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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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von Falke, Otto: Spätgotische Samtstoffe
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Mackosky, Hans: Eine wiedergefundene Statue der Königin Luise von Schadow
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0305

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SPÄTGOTISCHE SAMTSTOFFE

Zeichner. Der offenbare Werkstattszusammenhang
der Goldstoffgewänder mit den Corvinusstoffen legt
die Vermutung nahe, daß auch die zu den Siebenbür-
ger Meßgewändern verarbeiteten, so kostbaren und
wahrhaft fürstlichen Goldgewebe auf Bestellung des
der italienischen Kunst geneigten Königs Matthias
Corvinus nach Ungarn gelangt sind.
Während die italienische Seidenweberei der Spät-
gotik in solchen Florentiner Goldstoffen den Gipfel
textiler Pracht und technischer Vollendung, freilich
auf Kosten der vom Gold verdrängten Farbigkeit
erreichte, pflegte Venedig, die zweite große Seiden-
zentrale, seit Anfang des 15. Jahrhunderts die tech-
nisch schwierige Spezialität polychromer Samtstoffe,
bei denen die Kettfäden ein buntes Muster im Samt-
flor bilden (Abb. 3, S. 602). Auf den Bildern Car-
paccios sind solche drei- bis vierfarbigen Samte
öfter wiedergegeben. Damit hat die allzeit levan-

tinisch eingestellte Handelsstadt der Adria einen
bis ins 16. Jahrhundert wirksamen starken Ein-
fluß auf den vorderen Orient, namentlich auf die
osmanische Samtweberei Kleinasiens ausgeübt.
Einerseits haben die Venezianer Samtweber ihre Ex-
portmuster dem islamischen Geschmack angenähert,
andrerseits osmanische Weber die venezianischen
Muster nachgeahmt. Es gibt daher manche Samt-
stoffe aus der Wende des 15. Jahrhunderts, in
denen islamische und venezianische Motive sich
vermischen. Von den beiden hier abgebilde-
ten Buntsamten (Bes. A. Loewi in Venedig, Pa-
lazzo Nani Mocenigo) ist das Stück mit aufstei-
genden weißen Ranken und Zackenblättern auf
grünem Grund wohl noch als venezianisch anzu-
sehen, während das andere mit den weißen Wol-
kenbändern zwischen Rosettenfeldern auf osmani-
sche Arbeit deutet.

EINE WIEDERGEFUNDENE STATUE DER KÖNIGIN
LUISEVON SCHADOW
VON HANS MACKOWSKY

Den unterschiedslos begeisterten Stimmen ihrer lite-
rarischen Porträtisten entsprechen nicht in gleichem
Maße die bildlichen Darstellungen der Königin
Luise. Ohne Zweifel ist der harmonische Gesamt-
eindruck ihrer Persönlichkeit, getragen von der
hoheitsvollen Anmut ihrer Bewegungen und be-
gleitet von dem klangvollen Alt ihrer Stimme, be-
zwingender gewesen als die Schönheit der einzel-
nen Formen. Dazu kommt, daß die Künstler ihres
Zeitalters, ein Tielker, Böttner, Schröder, ein J. F.
A. Tischbein, die Vigee le Brun und Felicite Tassaert,
um nur die hauptsächlichsten zu nennen, teils in
ihrer Gestaltungskraft begrenzt waren, teils durch
die allgemeine, von England herübergekommene
Porträtauffassung namentlich vor diesem Modell zu
einer Schönfärberei ihre Zuflucht nahmen, die sich
bewußt über die Forderungen der Wirklichkeit und
Naturtreue hinwegsetzte.
Nur eine Ausnahme muß festgestellt werden. Die
Königin Luise hatte das Glück, schon bei ihrem
Eintritt in die preußische Wahlheimat unter den
Künstlern ihres Hofes den besten deutschen Por-
trätisten der Zeit anzutreffen, den Bildhauer Johann
Gottfried Schadow. In dem Zeitraum, in dem er
sie mehrfach dargestellt hat, standen beide, Modell

und Künstler, in der ersten, frischen Blüte ihres
Wachstums, und daher haben Schadows Verkör-
perungen der Königin Luise noch über das Künst-
lerische hinaus geschichtlich dokumentarische Gül-
tigkeit.
Man kennt die noch ein wenig befangene frühe Büste
von 1794, das Gegenstück zu der reizenden Büste
der Schwester Friederike. Beide haben als Studien
zu dem berühmten Doppelstandbild gedient. Das
Decollete dieser ersten Büste mußte später mit Rück-
sicht auf den prüden Geschmack des Königs durch
einen Umschlagkragen und ein gefranstes Schulter-
tuch verschleiert werden, aber schon 1799 formt
Schadow eine neue mit anderer Frisur und antiki-
scher Draperie (Abb. S. 605).
Jetzt taucht aus langer Verborgenheit eine Darstel-
lung in ganzer Figur auf. Den schönen Fund ver-
danken wir der Rührigkeit des Vereins für die Her-
stellung und Ausschmückung der Marienburg, des-
sen Leiter Oberbaurat Dr. Schmid das Werk wieder
zu Ehren gebracht und im Hochmeisterpalast der
alten Templerfeste aufgestellt hat (Abb. S. 604).
Die Statue in Gips, 1,21 m hoch, zeigt die Königin
in leichtem Vorwärtsschreiten. Die gesenkte, frei
herausgestreckte Rechte hält einen Apfel; die Linke,

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