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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Salmony, Alfred: Einflüsse in der indischen Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0191

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EINFLÜSSE IN DER INDISCHEN PLASTIK

VON ALFRED SALMONY

In seinem Aufsatz über den ältesten national-indi-
schen Buddha-Typ (Pantheon Jahrg. I, Heft 3) ver“
öffentlichte L. Scherman eines der wertvollsten und
frühesten Stücke buddhistischer Plastik aus dem
Besitz des Museums für Völkerkunde in München.
Er hat die Darstellung des Erhabenen der älteren
Forschung (Foucher, Grünwedel) folgend von Gan-
dhara, der hellenistisch beeinflußten Nordwestpro-
vinz Indiens, abgeleitet. Erst in seiner Schlußbe-
merkung kommt zum Ausdruck, daß dieser Auf-
fassung eine andere gegenübersteht, die Scherman
eine „durch die indische Brille“ gesehene nennt, und
deren führenderVertreterAnanda K.Coomaraswamy,
der Leiter der indischen Abteilung des Museum of
Fine Arts in Boston, ist.
Daß man eine für die Weltkunst so bedeutsame
Tatsache wie die Schaffung des Buddha-Typs von
mittelmeerländisch-europäischen Einflüssen ablei-
tete, wird niemand erstaunen, der in der offiziellen
Kunstgeschichte die aus humanistischen Vorurteilen
gewonnene römisch-hellenistische Brille erkennt.Ge-
gen diese Vorurteile haben auf dem Gebiet der euro-
päischen Kunst J. Strzygowski seit langem und W.
Worringer in seinem neuen kühnen Buch,, Griechen-
tum und Gotik“ (München 1928) angekämpft.
Worringer, der sich nicht, scheut an den überkom-
menen Theorien über die Entstehung der mittelalter-
lichen Kunst zu zweifeln, benutzt bei gelegentlich
herangezogenen Beispielen aus der indischen Ent-
wicklung die römisch-hellenistische Brille, auch er
glaubt noch an Einflüsse des Mittelmeerkreises.
An anderer Stelle (Sozialistische Monatshefte, Au-
gust 1926) habe ich versucht, die psychologischen
Gründe aufzuweisen, welche die ältere europäische
Forschung zu ihrer Einstellung gebracht haben. Die
Theorien vom westlichen Einfluß in Indien setzen
freilich vor der Entstehung des Buddha-Bildes ein,
eine Zusammenstellung und die Untersuchung der
Berechtigung mag daher von Interesse sein.
Erst seit kurzem ist die Forschung auf die bisher
älteste indische Plastik aufmerksam geworden. Es
handelt sich um Stein- und Tonskulpturen aus neo-
lithischer Zeit. Die Fundstätten befinden sich im
nördlichen Indus- und Gangestal, die wichtigsten
heißen Harappa und Mohenjo Daro. Eine um-

fassendeVeröffentlichung durch den indischen Denk-
maldienst wird mit Ungeduld erwartet. Die zeit-
liche Bestimmung dieser Skulpturen schwankt über
die drei vorchristlichen Jahrtausende. Sie erfolgte
auf Grund der Schicht sowie des gleichzeitig aus-
gegrabenen Geräts aus Stein und Kupfer. Es sei
gleich angemerkt, daß sich im Industal Eisen außer-
ordentlich früh, sicher um 500 v. Chr. findet. Die
meisten Forscher, so S. Perry („The Children of the
Sun“, London 1923, Seite 48), glauben an seine Er-
findung in Indien. Der neolithischen Gruppe indi-
scher Altertümer gehören auch Siegelplättchen aus
Fayence mit noch nicht entzifferten Inschriften an.
Sie tragen plastischen Schmuck, darunter Büffel und
Tiger, manchmal symmetrisch um einen Baum ge-
paart. Die Ähnlichkeit mit sumerischen Funden des
4. bis 3. Jahrtausends ist nicht zu verkennen. Für
die Kalkstein- und Tonstatuetten Indiens gilt ein
gleiches. Die einzige außerindische Sammlung,
die über einen wertvollen Bestand alter Ton-
plastik verfügt, ist das Museum of Fine Arts in
Boston. Coomaraswamy hat in Nummer 152 des
Bulletins daraus veröffentlicht. Dort wurde auch die
Vorderansicht der offenbar frühesten Statuette (Abb.
5. 500) erstmalig abgebildet. Wie inUMittelmeer-
kreis handelt es sich um eine Muttergöttin mit stark
betonten Geschlechtsmerkmalen. Die technische Be-
handlung besteht teils in Linieneinritzungen (für
den Unterkörper und die rückseitige Frisur), teils
in besonders modellierten und aufgelegten Ton
partikeln (Augen, Körper-, Ohr- und Haarschmuck).
Die primitive Vereinfachung des Gesichts und der
als Stümpfe behandelten Extremitäten wie der sorg-
fältige Naturalismus im Schmuck erinnern neben
Sumerien auch an Kreta. Man spricht gewöhnlich
von einer „indo-sumerischen“ Plastik, führt damit
freilich eine andere Unbekannte, die jedenfalls nicht
semitischen Sumerer, in die Entstehungsgeschichte
der indischen Plastik ein. Die Verwandtschaft der
neolithischen Kulturen untereinander läßt sich am
besten durch die Töpferei beweisen. Von welcher
Stelle hat sie ihren Ausgang genommen? Von Kreta,
Sumerien, Elam, Ägypten, Turkestan, dem nörd
liehen Kaukasus oder schließlich von Indien? Für
Nordindien als Ursprungsland dieser Kulturen

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