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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 21
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Die sogenannten Normalfarben [2]
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Nr. 21.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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jede einzelne Technik geeignete Normalfarben-
skalen zusammenzusetzen. Und neuestens, da die
D. G. z. B. r. M. (soll heissen: Deutsche Gesell-
schaft zur Beförderung rationeller Malverfahren)
eine entschiedene Schwenkung zur gewerblichen
Malerei gemacht hat, tritt die Forderung nach
besonderen Normalfarbenskalen für Dekorations-
malerei, also für Leimfarbe, für Kalk-, Käsern-,
Silikatfarbe heran, der man nicht mehr aus-
weichen kann. Ja, es ist bereits der Vorschlag
gemacht worden, neben „Normal-Hilfsfarben",
d. h. den mit besonderen Namen bezeichneten
Mischfarben, eine Liste von (Normal-),, Verschnitt-
farben" aufzustellen, der zufolge den bisher be-
kämpften und perhorreszierten Füllmitteln, wie
Baryt, Gips oder Kreide, sogar ein Platz einge-
räumt werden soll (s. Süddeutsche Malerzeitung
vom 7. Mai 1905)! Vielleicht kommt es mit der
Zeit noch dazu, Skalen von „Normal-Anilin-
farben" für Theatermaler, Tapetendrucker und
Lithographen oder für Spielwarenhändler und
ähnliche Gewerbe zu normieren, falls sich diese
an die D. G. z. B. r. M. anschliessen, und sie
die billigen „geschönten" Farben nicht entbehren
können, oder ihnen die echten, unverfälschten
Farben zu teuer sind?
Dass es für alle Künstler unbedingt wich-
tig und erspriesslich ist, die dauerhaften Far-
ben und ihren Unterschied vor den vergänglichen
kennen zu lernen, um in der richtigen An-
wendung unveränderliche Gemälde herstellen
zu können, soll nicht bestritten werden. Darauf
ist von allen Seiten und zu allen Zeiten längst
hingewiesen worden. Wir begegnen dieser For-
derung in den Malerbüchern des vorigen Jahr-
hunderts, von Bouvier angefangen bis zu Ludwig.
Ende der 60erjahre hat F. Tolomei eine Schrift
veröffentlicht (Die dauerhaften Farben für Oel-
malerei, Landsberg a. d. Warthe 1869), und eine
Liste aufgestellt, die mit den sogen. Normalfarben
auffallend übereinstimmt. So ist z. B. Mumie und
Asphalt auch darin enthalten. Die Farben hatte
er eingeteilt in 1. Erdfarben, 2. Metallfarben,
3. Metalloidfarben und 4. Farben organischen Ur-
sprungs. Und noch früher finden wir in der
Chromatographie von George Field (deutsche
Ausgabe, Weimar 1836) Tabellen über die Dauer-
haftigkeit der Pigmente zusammengestellt, in wel-
chen auf die Einwirkung des Lichtes, der At-
mosphärilien (feuchte und unreine Luft, Schwefel-
wasserstoff), auf die Mischbarkeit der Pigmente
untereinander, auf die Deck- und Lasurfähigkeit,
auf die Wirkung der Hitze, von Alkalien u. s. w.
eingehend Rücksicht genommen ist. Wir bekennen
ganz offen, dass in dieser Einteilung der Farben
schon die Grundlagen ihrer richtigen Anwendung
bei den einzelnen Techniken gekennzeichnet sind
und wir kommen dabei auf den Gedanken, ob
es nicht praktischer wäre, die Farben von vorne-

herein nach ihrem Verhalten zu ordnen und
in etwa drei Klassen der Haltbarkeit einzuteilen
und zwar:
1. Absolut haltbar, gegen Licht und Luft be-
ständig, gegen Alkalien und Säuren wider-
standfähig, in Hitze unveränderlich.
2. Gut beständig in diffusem Licht und in
reiner Luft, in Mischungen untereinander
unveränderlich, mit allen Bindemitteln, die
nicht alkalisch oder säurehaltig sind, ver-
wendbar.
3. Nicht beständig gegen Licht und Luft, ver-
änderlich in Mischungen, gegen Alkalien
und Säuren empfindlich.
Eine derartig zusammengestellte Liste aller
hauptsächlich verwendeten Farbenpigmente würde
den Interessen aller Maler mehr entsprechen,
weil sie bei nur einigermassen verständiger Aus-
wahl für jede Technik die richtige Skala bietet
und es ein leichtes ist, aus einer derartigen Liste
für jede einzelne Technik geeignete „Normal-
skalen" zu benennen. Wie leicht Hesse sich aus
den drei Klassen z. B. für Malerei an Aussen-
flächen, für Fresko, Silikatfarbe, für Glas- und
Porzellanmalerei, für Oel- oder Tempera, für
Aquarell oder Pastell die brauchbarste Skala zu-
sammenstellen und wie einfach gestaltet sich diese
Arbeit nach den heutigen Kenntnissen der Farben-
chemie! Kommt, was ja häufig genug eintrifft,
eine neue Farbe in den Handel, dann genügt es,
sie in eine der drei Klassen einzureihen, um so-
fort ihre Anwendungsmöglichkeit in der Praxis
zu kennzeichnen.
Um eine allgemein praktische Einteilung der
Farben vorzunehmen, kann man aber auch von
anderen Gesichtspunkten ausgehen, z. B. von der
Zusammensetzung der Farbstoffe, wie es Church
in seinem vortrefflichen Buch, „Chimistry on
Paints and Paintings" (London, III. Aufl., 1901),
getan hat. Er teilt die Farben ein in: 1. mine-
ralische [a) natürliche, b) künstliche] und 2. or-
ganische [a) animalische, b) vegetabilische, c) künst-
liche] und gruppiert sie je nach ihrer chemischen
Zusammensetzung in neun Unterabteilungen. In
Bezug auf die Haltbarkeit hat Church, wie mancher
andere, z. B. der Engländer Laurie, der Franzose
Decaux, die Klassifikation nach drei Gra-
den angenommen und zwar: 1. permanent, 2. mäs-
sig permanent und 3. flüchtig. Und wenn man
daraufhin Lauries Liste*) vergleicht, in welcher
bei jedem einzelnen Pigment angegeben steht, bei
welcher Technik es anwendbar ist oder nicht,
dann wird es einem sofort klar, dass all' die Ar-
beiten für die angeblich so schwierige Aufstel-
lung einer sogen. „Normalfarbenskala" längst ge-
macht sind. Dabei sind die Farben nach einem

*) Lamie, Facts about Processes, Pigments and Ve-
hicles, London :89s.
 
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