Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

DOI Heft:
Nr. 25
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Unterschiede zwischen Bienenwachs und dem sogen. Punischen Wachs [5]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0114

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
110

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 25.

ben bezeichnet (s. MerriHelds Ausgabe der Mss.
des Le Begue, Nr. 325, S. 307).
2. Auch das ungefärbte Punische Wachs
hat sich in der italienischen Stucco-lustro-Tech-
nik in fortgesetzter Uebung erhalten und lässt
sich, soweit die Quellen es ermöglichen, bis in
das XV. Jahrhundert zurückverfolgen (s. mein
mehrfach genanntes Buch S. 104 IT.). Bei dieser
Manier wird zur letzten Politur Wachs mit
weisser Seife, d. i. verseiftes Olivenöl und
reichlichem Wasserzusatz zusammengekocht
und auf die Wandfläche aufgestrichen. Es ist un-
schwer zu erkennen, dass die Tradition mit den
Angaben des Vitruv völlig übereinstimmt, denn
durch die Lauge des Punischen Wachses wird
das wenige Oel (bei Vitruv: paulo oleo) mitver-
laugt oder emulgiert, es entsteht demnach ganz
das gleiche, wenn verlangtes Oel (weisse oder
venetianische Seife) mit Wachs nebst Wasser ge-
kocht wird. Die Stucco-lustro-Politur ist
also mit der antiken „Ganosis" identisch.
Erst in der neueren Zeit, da die Lösung von
Wachs in ätherischen Oelen allgemeiner bekannt
wurde, verschwindet die Methode der Verseifung
mehr und mehr, weil die neueren Methoden stets
die älteren verdrängen.
3. Während „Punisches Wachs", wie wir
gesehen haben, noch im Ali t telai ter und noch
länger angewendet wurde, ist das antike en kau-
stische Verfahren (mit heissflüssigen Wachs-
farben) schon in den ersten Jahrhunderten unserer
Zeit nach und nach aufgegeben worden; es ist
von der Bildfläche verschwunden und hat der
byzantinischen Harz-Oelmalerei Platz gemacht,
worüber auch nähere Beweise in meiner mehr-
fach genannten Schrift zu finden sind.
Fürwahr, schon dieser wichtige Um-
stand allein zeigt es deutlich, dass das
Punische Wachs vom natürlichen Wachs
unterschieden gewesen sein muss, denn
das erstere hat das letztere um fast tau-
send Jahre überdauert, bis es, wie erwähnt,
durch eine andere Lösungsmöglichkeit des Wach-
ses ersetzt werden konnte.
Wir sind am Schluss unserer Beweisfüh-
rung: Durch die in den Schriftquellen erkenn-
baren Unterschiede einerseits und durch die in
ihrer Anwendung zu trennenden Wachssorten
andererseits sind wir zur Erkenntnis gelangt, dass
das „Punische Wachs" vom gewöhnlichen
Bienenwachs zu unterscheiden ist.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war man frei-
lich anderer Meinung, aber die Ansicht der Ge-
lehrten begann sich zusehends zu klären. Wieg-
mann hatte es zuerst ausgesprochen, dass die
enkaustische Tafelmalerei von der antiken Wand-
malerei grundsätzlich zu trennen sei, aber
zwischen gewöhnlichem und Punischem Wachs
machte er keinen Unterschied. Die sogenannte

Kausis oder Ganosis erklärte er für ein nur
ausnahmsweise und zwar ausschliesslich beim
Zinnober gebräuchliches Verfahren. Seine Be-
weisführung hat auch Donner anerkannt und
grösstenteils zu seiner eigenen gemacht, nur hat
er schon zwischen Punischen und gewöhnlichen
Wachs unterschieden (s. oben), aber das erstere
ausschliesslich als für die antike Enkaustik brauch-
bar reklamiert. Er ging davon aus, dass Puni-
sches Wachs als „bestes" bezeichnet werde und
nahm als selbstverständlich an, dass die Maler
nur das beste zur Enkaustik genommen haben
werden. Durch die oben erwähnte eigenmächtige
Einschiebung des Wortes „punica" ist es ihm
gelungen, seiner Ansicht scheinbar Recht zu ver-
schaffen und die Gelehrten vom Fach auch zu
kaptivieren. Die genauere Nachprüfung aller ein-
schlägigen Stellen der alten Schriften, die Donner
ebenso zur Verfügung standen, hat aber, wie wir
gezeigt haben, zu anderen Schlussfolgerungen
führen müssen: Das Punische Wachs ist grund-
sätzlich vom gewöhnlichen unterschieden, dieser
Unterschied ist sogar in den Quellen erkennbar,
es hat auch durchaus nicht die Hauptrolle bei
der Tafelenkaustik gespielt, sondern diese war
vielmehr dem gewöhnlichen Wachs zugeteilt,
während das Punische, durch Lauge wassermisch-
bar gemachte Wachs als dünner Ueberzug für
Wandflächen (nicht allein bei Zinnober) und
Marmorbildwerken diente. Das früher schwer
verständliche „alieno parietibus genere" gewinnt
durch die Trennung der beiden Wachsarten erst
die richtige Bedeutung, weil die eigentliche
Enkaustik auf Wänden unanwendbar, ja ganz un-
möglich ist, die Ganosis oder Kausis, wie man
es früher bezeichnete, aber ein Verfahren ge-
wesen ist, bei welchem (trotz des deutlichen
„alieno parietibus") Wachs und Wärme auf Wan d-
flächen zur Verwendung kam. Allerdings nur
Punisches Wachs!
Wenn dieses kleine Stückchen neuer Er-
kenntnis bis jetzt mehr Widersacher als Freunde
gefunden hat, so brauchen wir darüber nicht er-
staunt zu sein. Jeder neue Fortschritt und jede
neue Wahrheit ist noch stets auf den Widerstand
derjenigen gestossen, die sich als Hüter der alten
Ansichten berufen fühlten, sie zu schützen mit
allen ihren Mitteln. Aber nichts in der Welt ist
imstande, eine neue Wahrheit zu unterdrücken;
sie wird und muss sich endlich Bahn brechen,
ob es sich nun um ein weltbewegendes Problem
oder um die unbedeutende Frage des sogen. Pu-
nischen Wachses*) handelt.
*) Zu Zwecken der leichteren Nachprüfung der Eigen-
schaften des punischen Wachses lasse ich hier einige Rezepte
folgen (vergi. Technik des Altertums S. 100): 100 g weisses
(gebleichtes) Wachs, to g in Wasser gelöste Pottasche, 250 g
destilliertes Wasser werden zusammen gekocht, bis alles Wachs
gelöst ist. Beim Erkaltenlassen wird die Masse fortwährend
 
Annotationen