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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Hinks, Roger: Ein hellenistischer Bildteppich im britischen Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0290

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EIN HELLENISTISCHER BILDTEPPICH
IM BRITISCHEN MUSEUM
VON ROGER HINKS

Obgleich die hier veröffentlichte Bildwirkerei (Abb.
S. 589) zu den hervorragendsten Textilfunden aus
den Gräbern von Akhmim Panopolis in Oberägyp-
ten zählt, ist sie bisher nur unzulänglich abgebildet
und beschrieben worden, so daß sie als kost-
bares Dokument späthellenistischer Textilkunst
noch kaum beachtet und gewürdigt werden konnte.
Das im Jahre 1889 von der Ägyptisch-Assyrischen
Abteilung des Britischen Museums aus dem Besitz
von Rev. Greville Chester erworbene Stück besteht
aus Leinwand (36,6:31,5 cm) mit farbenreicher Dar-
stellung aus dicken Wollfäden, die in Noppen ein-
geknüpft sind. Das Hauptmotiv bildet ein Boot
mit zwei geflügelten Amoretten beim Fischfang.
Der Putto zur Linken trägt eine rote Tunika mit
gelber Schulterfibel und gelbem Armband, die blauen
Flügel sind braun gefleckt; sein Haar ist gelb, die
Wangen blaßrot, die Augen braun. Die linke Hand
führt das braune Steuerruder, die Rechte ist durch
das Heck des Boots verhüllt und hält vermutlich das
braungefleckte Netz, das in die Kranzborte hinein-
reicht. Der Knabe rechts trägt eine blaue, gelb
schattierte Tunika und weiße Mütze; er hat dunkel-
grüne Flügel, braunes Haar, blaue Augen. Über
den Bootsschnabel gebeugt sucht er einen Fisch zu
greifen. Heck und Schnabel des Boots sind hoch-
geschwungen, das Mittelstück trogförmig, wie auf
dem Schiffsmosaik von Altiburus (Gauckler, Invent.
des Mosaiques de la Tunisie 576); an der Breitseite
läuft oben ein roter Streifen mit gelbem Rand und
fünf Löchern entlang, darunter eine weiße VCellen-
linie, oben rot, unten blau schattiert. In dem durch
eine Reihe blauer Tupfen angedeuteten Wasser
schwimmt links eine bunte Ente mit flatterndem
Halsband, rechts ein Fisch. Die auf drei Seiten er-
haltene Bordüre besteht aus einer Kette rot, orange,
grün schattierter Dreiblätter, begleitet von blauen,
grünen und braunen Blättern und hellroten Knospen.
Auf den Ecken ruhen zwei Medaillons mit Knaben-
köpfen auf gelbem Grund, sehr ähnlich einem ge-
wirkten Medaillon aus Antinoe (Guimet, Les Por-
traits d Antinoe, pl. 1); der Kopf links ist braun-
haarig, mit rosigen Wangen und blauen Augen, der
andere blasser mit schwarzen Augen.
Eine derartige dekorative Darstellung ist rein hel-
lenistischer Konzeption. Der Wirker in Akhmim

konnte die Anregung zu diesen blonden, blauäugi-
gen Putten nur von Alexandria empfangen haben;
die menschlichen Figuren der einheimisch-kopti-
schen Tradition verraten dagegen einen uneuro-
päischen Prototyp (z. B. Kendrick, Catalogue of
textiles Nr. 50, pl. 13). Aber auch abgesehen von
solchen physischen Unterschieden stimmt die
naturalistische Färbung und Schattierung unseres
Textilbildes mit den alexandrinischen Dekora-
tionsgrundsätzen vollkommen überein. Das Genre-
bild fischender Amoretten gehört zum festen Be-
stand der nilotischen Landschaft und erscheint
auf ungezählten Mosaikpavimenten alexandrini-
scher Inspiration in der ganzen römischen Welt.
Der berühmte Mosaikboden im Palazzo Barberini
zu Palestrina ist wohl aus hadrianischer Zeit, aber
dieselben Motive kehren auch in den unserem Bild-
teppich zeitlich näheren Mosaiken von El Alia
(Gauckler, 93) und Zliten (Aurigemma, I mosaici
di Zliten, fig. 71, 72) wieder. Die Kranzbordüre ist
ein landläufiges Motiv in afrikanischen Mosaiken
und findet sich auch in anderen Textilien aus Ägyp-
ten (vgl. Kendrick Nr. 52, 53; Bock, Coptic figured
textiles, pl. 22).
Die technische Ausführung unseres Bildes aus sehr
dicken gefärbten Wollfäden, die in Noppen oder
Schleifen durch den glatten Leinengrund gezogen
sind, ist auf Textilien des 3. und 4. Jahrhunderts aus
Akhmim und Antinoe ziemlich häufig. Obwohl die
Noppennicht wie beim Knüpfteppich aufgeschnitten
oder geschoren sind, ist diese Technik sicherlich
verwandt mit den von Plautus (Ps. 147) erwähnten
„Alexandrina tonsilia tapetia“ und den dicken Flor-
teppichen in der Halle des Ptolemaeus Philadelphos
(Athenaeus, v. 26). Da sie ihre Wirkung durch an-
einandergesetzte Noppen von klaren und stufen-
weis abschattierten Farben erzielt, erinnert sie un-
mittelbar an die Mosaikarbeit. Man darf die reiche
Polychromie und durchaus malerische Auffassung
unserer Komposition als ein Spiegelbild gleichzei-
tiger Wandmalerei betrachten; daher gewinnt das
Teppichbild, abgesehen von seinem Wert als ein
Meisterstück dekorativer Kunst, noch eine hohe Be-
deutung als ein Zeugnis für die verschwundenen
Denkmäler der späthellenistischen Malerei von
Alexandria.

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