Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

DOI Heft:
von Falke, Otto: Spätgotische Samtstoffe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0302

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SPÄTGOTISCHE SAMTSTOFFE

VON OTTO VON FALKE

Im Berliner Schloßmuseum sind zur Zeit als Leih-
gabe einer protestantischen Kirche in Siebenbürgen
Kirchengewänder aus italienisch enSamtbrokaten aus-
gestellt, die zu den großartigsten Prachtgeweben der
Spätgotik zählen. Es sind drei Garnituren oder Ka-
pellen, jede aus dem halbkreisförmigen Chormantel,
zwei Kasein und zwei Dalmatiken bestehend, alle
Gewänder von ungewöhnlich großem Format. Bei
der vermutlich ältesten Kapelle steht das Muster
aus tief karmoisinrotem Samt auf glatt gewebtem
Goldgrund, dessen Fäden aus vergoldetem Silber-
lahn über einem gelben Seidenfaden bestehen. Der
Samt ist innerhalb der großen fünfteiligen Blatt-
formen in zwei Höhen geschnitten, so daß die aus
krausen Goldschleifchen gewebten Blüten inmitten
dieses Fünfblattes auf einem innen erhöhten Samt-
feld stehen, das in der Abb. 1, S. 602 allerdings nicht
sichtbar wird. Ob dieser um 1470 anzusetzende
rote Samtbrokat in Florenz oder in Venedig ent-
worfen und gewebt worden ist, läßt sich mit Sicher-
heit kaum entscheiden. Die größere Wahrschein-
lichkeit spricht aber für Florenz, weil einerseits be-
stimmte venezianische Merkmale fehlen und weil
andrerseits die naturähnliche Zeichnung der Zweige
mit Mohnköpfen, die auf den breiten roten Ästen
in Gold ausgespart sind, mit nachweislich floren-
tinischen Seidenstoffen dieser Zeit übereinstimmen.
Die beiden anderen in Berlin ausgestellten Kapellen
kann man eher Goldstoffe als Samtstoffe nennen,
weil hier sowohl der Grund wie das Muster aus
Goldfäden gewebt sind, während der Seidensamt
nur in den dunklen Linien der Umrisse und der
Innenzeichnung zum Vorschein kommt, somit als
Farbe nur wenig mitspricht. Bei der einen Garni-
tur sind die Samtkonturen schwarz und zum großen
Teil ausgefallen, weil die Schwarzfärbung die Fäden
mit der Zeit vernichtet; die andere Kapelle gleicher
Gattung hat dagegen rote Samtzeichnung und ist
tadellos in voller Pracht erhalten (Abb. 2, S. 601). Um
in die breiten Geldmassen dieser Gewebe wech-
selnden Glanz und Lichtkontraste hineinzubringen,
ist das Muster auf gleißend glattem Goldgrund in
erhöhten, Relief bildenden Goldnoppen oder Schlei-
fen kraus gewebt, wobei noch durch dichtere Rei-
hung der Noppen einzelne Partien in dunklerem
Goldton herausgehoben werden. Das ist auch in

der Abb. 2 an den vier stilisierten Blüten- oder
Fruchtformen zu erkennen, die von den mächtigen
blattumwundenen Asten abzweigen. Das Muster
ist in größtem Maßstab ausgeführt, so daß der Rap-
port in der Senkrechten an zwei Meter heranreicht.
Die beiden Kapellen aus schwarz und rot kontu-
rierten Goldstoffen lassen sich örtlich und zeitlich
ziemlich genau bestimmen. Sie stammen aus der-
selben Florentiner Werkstatt, die zwischen 1475 und
1490 nach Zeichnungen von Antonio Pollajuolo
das berühmte Altar-Antependium in Assisi mit der
Stifterfigur Papst Sixtus IV. und die Thronbehang-
stoffe des Königs Matthias Corvinus von Ungarn
(j- 1490) gewebt hat. Auch ein Antependium mit
dem Kardinalswappen des Primas von Spanien, Erz-
bischof Pedro Gonzales de Mendoza (J- 1495), im
Domschatz von Toledo ist von demselben Floren-
tiner Weber gearbeitet (vgl. Falke, Kunstgesch. d.
Seidenweberei, 1913, S. 114, Abb. 545). Dieser Mei-
ster ist vielleicht mit einem Tessutore Malocchi
identisch, der für Antonio Pollajuolo gearbeitet hat.
Die durch die Abb. 2 veranschaulichten Kirchen-
gewänder sind in der Textur mit den genannten Polla-
juolostoffen in Assisi und Budapest und mit dem
Toledaner Antependium ganz identisch; und die
naturähnlich dargestellte Distelblüte (auf der Abb. 2
unten links) bildet ein Hauptmotiv im Muster
desMendozaantependiums. Da bei diesem auch die
dicken blattumwundenen Äste ganz ähnlich wieder-
kehren, kann die gemeinsame Herkunft der Gewän-
der aus Siebenbürgen und der Corvinusstoffe aus
der Florentiner Werkstatt und aus den Jahren um
1480 nicht bezweifelt werden. Mit dieser Datierung
und Lokalisierung stehen übrigens auch die gestick-
ten Besätze der Chormäntel und Kasein durchaus
im Einklang. Die in Rundbogennischen sitzenden
Apostelfiguren im Kaselkreuz der Abb. 2 sind
sehr verwandt mit den sitzenden Heiligen auf dem
gestickten Randbesatz des Sixtusantependiums von
1475; sie stehen allerdings der Renaissance viel näher
als die im wesentlichen noch gotischen Webemuster
der Goldstoffe aus Siebenbürgen. Das ist begreif-
lich, da die Stickereien von einem mit dem Zeitstil
gehenden Maler aus dem Pollajuolokreis entworfen
sind, das Goldstoffmuster dagegen von einem noch
der gotischen Tradition anhängenden Muster-

600
 
Annotationen