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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 10
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Kainzbauer, Ludwig: Physikalische Bedingung der Gemäldeerhaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0042

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Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. to.

rungen des Herrn Berger in diesen Biättern ab-
geschlossen*) sein. Ueber die Fragen des Binde-
mittels und des Maigrundes scheint man aber noch
nicht einig zu sein. Ein Umstand, der die Haupt-
ursache der Haltbarkeit respektive des Verfaiies
der Gemäide ist, ist meines Wissens noch nicht
besprochen worden, nämiich die physikalischen
Gründe.
Wir haben es bei den Gemäiden hauptsäch-
lich mit der Adhäsionskraft zu tun. Es liegt auf
der Hand, dass ohne diese physikalische Kraft
oder mit dem Aufhören derselben jedes Bild zer-
fallen muss. Ja, ich behaupte sogar, dass diese
physikalische Eigenschaft, deren Erhaltung, Ab-
schwächung oder Verschwinden, die Hauptbeding-
ung der Haltbarkeit der Gemälde ist und dass
fast alle Bilder, die verfallen, aus Mangel der
Adhäsionskraft ihrer Teile zugrunde gehen.
Wir haben es mit drei Teilen zu tun, näm-
lich mit dem Körper, auf dem ein Bild gemalt
wird, dann mit dem Malgrund, mit dem die Fläche
des erwähnten Körpers präpariert wird, um die
Farbe zu halten, und dann die mit mehr oder
weniger Bindemittel versetzte Farbe.
Die Körper, auf denen gemalt wird, können
biegsame und feste unbiegsame sein. Die letzteren
sind unsere Hauswände, oder starke Holztafeln etc.
Die ersteren die Leinwand, das Papier, dünne
Holz- und Metallrafeln.
Die festen Untergründe, welche im Durch-
schnitt zu ihrer Fläche sehr dick sind, schwingen
aus diesem Grunde gar nicht oder nicht bemerk-
bar, halten daher mit ihrer Adhäsionskraft leicht
die auf ihnen angebrachte Farbe; diese hat die
durch Schwingen hervorgerufene Bestrebung des
Abfallens (Schwerkraft) nicht mit zu überwinden.
Die biegsamen Gründe jedoch erfordern jene
Stärke der Adhäsionskraft, welche diese Schwer-
kraft mit überwindet. Während nun schon aus
diesem Grunde feststehende Flächen mit geringem
oder gar keinem Bindemittel Farbe haften lassen,
müssen die Bindemittel bei den biegsamen Grün-
den je nach deren Schwingungsfähigkeit stärkere
sein. Beispiel: Jede Mauer hält sehr leicht und
lange Zeit Kohle und Pastellfarbe. Auch wenn
Papier auf solche feste Basis geklebt ist, halten
beide ganz gut. Es ist also vollkommen richtig,
was Herr Arthur Ratzka in Nr. 20, III. Jahrg. der
„Kunsttechnischen Blätter" sagt. Eine ähnliche Er-
fahrung habe ich mit einem Pastell gemacht, das
jahrelang ohne Glas an meiner Ateliermauer an-
genagelt war und sich nicht verändert hat, aber
natürlich staubig wurde. Bei den festen Gründen
sind also die Bindemittel ganz bescheiden anzu-
wenden, ohne der Haltbarkeit des Gemäldes Ein-
trag zu tun. Es ist dies auch sehr gut, denn
*) Auch in dieser Hinsicht ist noch gar manches
nachzutragen. E. B.

wie ich überzeugt bin, greifen die Bindemittel die
Farben selbst in ihrer chemischen Eigenschaft an;
wie käme es sonst, dass bei jenen Bildern, wo
das Bindemittel minimal und sofort trocken ist,
wie beim Pastell und Aquarell, chemische Farb-
veränderungen unter sich nicht Vorkommen, wie
käme es weiter, dass die verschiedenen Binde-
mittel auf ganz gleiche Farbstoffe verschieden
einwirken?
Wenn also tatsächlich sehr oft das Binde-
mittel die Ursache des Unterganges der Gemälde
ist, es aber nicht ganz entbehrlich ist, so liegt
es auf der Hand, dass man es so sparsam als
möglich anwenden muss und womöglich die
Farben so verarbeitet, wie sie angerieben sind,
ohne weiteren Zusatz von Bindemittel während
des Malens. Ich habe nie zum Malen den Palett-
stecher verwendet und ich glaubte seinerzeit leider
nicht dick malen zu können. Heute bin ich ganz
zufrieden; meine Studien, die ich vor bald 2$
Jahren gemalt habe, liegen aufgerollt in einer
Lade, nachdem sie infolge einer feuchten Wand
schimmlig geworden sind. Kein Sprung, kein
Abblättern ist zu bemerken, kein Ritzchen zu
sehen, sie sehen gerade so gesund aus wie vor
bald 2$ Jahren, nur dort, wo auf der Rückseite
der Leinwand Schimmelflecken sich ansetzten, sind
auf der Bildseite gelb nachgedunkelte Flecken zu
sehen. Es ist also klar, dass die Adhäsion zwischen
Grund, Farbe und Bindemittel sich bis heute tadel-
los erhalten hat, ja es hat sogar den Anschein,
als wenn an Stelle der Adhäsion zwischen allen
Teilen Kohäsion eingetreten wäre.
Nun bin ich zu der Ansicht gekommen, dass
zur Erhaltung der Gemälde ein gewisses Adhä-
sionsverhältnis zwischen Grund, Bindemittel und
Farbe vorhanden sein müsse, so dass es nicht
gleichgültig für die Dauer eines Bildes sein kann,
ob die Farbschicht dünn auf einem dicken Unter-
grund oder dick auf einem dünnen Untergrund
haftet. Hier spielt eine dritte physikalische Eigen-
schaft mit, die Schwerkraft. Während nun die
Schwerkraft der Farbmasse, wenn sie dünner auf-
getragen ist als der Untergrund dick ist (Wand,
Brett, dicke Leinwand) keine Rolle spielt, ist sie
natürlich von Bedeutung, wenn die Farbe dicker
aufgetragen ist als der Untergrund im Durch-
schnitt ist. Ist z. B. der Untergrund (Leinwand)
I mm dick, die Farbschicht aber nur mm,
so ist anzunehmen, dass diese Farbschicht leicht
haftet, also eine geringere Adhäsionskraft bean-
sprucht als im umgekehrten Verhältnis. Beim
dünnen Untergrund, wenn er auch gespannt ist,
verursacht die dickere Farbschicht infolge ihrer
Schwerkraft Schwingungen, welche die Adhäsion
mit überwinden muss, weil sonst Sprünge und
Abblättern eintritt. Es wird also an die Adhä-
sionskraft eine Forderung gestellt, welche deren
Dauer in Frage stellt.
 
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