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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Suida, Wilhelm: Einige Zeichnungen des Lorenzo Lotto
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0227

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EINIGE ZEICHNUNGEN DES LORENZO LOTTO

VON WILHELM SUIDA

Von einem so fruchtbaren Künstler, wie es Lorenzo
Lotto gewesen ist, sind bis heute nur wenige Zeich-
nungen bekannt. D. v. Hadeln1) nennt vier Zeich-
nungen, die sich auf die lange Lebenszeit des Lotto
verteilen und von denen drei schon Berenson2) an-
führt. In dem Katalog der Handzeichnungen der
venezianischen Schule der Albertina3) sind ebenfalls
vier Blätter dieser Sammlung dem Lotto zu-
geschrieben, von denen aber mit voller Sicherheit
ein einziges ebenfalls schon von Berenson richtig
bestimmtes Blatt, das bei Hadeln fehlt, sich als
Werk des Lotto behauptet. Es ist die vorzügliche
Bildnisstudie eines bärtigen Mannes mit Barett,
Kreide mit weißer Höhung auf bräunlichem Papier,
Katalog Nr. 83. Ein weiteres bisher, so viel ich sehe,
noch nicht in diesen Zusammenhang gestelltes
Blatt, das meines Erachtens untrüglich die Eigenart
des Lotto aufweist, hat Hadeln unter den Tizian4)
zugeschriebenen Blättern publiziert. Es ist die Feder-
zeichnung des Teylermuseums in Haarlem, Entwurf
für ein weibliches Bildnis. Die Ähnlichkeit der
Haltung, ja sogar der Gesichttypus, die Übereinstim-
mung der Tracht, so-
gar bis in die Details,
läßt es für möglich
erscheinen, die Haar-
lemer Federzeich-
nung als einen ersten
Entwurf zu dem be-
rühmten Frauenbild-
nis des Lotto, das aus
Dorchester House in
die National Gallery
in London gekom-
men ist, zu betrach-
ten. Vergeblichwürde
man bei Tizian die

x) D. Frh. v. Hadeln, Venezia-
nische Zeichnungen der Hoch-
renaissance, Berlin, Paul Cassirer,
1925.
2) B. Berenson, Lorenzo Lotto,
London 1908.
3) Beschreibender Katalog der
Handzeichnungen der Albertina I.
Bearbeitet von A.Stix und L.Fröh-
lich-Bum. Wien, Schroll, 1926.
4) D. Frh. v. Hadeln, Zeichnun-
gen des Tizian. Berlin, Cassirer,
1924, Tafel 3.

lässige Haltung der Dargestellten, welche dieser
Bildnisstudie das Gepräge gibt, suchen. Die Haar-
lemer Federzeichnung ist das erste bisher nachge-
wiesene Blatt des Lotto, welches in deutlichem Zu-
sammenhang mit einem ausgeführten Gemälde steht.
Etwas früher noch als der Bildnisentwurf in Haar-
lem ist ein anderes Blatt anzusetzen, in dem die
Beziehung zu den Frühwerken noch deutlich ist,
andererseits aber auch schon der spätere Lotto sich
ankündigt. Es ist eine große und sehr bedeutende
Kreidezeichnung in der Sammlung J. W. Böhler in
Luzern, die Gestalt eines Knappen, der mit dem
Schwert umgürtet ist, in der Linken eine Lanze hält,
im Profil, Kopf und Blick über die rechte Schulter
scharf auf den Beschauer gewendet. Offenbar war
Lotto, als er dieses Blatt schuf, über die ruhige
statuarische Haltung der Gestalten am Onigo-Denk-
mal in Treviso schon hinausgewachsen und hat
freiere kontrapostreiche Anordnungen bevorzugt.
Läßt sich auch für diesen bravourösen Entwurf
keine direkte Beziehung zu einem erhaltenen Ge-
mälde des Lotto angeben, so kann man wohl die
allgemeine Ähnlich-
keit mit den Werken,
die im zweiten Jahr-
zehnt des 16. Jahr-
hunderts entstanden,
wie z. B. mit dem
großen Altarbild von
San Bartolomeo in
Bergamo von 1513,
deutlich erkennen.
Von der tempera-
mentvollen und da-
bei eines herben Rei-
zes nicht entbehren-
den Strichführung
Lottos gibt dieses
Blatt einen ganz be-
sonders deutlichen
Begriff.
Es ist sicher anzuneh-
men, daß es möglich
sein wird, noch wei-
tere Zeichnungen des
Lotto festzustellen.


LORENZO LOTTO. FEDERZEICHNUNG

HAARLEM, TEYLER-MUSEUM

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