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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Verres, Rudolf: Zur Konstanzer Bildschitzerei im frühen 14. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0044

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ZUR KONSTANZER BILDSCHNITZEREI IM FRÜHEN
14. JAHRHUNDERT
VON RUDOLF VERRES

Konstanz hat, wie es neuerdings scheint, an der
deutschen Plastik im Zeitalter der hohen Gotik in
bestimmter Weise Anteil gehabt. Die Bodensee-
gegend hatte sich schon vor einiger Zeit als Ver-
breitungsgebiet einer Reihe stilistisch einheitlicher
Skulpturen feststellen lassen: der ältesten erhaltenen
Christus-Johannes-Gruppen und anderer Arbeiten,
namentlich geschnitzter Altäre, die leider nur frag-
mentarisch auf uns gekommen sind1)- Als Entste-
hungsort dieser Arbeiten bietet sich Konstanz in er-
ster Linie an. Nun hat kürzlich Ilse Futterer, gleich-
zeitig mit dem glücklichen Nachweis weiterer Ar-
beiten des Stils auf Schweizer Boden, mehrere be-
deutsame Nachrichten veröffentlicht, die sich ge-
genseitig ergänzen. Ihnen zufolge hat ein Meister
Heinrich von Konstanz vor dem Jahre 1328 eine
große, als Gnadenbild verehrte und als auffallend
schön bezeichnete Christus-Johannes-Gruppe des
Klosters Katharinenthal bei Diessenhofen aus Nuß-
holz geschnitzt2). Damit ist eine willkommene Hand-
habe zur Lokalisierung der ganzen Bildwerke nach
Konstanz gewonnen. Es ist nach Futterers Unter-
suchungen in hohem Grade wahrscheinlich, daß die
in dem aufgehobenen Kloster nicht mehr vorhan-
dene Gruppe mit der bekannten in der Sammlung
Mayer van den Bergh in Antwerpen, der größten
unter allen, identisch ist (Abb. Futterer, Seite 2).
Futterer hat in einer leider arg verstümmelten ste-
henden Maria mit dem Kinde, die sich noch in dem
genannten Kloster befindet, ein weiteres Werk des
Schnitzers der Antwerpener Gruppe festgestellt.
Das Jahr 1228 als terminus ante quem für die Chri-
stus-Johannes-Gruppe bestätigt durchaus, was sich
stilkritisch und zum Teil auch baugeschichtlich be-
reits mit Wahrscheinlichkeit ergeben hatte: daß wir
es mit dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts zu
tun haben. Die einzelnen Arbeiten, sämtlich in Holz,
und zwar überwiegend in Eichenholz, ausgeführt,
weisen trotz Einheit des Stils untereinander Ver-
schiedenheiten auf, die zum Teil beträchtlich sind.
Wenn sie aus einer Werkstatt hervorgegangen sind,
so muß in ihr eine ziemlich große Anzahl von Kräf-
ten tätig gewesen sein. Ich lasse dem früher Ausge-
führten hier eine Besprechung weiterer Bildwerke
folgen, die sich zumeist in Privatbesitz befinden und
deren Provenienz nicht mehr festzustellen war. Sie
geben uns weiter wichtige Aufschlüsse über die
Werkstatt.
Von den zwölf Christus-Johannes-Gruppen aus der
ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist die im Besitz
von Dr. Franz Haniel in München, früher bei

*) Vergl. Verres in den Berichten ,,Berliner Museen“ 46, 1925 S. 10 ff.
2) I. Futterer im ..Schwab. Museum“ 1928 S. 1 ff.

Richard Seligsohn dortselbst, nur unzureichend be-
kannt gemacht (Abb. S. 359). Sie mißt 67 cm in der
Höhe und ist aus Eichenholz. Von dem alten Kreide-
grund sind noch große Teile vorhanden, von der
Bemalung nichts mehr. Baums Datierung auf zirka
1440 erweist sich als ganz bedeutend zu spät1). In
den Draperien der beiden Gestalten fehlen die Män-
tel. Dadurch ist keine Gelegenheit gegeben, durch
einheitlichen Fluß der umgelegten Mantelsäume den
Gleichklang wie in Antwerpen herzustellen. Der
Kopf Christi hat keine Wendung nach seitwärts,
zu dem Lieblings jünger, wie in der Berliner Gruppe
(Abb. Futterer S. 10), wohl aber die Neigung nach
vorn, wie wir sie bei der Übcrlingendorfer Ma-
donna in Rottweil beobachten (Abb. Futterer, S. 6).
Im Typ des Kopfes ähnelt Christus der letzteren
ebenfalls, während Johannes im Kopf mit dem Kinde
Übereinstimmung zeigt. Das Flaar mit der kleinen
Stirnlocke in der Mitte ist noch in der Art des 13.
Jahrhunderts gescheitelt. Die Stegfalten an den Un-
terschenkeln laufen radial auseinander, bei der Ma-
donna dagegen, wo sie in weicherer Rundung auftre-
ten, mehr parallel. Letztere hat auch noch mehr
Körperlichkeit. Die beiden Arbeiten stehen sich zeit-
lich aber sehr nahe.
Der genannten Madonna läßt sich auch die große
Christus-Johannes-Gruppe mit unbekannter Pro-
venienz im Stuttgarter Museum annähern (Eichen-
holz, 120 cm hoch)2). Christi Oberkörper weicht hier
ohne Rücksicht auf die Erfordernisse des Themas
etwas zur Seite aus, sein gerade erhobenes Haupt
ist nur gering nach vorn geneigt, und die rechte, be-
schädigte Hand kann die jetzt ergänzte Rechte des
Apostels höchstens an den Fingerspitzen berührt
haben. Offenbar ist die Aufgabe des neuartigen An-
dachtsbildes hier noch nicht voll gelöst. Die ent-
wicklungsgeschichtliche Stellung des Stückes hat
man bisher nicht richtig erkannt. In der Faltenge-
bung der nicht einheitlich drapierten Gewänder und
Mäntel trifft eine bereits straffe Führung der Linien
mit weichem Ausschleifen am Boden zusammen.
Die Bildung der feinen Haarsträhne Christi ähnelt
der bei der Madonna aus Überlingendorf.
Nunmehr rückt auch die bekannte Christus-Johan-
nes-Gruppe aus Schülzburg, ehemals in der Samm-
lung B. Oppenheim-Berlin, mit ihrer Entstchungszeit
in ein helleres Licht (Abb. Futterer, S. 3; ebenfalls
Eichenholz). Ihre um etwa 30 cm geringere Höhe
gegenüber dem Stuttgarter Bildwerk ist nicht be-
deutungslos. Die wörtliche Übereinstimmung mit

*) I. Baum, Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts, Stuttg. 1917,
S. 83 Nr. 10 und derselbe, Gotische Bildwerke Schwabens, Augsburg 1921,
S. 60 und 127.
2) Abb. Baum, Gotische Bildwerke Schwabens, Taf. 58.

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