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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Wertheimer, Otto: Zum Werke Heinrich Douwermanns
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Huth, Hans: Das Berliner Tischler-Meisterstück
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0238

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ZUM WERKE HEINRICH DOUWERMANNS

gruppieren, treten stark vor. Aber die Bewegungen
werden nicht, wie man nach den massigen Schenkeln
erwarten sollte, schwer und sonor, sondern spitz,
eckig und schleichend, sowohl auf der Verkündi-
gungsgruppe wie beim kreuztragenden Christus und
den geduckten Hirten der Flucht nach Ägypten des
Kalkarer Altars. Besonders die Einzelbehandlung
zeigt deutlich eine im Grunde naturferne Gestaltung.
Die stark blasig gewölbte Stirn mit dem weit zurück-
geschobenen Haaransatz, die auch sonst in der
Kalkarer Schule zu belegen ist, schließt mit Augen-
bogen ab, die durch leicht vorstehende scharfe Stege
hervorgehoben sind. Diese in vollem Halbrund ver-
laufende Linie geht in geschlossenem Kontur in den
Nasengrad über. Im übrigen sind das die einzigen
Formen, die die großen, in undifferenziertem Rund
verlaufenden Flächen des Gesichts unterbrechen.
Den eigentümlich „schnippischen“ Ausdruck seiner
weiblichen Gesichter erreicht Douwermann vor
allem dadurch, daß er das Oberlid kurz bildet und
gerade abschneidet, das Unterlid im Halbrund
herunterzieht, und daß er die Lippen leicht vorspitzt.
Diese Charakteristik trifft nur bei den eigenhändigen
Köpfen des Kalkarer Altars zu, die vielen nicht
eigenhändigen sind durch ihre Derbheit und durch
die Spitzigkeit der Profilierung leicht herauszuken-
nen. Sie trifft vor allem auf die Einzelfigur der Mag-
dalena in der Kalkarer Pfarrkirche, die etwa ein
Lustrum nach dem Siebenschmerzenaltar entstanden,
und die allgemein als ein Werk Douwermanns an-
erkannt ist1). Einige äußerliche Merkmale in der
Mache erhärten die Zuschreibung der Verkündi-
gungsgruppe an Douwermann. Die Locken der
Maria winden sich nichtkorkzieherartig nach oben,
sondern ordnen sich wie die Kugeln einer Kette an-
einander. Genau wie beim Engel im Aufsatz des

*■) Vgl. Heribert Reiners in Thieme-Beckers Künstlerlexikon und Eugen Lüthgen,
Die niederrheinische Plastik von der Gotik bis zur Renaissance. Straßburg 1917,
Tafel LIII, 2.

Kalkarer Altars, der den Evangelisten Johannes auf
die Erscheinung der Gottesmutter hinweist, so ra-
gen auch die Flügel des Verkündigungsengels wie
Palmwedel in die Luft.
Doch genug! Die weitere Entwicklung des Meisters
bestätigt seine im Grunde naturferne, abstrahierende
Einstellung. Nach der Epoche des Kalkarer Altars,
in der die Gewänder zusammengepackt und in kräf-
tiger Plastizität zusammengerissen sind, setzt eine
weitere Reduktion der Stilelemente ein. Mit den
grätenartigen Falten, die wir schon am Knie des Ver-
kündigungsengels beobachten konnten, baut der
Meister nun seine Figuren auf. Der Entwicklungs-
prozeß zu dieser Manier läßt sich Schritt für Schritt
verfolgen. Er beginnt bereits in den späten Arbeiten
am Kalkarer Altar, in der Aufsatzgruppe, und ist
um 1525 in der Kalkarer Magdalena im wesentlichen
abgeschlossen. In diese Epoche gehört die Eichen-
holzstatuette des Berliner Museums (Vöge, Bild-
werke Nr. 316), die in der Einzeldurchbildung des
Gesichtes etwas schwerfälliger geraten ist, die aber
trotzdem als eigenhändig angesprochen werden muß.
Die Entwicklung läßt sich an den drei Predellen der
drei Altäre am klarsten aufzeigen, weil sie das gleiche
Thema, die Wurzel Jesse, in den drei Stadien ab-
wandeln. Im Spätstil des Meisters, im Xantener
Marienaltar, wird dem Gewand ein starkes und
selbständiges ornamentales Eigenleben zuerkannt,
ohne daß der Körper als Stütze dieses ornamentalen
Geschlinges kräftiger oder gar, wie bei den ober-
deutschen barockisierenden Meistern H. L. oder
Hans Leinberger kraftstrotzend hervortreten würde.
Die entwicklungsgeschichtlich wichtigste Epoche im
Werke Douwermanns ist die der zwanziger Jahre.
Von hier aus leiten sich die sehr aufschlußreichen,
bombastisch schreitenden und mit lautem Selbst-
bewußtsein auftretenden Renaissancegestalten der
heiligen drei Könige im Xantener Dom ab, die dem
Arnold von Tricht zugeschrieben werden.

DAS BERLINER TISCHLER-MEISTERSTÜCK
VON HANS HUTH

Das Berliner Tischlergewerbe nahm seit dem Beginn
des 18. Jahrhunderts einen starken Aufschwung,
der am Anfang des 19. Jahrhunderts sogar zur
Gründung von Großtischlereien führte, die für den

Exportarbeiteten. Trotz dieser Entwicklung, die eine
bodenständige Stilentwicklung wahrscheinlich macht,
hat man sich bisher wenig um die Feststellung Ber-
liner Möbelformen gekümmert. Die bekannten Er-

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