Ateiier
von Hubert Gottzius zu Antwerpen befanden sich 1558:



schäftigen. Im 16. Jahrhundert und später sind sie
Künstler, die handwerkliche Arbeiten nicht ver-
schmähen. Die Zwischenzeit wird durch das lang-
same Fortschreiten dieser Verschiebung ausgefüllt.
Je mehr aber der Meister sich von den handwerk-
lichen Arbeiten ab- und den künstlerischen zuwendet,
desto mehr fällt von ersteren auf die Schultern des
Lehrlings oder Gesellen. Selten nur gelangt daher
einer von diesen zu wirklicher Künstlerschaft. Dierick
Bouts hatte 13 Schüler. Was haben sie gemacht?
Wir haben viel weniger wirkliche Kunstwerke ver-
loren als wir glauben.
Ueber das Kopieren sei vorläufig nur gesagt,
dass es, während im ig. Jahrhundert und vorher
wenig Gebrauch davon gemacht wurde, im 16. die

32 Gipsabgüsse. Rubens besass Originalbifdwerke und Ab-
güsse. Unter dem Inventar von Murtinus Saeghmoten be-
fanden sich r66$: 38 Gipsabgüsse. Bonaventura Overbeck
brachte Abgüsse von Antiken mit, deren sich Gerard de Lair-
aisse bediente. Auf Bildern von Michael Sweerts, Ostade,
Dou, Mieris, G. Coques etc. findet man hie und da Gips-
abgüsse dargestelit.
""") Das Studium der Anatomie hatte in Holland
nach Aufhebung des Verbotes Leichen zu sezieren (1555 durch
Philipp II.), starke Fortschritte gemacht und wurde ausser von
den Aerzten auch von vielen Malern betrieben. Immerhin durften
nur die Leichen Hingerichteter zu solchen Zwecken verwandt
werden (vergi, auch die Geschichte von Aert Mytens von
Brüssel [154! ? — 1602] bei Van Mander). Die erste Frau wurde
erst 1720 seziert. Zuerst wurde den Malern dieses Studium nicht
leicht gemacht und selbst zu Leyden, wo schon 1392 sich
eine Anatomie befand, klagten noch :64t die Maler, dass ihnen
keine Gelegenheit zur „Fortpflanzung dieser Wissenschaft" ge-
geben sei, doch konnten sie dort sowie zu Amsterdam und
 
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