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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 18
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Berger, Ernst: Ist Fresko oder Stuccolustro die Technik der römischen-pompejanischen Wandmalerei?
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0075

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Nr. :8.

Münchner kunsttechnische Blätter.

7t

Die Zustimmung zu der von mir schon vor
I $ Jahren ausgesprochenen Auffassung kann kaum
vollständiger sein. Wenn Herr Prof. Eibner da-
bei „neueste Versuche von A. W. Keim" erwähnt,
nach denen unter Befolgung der Vorschrift des
Vitruv dieser Gianz mittels reiner Freskotechnik
sich erzielen lasse, so bedaure ich, diese Versuche
nicht zu kennen. Aus eigener Erfahrung weiss
ich allerdings, dass in Fresko aufgetragene Farbe
sich glätten lässt, aber ich weiss auch, dass dies
nur bei äusserster, fast ängstlicher Vorsicht ge-
lingt, dass das geringste Versehen die ganze
Arbeit zunichte machen kann und dass eine so
peinvolle Art nichts von dem Charakter einer
Handwerksübung an sich hat, die immer mit un-
bedingt sicherem Erfolge rechnen muss.
Zu Punkt 2. Mit meiner Ansicht, dass
Vitruv in dem erwähnten Kapitel über die Technik
der Wandgemälde direkt nichts aussage, sondern
lediglich die Vorbereitung dazu, die sorgfältige
Herstellung des Stuckgrundes beschreibe, und
dass diese genaue und deutliche Beschreibung
die sichere Grundlage sein müsse für die Erfor-
schung der wahren Technik der Wandmalerei —
auch mit dieser Ansicht stimmt es, wenn Herr
Prof. Eibner sagt:
„Von dieser Betrachtung (über die Her-
stellung des geglätteten, glänzenden Tekto-
riums) ist bis auf weiteres die Frage der
Art der Herstellung der in Pompeji vor-
handenenVollgemäldenichtdekorativen,
sondern rein künstlerischen Charakters
völlig auszuschalten."
Dass die Ausschaltung zwar nur eine vor-
läufige, aber doch eine völlige sein soll, hat ihn
freilich nicht gehindert, kurz vorher schon jetzt
Andeutungen zu machen, welche der künftigen
Untersuchung vorgreifen, und aus einigen Worten
Vitruvs in Verbindung mit einer Bemerkung bei
Plinius Schlüsse zu ziehen, die mir nicht als
zwingend erscheinen. Denn dass auch bei ge-
färbtem Stuckgrund (wie ich annehme) „die
Farben am Malgrunde nur dann hafteten, sobald
sie auf diesen nass in nass aufgetragen wurden,"
liegt in der Natur der Sache, und dass keine
„kalkunechten Farben" hierbei angewandt werden
durften, versteht sich gleichfalls von selbst. Als
unbedingte Beweismittel für Fresko können diese
Tatsachen nicht in Anspruch genommen werden.*)
*) Es wundert mich, dass eine sehr wichtige
Stelle Vitruvs, die freilich eine ganz unbestrittene
wörtliche Erklärung bisher noch nicht gefunden hat,
von Herrn Prof. E., wie es scheint, nicht genügend
beachtet worden ist. Ich meine die Worte coloribus
cum politionibus inductis, d. h. dass „die Farben mit
der Glättung aufgetragen" worden sind. Ich finde
darin: dass Glättung und Farbenauftrag in eine Ope-
ration zusammenfielen, dass also die oberste Schicht
in der Masse gefärbt aufgetragen und geglättet wurde.
Für diese Auffassung sprechen die in meinem Besitz

Zu Punkt 3. Von grösster Wichtigkeit für
die von mir angenommene Verwandtschaft zwischen
der antiken Wandmalerei und der späteren Stucco-
lustrotechnik ist der Nachweis einer Beimischung
von organischen Stoffen, die als Glättungs- und
Bindemittel der Farben gedient haben. Ihr Vor-
handensein erkennt auch Herr Prof. Eibner an
und tatsächlich hat er durch eigene Untersuchungen
solche gefunden, doch trägt er Bedenken, ihnen
einen solchen Umfang zuzugestehen, dass ihnen
eine Beweiskraft innewohnte.
„Es ist ferner zu erwähnen — sagt er —,
dass die sich vielfach widersprechenden Resul-
tate zahlreicher chemischer Untersuchungen
pompejanischer Wandstücke auf das Vorhanden-
sein von organischen Bindemitteln und damit
auf die Art der Technik keine zwingenden
Schlüsse zulassen, solange nicht nachgewiesen
ist, dass dieselben original, d. h. nicht nach-
träglich zum Schutze gegen die atmosphärischen
Einflüsse mit Wachs, Firnissen usw. überzogen
wurden. Die Untersuchung einiger derartiger
Stücke aus Pompeji, deren Unberührtheit garan-
tiert ist, ergab nur Spuren von organischen
Beimengungen, die weit geringer sind als
die, welche in Stuccolustroarbeiten gefunden
werden, und daher zufällige sein können."
Auch hier zeigt sich die Vorsicht des For-
schers, der vorerst nur behauptet, dass jene „Bei-
mengungen zufällige sein können". Chevreul
allerdings, dessen Untersuchungen nach jeder
Richtung einwandfrei genannt werden dürften, ist
weiter gegangen, da er meinte, sie seien „in zu
grossem Verhältnis vorhanden, um für zufällig zu
gelten", und dasselbe besagen die Analysen von
Geiger u. a. (s. Maltechn. d. Altert., S. 140 u. 142).
Aber wie man auch die grössere oder geringere
Menge bewerten mag — zu berücksichtigen bleibt
doch wohl bei einem Vergleich mit Stuccolustro-
arbeiten, dass diese moderneren Ursprungs sind
und dass es solche nicht gibt, die schon 2000 Jahre
in feuchter Erde gelegen haben, wie es bei den
pompejanischen Malereien der Fall ist. Und wenn
nicht in allen alten Stücken organische Stoffe
sich nachweisen lassen, so folgt daraus noch nicht,
dass diese, wo sie sich finden, zufällig sein
müssen, wie andere schliessen, sondern es erklärt
sich ungezwungen aus der Annahme, dass nicht
überall eine und dieselbe, sondern verschiedene

befindlichen Original-Stuckreste, deren oberste Schicht,
in der Masse gefärbt, viel dicker ist, als jemals ein
Farbenauftrag hätte sein können. Gegen etwaige
Zweifel an der Echtheit meiner Stücke möchte ich
bemerken, dass gerade die hier in Frage stehen-
den, jetzt im Deutschen Museum als Beweis-
mittel für den in der Masse gefärbten Stuck
aufgestellten Proben (blauer und schwarzer Stuck
unter den Vergrösserungsgläsern), aus einwandfreier
Quelle stammen, nämlich von der Direktion
der Ausgrabungen in Pompeji selbst.
 
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