Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

DOI Heft:
Mayer, August L.: Ein Gruppenbildnis des Greco
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0034

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EIN GRUPPENBILDNIS DES GRECO

VON AUGUST L. MAYER

Auf der Auktion der italienischen Gemälde der
Sammlung Holford gelangte Juli 1927 ein Gruppen-
bildnis (Leinwand h. 1,06, br. 1,40) zur Versteige-
rung, das als eine Arbeit des Andrea Schiavone be-
zeichnet war. Wir geben hier eine Abbildung des
damaligen Zustandes auf Grund der Reproduktion
in dem großen Holford-Katalog. Der Käufer des
Bildes hatte nichts Eiligeres zu tun, als die Figur
des kleinen Jungen im Vordergrund übermalen,
d. h. vollkommen zudecken zu lassen, um seiner
Ansicht nach das Bild für den Londoner Kunst-
handel verkäuflicher zu machen. Aus dem Londoner
Kunsthandel erwarb es dann in diesem Zustand die
Berliner Kunsthandlung Erhardt. Als man an die
Reinigung des Bildes in Berlin ging, kam nicht nur
sofort der Knabe wieder zum Vorschein, sondern
es zeigte sich sehr bald, daß die Figuren, besonders
die mittlere und die rechte in Kopf und Gewand
in früherer Zeit vollkommen umgewandelt worden
waren. Es ergab sich, daß der mittlere junge Mann
nicht nach rechts, sondern nach links blickte, ein
ganz anderer viel rassigerer und vornehmerer Kopf
wurde aufgedeckt, die Halskrause verschwand, es
erschien ein dunkles, hoch am Hals geschlossenes
Gewand. Ebenso verwandelte sich das an der Brust
weitgeöffnete Kostüm des Mannes rechts in ein

dunkles Kleid mit Pelzschaube. Endlich änderte
sich auch Charakter von Gesicht und Kleidung
des Knaben.
Während man in Berlin zuerst an Tintoretto als
Autor gedacht hat, revidierte man nunmehr seine
Meinung und vor allem vertrat Georg Biermann
die Ansicht, das Bild müsse eine Arbeit des Greco
sein, er glaubte sogar die Signatur auf dem Noten-
blatt gefunden zu haben. Für Greco sprach vor
allem schon in diesem Stadium des Bildes die neu
zutage getretene Karnation der Köpfe, vor allem
die starke Verwendung des Krapplack bei Lippen
und Ohren. Als ich das Bild in diesem Zustand
sah, konnte ich mich noch nicht entschließen, das
Bild als ein eigenhändiges Werk Grecos anzuerken-
nen. Die Ohren waren mir für Greco viel zu rund
und die Form der Hände, ihre Karnation und die
Schattengebung mehr die Tintorettos. Die weitere
Reinigung des Bildes deckte dann bei allen Figuren
die echt Grecosche spitzzulaufende Ohrform auf
und ergab, daß die Hände nicht nur durchgängig
übermalt, sondern zum Teil in ihrer Gesamtform
stark verändert worden waren; namentlich gilt dies
von der rechten Hand des Mannes links. Gerade diese
jetzt wieder sichtbar gewordenen überschlanken
Finger mit den sehr in die Länge gezogenen Nägeln,
bei denen wiederum besonders Krapp-
lackverwendet ist, sind für Greco beson-
ders bezeichnend.
Ausdrücklich sei bemerkt, daß das Ge-
mälde an und für sich verhältnismäßig
sehr gut erhalten ist, und die Übermalun-
gen nicht ihren Grund darin hatten, daß
Schäden zugedeckt werden sollten, son-
dern daß dem Eigentümer der Stil Grecos
nicht mehr verständlich war, vor allem
seine Formen ihm nicht gefielen. Auf
dem Notenblatt ist keine Signatur zu ent-
decken, dagegen scheinen mir rechts im
Hintergrund schwache Reste einer Si-
gnatur in griechischen Majuskeln erkenn-
bar, eine Signaturform, die durchaus dem
noch frühen Charakter des Bildes ent-
spräche.
Die Datierung des Stückes ist nicht sehr
einfach. Wäre wirklich der Knabe im


EL GRECO. GRUPPENBILDNIS (VOR DER ABNAHME DER ÜBERMALUNGEN)
LONDON, SAMMLUNG HOLFORD

348
 
Annotationen