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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Baldass, Ludwig: Hans Baldungs Frühwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0088

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HANS BALDUNGS FRÜHWERKE

VON LUDWIG BALDASS

Leihausstellungen alter Kunstwerke pflegen die Wissenschaft
durch die Möglichkeit, bekannte Objekte in neuer Umgebung
sehen und Vergleiche vor den Originalen selbst vornehmen
zu können, außer zu den angestrebten noch zu anderen un-
geahnten Resultaten zu führen. So lag eine Schau der Werke
Hans Baldungs nicht im Sinne des Veranstalters der Nürn-
berger Dürer-Ausstellung von 1928 und doch kann Dank die-
ser Veranstaltung gerade das Werk dieses Meisters durch wich-
tige Schöpfungen bereichert werden, die neue Perspektiven
eröffnen. Die bisher nur gelegentlich geäußerte Vermutung1),
daß die ausgezeichneten Florentiner Kopien von Dürers 1507
datierten, jetzt im Prado aufbewahrten Tafeln mit Adam und
Eva wohl als Werke Hans Baldungs anzusehen wären, darf
nun nach meiner Ansicht als gesichert gelten, während die
Annahme, daß dieser Künstler auch die Mainzer Kopie gemalt
hätte, fallen gelassen werden muß. Neben dem für Baldung
so charakteristischen Duktus der Haare, der jedes einzelne
scharf heraushebt und durchverfolgt und sich klar von der
unterbrechenden Haarbehandlung Dürers unterscheidet, und
neben der Art, wie weiße Lichter zur Höhung der Modellie-
rung in zeichnerischer Weise aufgesetzt worden sind, sind es
vor allem die hinzugefügten Tiere, die die Bestimmung der
Florentiner Kopien als Werke des Straßburger Meisters recht-
fertigen, man vergleiche nur den Papagei neben Eva mit den
Sittichen der Nürnberger Madonna. Meine Hypothese2), daß
Dürers Tafeln von 1507 die gegen Mitte der zwanziger Jahre
vor sich gegangene entscheidende Wandlung in der Entwick-
lung Baldungs wesentlich beeinflußt hätte, erfährt dadurch
ihre Bestätigung. Vor allem aber wirft die Ausstellung ein
neues Licht auf die Erstlingswerke des größten und bedeutend-
sten aller Dürerschüler.
Was wir bisher an Frühwerken Hans Baldungs kennen, steht
deutlich unter dem Einfluß Dürerscher Kunst. Eine Gruppe
von Zeichnungen (Aristoteles undPhyllis von 1503 im Louvre3),
Madonna in Landschaft und stehende Katherina von 1504 in
Basel4) und Enthauptung der hl. Katherina von 1505 in Berlin5)
wird jetzt allgemein als Arbeit des Künstlers anerkannt. Ihnen
schließt sich die gemalte Rückseite eines männlichen Bildnisse
(1926 bei A. S. Drey in München) an, die in einer mehr des
korativ gehaltenen Landschaft die Szene von Pyramus und
Thisbe zeigt6). Mit diesen Werken lassen sich außerdem zwei
selbständige Bilder in Verbindung bringen, die ich hier, so
weit ich sehe, zum erstenmal für Frühwerke Baldungs in An-
spruch nehme. Das eine Gemälde (Abb. S. 399), das einen
jungen Ritter zu Pferde zeigt, der eine junge Frau dem Tode
zu entreißen sucht, wird im Louvre7), das andere (Abb. S. 400),
x) Winkler. Dürer (Klassiker der Kunst), S. 414.
2) Der Stilwandel im Werke Hans Baldungs. Münchner Jahrbuch 1926. Vgl.
S. 20-23.
3) Abb. Parker Archives alsaciennes d’histoire de Part, 1924, p. 19, und Münch-
ner Jahrbuch 1926, S. 36.
4) Beide abgeb. bei Terey, Baldungzeichnungen I.
5) Früher Samml. Rodriguez, Paris, Abb. im Auktionskatalog Fred. Muller, Am-
sterdam. 12. Juli 1921, Nr. 33.
6) Abb. Münchner Jahrbuch 1926, S. 37.
7) Früher in der Sammlung Goldschmidt-Pzibram in Brüssel. Verst. Muller,
Amsterdam 1924, Nr. 4 (B. Beham).

ein Fragment mit einem Reiter und einem Landsknecht, im
Berliner Kaiser-Friedrich-Museum1) aufbewahrt. Sentiment,
Komposition, Verhältnis von Figuren und Landschaft, Typen
und Faltengebung, alles stimmt mit den erwähnten frühen
Zeichnungen und dem Pyramusbild vollkommen überein,
außerdem läßt sich die Handschrift Baldungs leicht in der
Malweise der Tafeln erkennen. Das Pariser Gemälde weist
vor allem zwei typische Eigenschaften des Künstlers auf: ein
Durchzeichnen der Pflanzen im Vordergrund, das jedes Gras
mit einem einzigen hellen Pinselstrich auszieht, und das Auf-
setzen weißer Lichter zur Höhung der Baumstämme. Der
braun in braun gemalte Tod findet in dem um oder vor 1510
anzusetzenden Gemälde der drei Lebensalter des Weibes mit
dem Tode in der Wiener Galerie, das Pferd in dem früheren
der beiden Holzschnitte der Bekehrung Pauli, das Hügelge-
ländedes Hintergrundes schließlich im Nürnberger Sebastians-
altar von 1507 seine Parallele. Das Berliner Bild ist inspiriert
vonDürers allbekanntem frühen Holzschnitt Ritter undLands-
knecht. Aber nur die Grundanordnung der Komposition
und die Figur des Landsknechts wurde übernommen, Pferd
und Reiter sind frei, die Landschaft ist ganz selbständig ge-
staltet. Wieder erkennen wir sowohl in den Pflanzen und
Gräsern des Vorder- als auch in den Bäumen des Hintergrun-
des leicht die Hand Baldungs. Der nackte Fuß der abgeschnit-
tenen Figur rechts — anscheinend war es ein Tod als Sensen-
mann, vor dem Ritter und Landsknecht fliehen — ist im Wiener
Vanitasbild oder im Farbenholzschnitt des Hexensabbath ganz
ähnlich zu sehen. Ebenso findet sich die etwas ungeschickte
Haltung der Finger bei geschlossener Faust sowohl bei der
Pariser Zeichnung von 1503 mit Aristoteles und Phyllis als
auch auf den Holzschnitten des geschlossenen Gartens
von 1505 2).
Sind die eben besprochenen Gemälde Arbeiten Baldungs, so
muß eine Vermutung Flechsigs 3), daß zwei sicher von der-
selben Hand herrührende Federzeichnungen, ein Liebespaar
im Freien des Braunschweiger (Abb S. 401) und zwei reitende
Liebespaare des Berliner Kabinetts (Abb. S. 401), Frühwerke
unseres Künstlers seien, neu untersucht werden. Sie sind
zweifelsohne viel gotischer in der Empfindung und in der
Durchbildung der Figur als Baldungs Zeichnungen von 1503
bis 1505. Außerdem entbehren sie noch der Kreuzschraffen.
Betrachtet man aber die Pflanzenbüschel des Vordergrundes,
so sind sie schon ganz so gezeichnet wie auf der Baseler Ma-
donna von 1504. Auch die Terrainsstrichlagen sind hier und
dort identisch. Das springende Pferd aber findet sich ganz
ähnlich im Hintergrund der Berliner Anbetung der Könige
von 1507 (Abb. S. 402). Es kann ferner kein Zweifel aufkom-
men, daß das Braunschweiger und die Berliner Liebespaare
ganz den Geist der besprochenen Vanitasbilder in Paris und
Berlin und des Pyramus-Bildchens aufweisen. Da an der Ori-
ginalität der Zeichnungen nicht gezweifelt werden kann, liegt
1) Bestandteil der zweiten Sammlung James Simon.
2) Abbildungen bei Hagen, Hans Baldungs Rosenkranz usw., München 1928.
3) Vgl. Bock, Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett zu Berlin,
die deutschen Meister, Inv. Nr. 1081.

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