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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 14
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Berger, Ernst: Allerlei Fragen, Wünsche und Beschwerden, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0058

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S4

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 14.

Sie würden sich den Dank vieler sichern,
wenn Sie, sehr geehrter Herr, Ihren ganzen
Einfluss diesem höchst gesundheitsschädlichen
Uebelstande gegenüber geltend machen würden."
Auf unsere besondere Anfrage traf folgendes
als Antwort ein:
„Da es mir ausschliesslich darauf ankam,
festzustellen, ob weisse und andere hellfarbige
Pastellstifte „Bleiweiss" enthalten, habe ich sie
lediglich qualitativ untersucht, und zwar durch
einfaches Betupfen der Stifte mit Schwefel-
ammonium, wobei der Bleigehalt durch Schwarz-
färbung sofort erkenntlich.
Die quantitative Bestimmung riet man mir
durch Auflösen der Pastelle in Salzsäure und
nachheriges Ausfallen mit Schwefelsäure vor-
zunehmen. Ich habe diese Versuche nicht vor-
genommen, da es mir, wie gesagt, lediglich
um den Nachweis von Bleiweiss überhaupt
zu tun war."
Durch einige Kontrollversuche liess sich in
der Tat konstatieren, dass helle Sorten fran-
zösischer Pastellstifte die schwärzende Reaktion
des Bleiweissgehaltes zeigte, wobei statt Schwefel-
ammonium eine Lösung des weniger unangenehm
riechenden Schwefelnatriums, die mit dem abge-
schabten Pulver geschüttelt wurde, diente. Die
untersuchten deutschen Pastellstifte enthielten je-
doch keine Bleiweisszugabe.
Die Beschwerde des Kollegen L. richtet sich
gegen die Beigabe von Bleiweiss aus gesund-
heitsgefährlichen Gründen und er hat damit
ganz recht, denn beim Arbeiten mit Pastellstiften
ist eine direkte Berührung der Finger, sowohl
beim Aufträgen als auch beim Vereinigen der
Töne unvermeidlich. Die Gefahr der Bleiver-
giftung (Bleikolik) ist deshalb immerhin gegeben,
wenn man nicht durch Umhüllen der Stifte mit
Pergamentpapier oder event. durch Kautschuk-
fingerlinge beim Verwischen der direkten Berüh-
rung Vorbeugen will. Bis jetzt haben wir zwar
noch niemals von einem Erkrankungsfalle dieser
Art bei Pastellmalern gehört, wohl aber vor
einigen Jahren bei einigen englischen Malern, die
mit Raffaelli-Stiften gearbeitet hatten. Bei der
Arbeit mit diesen Stiften ist eine direkte Berüh-
rung (vor allem beim Spitzen) unvermeidlich, und
die fettige Paste setzt sich in die Poren der
Haut, unter den Nägeln usw. sehr fest.
Besteht also der Verdacht, bleiweisshaltige
Pastellstifte vor sich zu haben — solche sind
schon durch ihre Schwere von anderen leicht zu
unterscheiden — dann ist peinliche Sauberkeit,
wiederholtes gründliches Waschen der Hände mit
Seife, womöglich Bimsstein- oder Marmorseife an-
zuraten.
Was den Wunsch betrifft, unseren ganzen
Einfluss gegen das Bleiweiss in der Pastellfabri-
kation geltend zu machen, so kann dies nur durch

öffentliche Besprechung der Angelegenheit ge-
schehen und wir wollen uns der Hoffnung hin-
geben, dass berechtigte Wünsche der Künstler
bei den Fabrikanten auch Berücksichtigung finden.
Was veranlasst nun aber die Fabrik, statt
des billigen Ersatzes, wie Kreide, Gips u. a., zum
teueren Bleiweiss zu greifen? Offenbar die gute
Absicht, die Leuchtkraft der Farben zu erhöhen
und die Möglichkeit des Fixierens zu vergrössern.
Wenn man Pastellfarben, die Kreide zur Basis
haben, fixieren will, so gelingt dies auch mit den
bestempfohlenen Fixiermitteln nicht, weil Kreide
eine je geringere Lichtreflexion besitzt, als die
Festigkeit der Fixage zunimmt.
Bei Bleiweiss ist das Verhältnis nicht so
ungünstig. Soll also beim Fixieren, event. bei der
Vorhxage, die Tonveränderung möglichst ver-
ringert werden, dann mögen Bleiweiss-Pastellstifte
ganz am Platze sein. (Die Gefahr der Schwär-
zung durch schwefelhaltige Atmosphärilien bei
Heizung mit Kohlen und ähnlichem ist immerhin
grösser, wenn das Bild nicht baldigst unter Glas
und Rahmen gebracht wird.)
Das ganze Bestreben in unserer Pastell-
fabrikation sollte darauf ausgehen, ein fixierbares,
im Ton möglichst unveränderliches Material zu
schaffen. Diesen Wunsch ganz zu erfüllen, dürfte
freilich schwer fallen. Aber Anfänge davon sind
bereits zu verzeichnen gewesen, so z. B. in dem
Friedleinschen Stereopastell. Es mögen schon
IO Jahre verflossen sein, da es auf der Bildfläche
erschien, leider ohne dauerhaften Erfolg zu haben.
Aber es war ein entschiedener Schritt nach der
angedcuteten Richtung. Die Tonänderung nach
der Fixage war kaum nennenswert, die Festigung
so stark, dass das fixierte Pastell mit nassem
Schwamme übergangen werden konnte. Einzelne
Farben, wie dunkelgrün, streikten freilich ab und
zu, auch war die „Aufmachung" etwas neuartig
(Täfelchen statt Stifte) und die Farbenpulver
waren nicht so fein, wie man es gewohnt war,
Einzelheiten, die sich wohl hätten verbessern
lassen. Nichtsdestoweniger war es ein Weg, auf
dem weitergegangen werden sollte. Wenn wir
recht unterrichtet sind, beruhte das System des
Stereopastells auf der Eigenschaft des Wasser-
glases, mit bestimmten mineralischen Substanzen
feste Verbindungen zu bilden; es bedurfte dem-
nach besonders präparierter Unterlagen, beson-
derer Farben und des eigens dazu zusammenge-
setzten Fixiermittels. Um nun ein ganz neues
Material in die Künstlerkreise einzuführen, gehört
bekanntlich viel Ausdauer, Geduld und Geld für
Reklame usw. Daran wird es wohl gefehlt haben.
Es kam dann vor wenigen Jahren als Neu-
heit der Raffaelli-Stift, ein Zwitter, weder weich
genug als Oelfarbe, noch duftig genug als Pastell.
An Reklame hat es dabei ja nicht gefehlt, nur
tauchten Zweifel auf wegen der Zusammensetzung,
 
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