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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 24
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Berger, Ernst: Unterschiede zwischen Bienenwachs und dem sogen. Punischen Wachs [4]
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106

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 24.

Von Enkaustik und mit dieser verwandten
Malarten handeln folgende Stellen bei Plinius:
1. XXXV, 122 vom Alter der Enkaustik:
„Ceris pingere ac picturam inurere quis primus excogi-
taverit, non constat" . . . (Wer zuerst auf den Gedanken
gekommen ist, mit Wachsfarben zu maien und ein Ge-
mälde einzubrennen, ist nicht bekannt . . .)
2. XXXV, 149 die Technik der Enkaustik
betreffend:
„Encausto pingendi duo fuere antiquitus genera, cera*)
et in ebore cestro" . . . (Enkaustisch zu malen hat es in
alter Zeit [nur] zwei Arten gegeben, mit Wachs [?] und
auf Elfenbein mit dem Cestrum . . .)
und ebenda vom Gebrauch bei der Schiffs-
malerei:
„hoc tertium accessit, resoiutis igni ceris peni-
cilio utendi" (dadurch kam als dritte Art hinzu, die Wachs-
farben durch Feuer flüssig zu machen und den Pinsel
zu gebrauchen).
3. XXXV, 49 im Anschluss an die Angabe
der Farben, welche auf nassem Tectorium nicht
Verwendung finden:
„Cerae tinguuntur isdem his coloribus ad eas picturas,
quae inuruntur, alieno parietibus genere, sed classibus
familiari" . . . (Mit eben diesen Farben werden die Wachs-
massen gefärbt zu den Gemälden, die eingebrannt werden :
ein Verfahren, das für Wände ungebräuchlich, aber
bei Kriegsschiffen ganz gewöhnlich ist . . .)
4. Bei Varro de re rust. HI, 17, 4 finden
wir folgende Stelle:
„Nam ut Pausias et ceteri pictores eiusdem generis lo-
culatas magnas habent arculas, ubi discolores sint cerae" . . .
(Denn wie Pausias und die anderen Maler derselben Gat-
tung grosse Kästen haben, in denen die verschiedenen
Wachsfarben sich behnden . . .)**)
5. Und bei Seneca epist. 121, 5 wird in
einem Vergleich die Geschicklichkeit geschildert,
mit der der Maler unter den in grosser Zahl
und mannigfacher Abstufung vor sich aufgestell-
ten Wachsfarben auswählt:
„Pictor colores, quos ad reddendam similitudinem mul-
tos variosque ante se posuit, celerrime denotat et inter
ceram opusque facili voltu ac manu commeat."
Alle diese Stellen handeln von enkaustischer
Manier, wobei Holz oder bewegliche Unterlagen
in Frage kommen und an allen diesen Stellen
wird das einfache cera, cerae als Binde-
mittel bezeichnet.
Dem stehen nun die Stellen gegenüber, die
von der Ganosis der Wände und der Behand-
lung des Marmors für Bildwerke und zwar mit
cera punica handeln. Diese Stellen sind:
6. Vitruv VII, 9, 3 bei der Anweisung des
Wachsüberzuges eines mit Zinnober***) bemal-
ten Wandverputzes:

*) Bezüglich der Revision dieser Stelle durch Prof. May-
hoff, der zufolge hier statt cera cauterio zu lesen ist, verweise
ich auf meine „Maltechnik des Altertums" S. :8q ff.
**) Varro vergleicht diese Kästen mit Fischbehältern, in
denen die verschiedenen Arten von Fischen voneinander ge-
sondert gehalten werden.
***) Die Anhänger der Donner'sehen Theorie sind der
Meinung, dass nur bei Zinnober-Anstrichen ein Wachsüberzug
üblich gewesen ist. Meine Ansicht, dass die Erwähnung der
„Ganosis" beim Zinnober lediglich auf Zufall beruht, habe

„cum paries expolitus et aridus fuerit ceram puni-
ca m igni liquefactam, paulo oleo temperatam saeta indu-
cat, deinde postea carbonibus in ferreo vase compositis eam
ceram a proximo cum pariete calfaciundo sudare co-
get, itaque ut peraequetur" .. . (Sobald die Wand vollendet
und trocken geworden, streiche man mit einem Borsten-
pinsel Punisches Wachs darauf, das über dem Feuer
flüssig gemacht und mit etwas Oel gemischt ist; nachher
halte man Kohlen in einem eisernen Becken nahe an die
Wand und bringe das Wachs durch Erwärmung bis zum
Schwitzen, so dass die Oberfläche gleichmässig werde . . .)
Vitruv bemerkt noch, dass die Fläche nach-
her mit reinen Leinentüchern abgerieben werde,
„wie man nackte Statuen behandelt" (uti signa
mormerea nuda curantur) und schliesst mit dem
Hinweis auf den „Panzer von Punischem
Wachs", weicher die polierten Wände vor dem
Einfluss der Witterung schütze (ita obstans cerae
punicae lorica non patitur, nec lunae splen-
dorem nec solis radios lambendo eripere ex his
politionibus colorem).
7. Und offenbar aus dieser oder einer ge-
meinsamen Quelle schöpfend berichtet Plinius
XXXIII, 122 fast wörtlich dasselbe über die-
selbe Sache:
„Solis atque lunae contactus inimicus: remedium ut
pariete siccato cera punica eum oleo liquefacta candens
saetis imducatur iterumque admotis gallae carbonibus inu-
ratur ad sudorem usque . .. sicut et marmora nites-
cunt." (Die Berührung durch Sonne und Mond ist ihm
[d. h. dem Zinnober] schädlich. Ein Gegenmittel ist Aussig
gemachtes Punisches Wachs, mit Oel gemischt, heiss
mit einem Borstenpinsel auf die getrocknete Wand zu
streichen und wiederum durch nahegebrachte Galläpfel-
kohlen bis zum Schwitzen zu erhitzen... wie auch
die Marmorstatuen glänzend gemacht werden.)
In der letzten Stelle (Plinius XXI, 85 s. oben)
wird ganz allgemein von dem Gebrauch des
Wachses gehandelt und am Schluss der Verwen-
dung „sogar zum Schutze der Wände" Er-
wähnung getan. Dass es sich nach den beiden
eben zitierten Stellen dabei um Punisches
Wachs handeln muss, steht ausser Frage.
Durch die Gegenüberstellung von cera und
cera punica in Bezug auf das technische Ver-
fahren wird es klar geworden sein, dass zwischen
den beiden Wachsarten im Altertum deutlich
unterschieden wurde und nicht zum mindesten
weist die Stelle unter 3 darauf hin, wo gesagt
wird: das enkaustische, natürliches Bienen-
wachs — cerae — benötigende Verfahren sei für
Wände ungebräuchlich. Denn Plinius würde
mit sich selbst in Widerspruch geraten, da er
XXXV, 49 die enkaustische Malerei (mit heissen
Wachsfarben) „für Wände ungeeignet" nennt und
XXXIII, 122 mit einem Zusatz von Oel vermisch-

ich genauer begründet in meiner „Technik des Altertums"
S. 8o. Aus der Bemerkung Vitruvs, das gleiche Verfahren finde
bei den nackten Teilen der Marmorbildwerke Anwendung,
geht übrigens zur Genüge hervor, dass es auf die Farbe
gar nicht ankam und hauptsächlich darauf abgesehen war,
die Marmoroberfläche, ebenso wie die Wandfläche, durch den
Wachsüberzug vor dem Einflüssen der atmosphärischen Luft
zu schützen.
 
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