EINE PR I ESTERFI G U R AUS DER B U B A S T I D E N - Z E I T
VON F. W. VON BISSING
Die in Abbildung S. 591 wiedergegebene 0,295 m
hohe Bronzefigur gehört zu den wertvollsten Stücken
der jetzt im Museum an der Carnegielaan im Haag
ausgestellten ägyptischen Sammlung. Sie wurde um
1910 in Kairo im Kunsthandel erworben, ohne daß
über ihre Herkunft etwas festzustellen war. Sie ist
bis auf geringe Ausbesserungen am Schädel wohl-
erhalten. Auf der jetzt fehlenden Basis, wahrschein-
lich aus Holz, war die Figur mittels zweier 0,025 m
langer, 0,004 m dicker, 0,012 m breiter rechteckiger
Zapfen eingelassen, ein stärkerer, etwa 0,023 X 0,01 m
messender Zapfen war zwischen den Beinen, dicht
an der rechten Ecke des Schurzes angebracht, der
heute weggebrochen ist.
Vor uns steht, das linke Bein vorgesetzt, ein unbär-
tiger Mann mit kahlem Schädel, die Arme nach
vorn abwärts gestreckt, ohne daß jedoch die Hände
das hier auf dem Gewände erscheinende, stark pla-
stisch vortretende Osirisbildchen berührten1). Der
Mann scheint ein doppeltes Gewand zu tragen: ein
glattes Hemd mit kurzen Ärmeln, das die Körper-
formen, selbst den Nabel, durchscheinen läßt, und
einen an den Hüften gebundenen, fein gefältelten
Schurz, der schalartig um den Unterkörper gelegt
ist, nach vorn aber eine dreieckige Bahn bildet. Daß
es sich um den sog. Doppelschurz handelt, der aus
einem langen Unterteil und einem kurzen Oberteil
besteht, zeigt die fein gravierte untere Begrenzung,
die seitlich etwa in Kinnhöhe der beiden Relief-
figuren, vorn aber in Gestalt einer Bogenlinie un-
gefähr in der Höhe des Einsetzens der Inschriften
kenntlich ist2). An den Füßen sitzen Sandalen,
deren Band zwischen der großen und ersten Zehe
durchgeht und an einem über den Fußrücken laufen-
den Bügel befestigt ist. Vorn gehen die Sandalen,
die man sich aus Leder oder Stroh denken kann,
spitzig zu, hinten sind sie abgerundet. Um den
Hals hängt an silberner Schnur das gleichfalls in
Silber eingelegte Bildchen eines falkenköpfigen Got-
1) Daß ein Bild gemeint ist, zeigt die Basis, ganz wie bei den Seitenfiguren.
Osiris ist an seiner Federkrone, der ,,Mumienform“, dem Götterbart, der Geißel
und dem Krummstab, die er in den Händen hält, kenntlich.
2) Vgl. zur Tracht Bonnet, Die ägyptische Tracht bis zum Ende des Neuen
Reichs, S. 54 f. Zum Vergleich lehrreich ist die Statuette Bissing-Bruckmann,
Denkmäler, Taf. 50b, wo freilich noch unter dem „Hemd“ ein Kleidungsstück
am Hals vorkommt. Im Text zur Tafel habe ich das Verhältnis der verschie-
denen Gewandstücke kaum richtig aufgefaßt.
tes mit der vollen und der viertel Mondscheibe auf
dem Haupt: nach der Inschrift unter dem Osiris-
bild „Gottesvater des Chons Chonsmeh“, die uns
zugleich den Namen des Dargestellten nennt, sicher
der thebanische Mondgott Chons. Auf dem Rücken
und den Schultern sind in ganz feiner Gravierung,
die vielleicht mit Gold gefüllt war, Amonrasonther,
der thebanische Götterkönig, mit Federkrone, Uas-
zepter und Schurz mit Schwanz (rechte Schulter),
Amonopt (so)1), ithyphallisch, mit Federkrone und
Geißel, den Altar mit Papyros und zwei „Salat“-
pflanzen hinter sich, also wie Min von Koptos ab-
gebildet wird (linke Schulter), endlich im beson-
deren, vom Himmelzeichen überragten Feld eine
Götterdreiheit dargestellt: Osiris von Busiris mit
Geißel und Krummstab, von dem eine Binde herab-
hängt, hinter ihm ohne Inschrift Horos mit der
Doppelkrone, dem Schurz mit Ochsenschwanz und
hinter diesem wieder Isis mit der Inschrift „Rede
der Isis“. Sie trägt das lange Gewand, auf dem Kopf
die Kuhhörner mit der Sonnenscheibe, in der linken,
abwärts vorgestreckten Hand das Papyroszepter.
So wenig wie die Inschriften der Vorderseite, deren
rechte ein Gebet an Osiris, den Herrn von Busiris,
den großen Gott, den Herrn des Himmels, enthält,
darf man sich diese Götterbildchen etwa als in den
Gewandstoff eingewebt denken, obwohl es solche
Stoffe gegeben hat. Sie sind hier nur als religiöse
Symbole angebracht, genau wie das plastische Osiris-
figürchen, das der Priester mit den Händen mehr
zu schützen als zu halten scheint, und wie die beiden
in starkem Relief vortretenden seitlichen Priester-
figuren zwischen den Beinen des Chonsmeh. Die
Figur auf der rechten Seite, die ziemlich weit nach
hinten geschoben ist, stellt einen Gottesvater des
Anubis Pschereese vor, in der gleichen Tracht wie
die Hauptfigur, aber ohne Sandalen. Erhält in jeder
Hand eine Räucherkugel. Er, wie sein etwas mehr
nach vorn gerücktes Gegenüber, der denselben Na-
men führt, also wohl auch die gleiche Person darstellt,
stehen auf besonderer Basis, wodurch ihre Eigen-
existenz als Statuetten gewissermaßen unterstrichen
wird. Er unterscheidet sich durch die Armhaltung:
Also wahrscheinlich der Amon von Luxor.
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VON F. W. VON BISSING
Die in Abbildung S. 591 wiedergegebene 0,295 m
hohe Bronzefigur gehört zu den wertvollsten Stücken
der jetzt im Museum an der Carnegielaan im Haag
ausgestellten ägyptischen Sammlung. Sie wurde um
1910 in Kairo im Kunsthandel erworben, ohne daß
über ihre Herkunft etwas festzustellen war. Sie ist
bis auf geringe Ausbesserungen am Schädel wohl-
erhalten. Auf der jetzt fehlenden Basis, wahrschein-
lich aus Holz, war die Figur mittels zweier 0,025 m
langer, 0,004 m dicker, 0,012 m breiter rechteckiger
Zapfen eingelassen, ein stärkerer, etwa 0,023 X 0,01 m
messender Zapfen war zwischen den Beinen, dicht
an der rechten Ecke des Schurzes angebracht, der
heute weggebrochen ist.
Vor uns steht, das linke Bein vorgesetzt, ein unbär-
tiger Mann mit kahlem Schädel, die Arme nach
vorn abwärts gestreckt, ohne daß jedoch die Hände
das hier auf dem Gewände erscheinende, stark pla-
stisch vortretende Osirisbildchen berührten1). Der
Mann scheint ein doppeltes Gewand zu tragen: ein
glattes Hemd mit kurzen Ärmeln, das die Körper-
formen, selbst den Nabel, durchscheinen läßt, und
einen an den Hüften gebundenen, fein gefältelten
Schurz, der schalartig um den Unterkörper gelegt
ist, nach vorn aber eine dreieckige Bahn bildet. Daß
es sich um den sog. Doppelschurz handelt, der aus
einem langen Unterteil und einem kurzen Oberteil
besteht, zeigt die fein gravierte untere Begrenzung,
die seitlich etwa in Kinnhöhe der beiden Relief-
figuren, vorn aber in Gestalt einer Bogenlinie un-
gefähr in der Höhe des Einsetzens der Inschriften
kenntlich ist2). An den Füßen sitzen Sandalen,
deren Band zwischen der großen und ersten Zehe
durchgeht und an einem über den Fußrücken laufen-
den Bügel befestigt ist. Vorn gehen die Sandalen,
die man sich aus Leder oder Stroh denken kann,
spitzig zu, hinten sind sie abgerundet. Um den
Hals hängt an silberner Schnur das gleichfalls in
Silber eingelegte Bildchen eines falkenköpfigen Got-
1) Daß ein Bild gemeint ist, zeigt die Basis, ganz wie bei den Seitenfiguren.
Osiris ist an seiner Federkrone, der ,,Mumienform“, dem Götterbart, der Geißel
und dem Krummstab, die er in den Händen hält, kenntlich.
2) Vgl. zur Tracht Bonnet, Die ägyptische Tracht bis zum Ende des Neuen
Reichs, S. 54 f. Zum Vergleich lehrreich ist die Statuette Bissing-Bruckmann,
Denkmäler, Taf. 50b, wo freilich noch unter dem „Hemd“ ein Kleidungsstück
am Hals vorkommt. Im Text zur Tafel habe ich das Verhältnis der verschie-
denen Gewandstücke kaum richtig aufgefaßt.
tes mit der vollen und der viertel Mondscheibe auf
dem Haupt: nach der Inschrift unter dem Osiris-
bild „Gottesvater des Chons Chonsmeh“, die uns
zugleich den Namen des Dargestellten nennt, sicher
der thebanische Mondgott Chons. Auf dem Rücken
und den Schultern sind in ganz feiner Gravierung,
die vielleicht mit Gold gefüllt war, Amonrasonther,
der thebanische Götterkönig, mit Federkrone, Uas-
zepter und Schurz mit Schwanz (rechte Schulter),
Amonopt (so)1), ithyphallisch, mit Federkrone und
Geißel, den Altar mit Papyros und zwei „Salat“-
pflanzen hinter sich, also wie Min von Koptos ab-
gebildet wird (linke Schulter), endlich im beson-
deren, vom Himmelzeichen überragten Feld eine
Götterdreiheit dargestellt: Osiris von Busiris mit
Geißel und Krummstab, von dem eine Binde herab-
hängt, hinter ihm ohne Inschrift Horos mit der
Doppelkrone, dem Schurz mit Ochsenschwanz und
hinter diesem wieder Isis mit der Inschrift „Rede
der Isis“. Sie trägt das lange Gewand, auf dem Kopf
die Kuhhörner mit der Sonnenscheibe, in der linken,
abwärts vorgestreckten Hand das Papyroszepter.
So wenig wie die Inschriften der Vorderseite, deren
rechte ein Gebet an Osiris, den Herrn von Busiris,
den großen Gott, den Herrn des Himmels, enthält,
darf man sich diese Götterbildchen etwa als in den
Gewandstoff eingewebt denken, obwohl es solche
Stoffe gegeben hat. Sie sind hier nur als religiöse
Symbole angebracht, genau wie das plastische Osiris-
figürchen, das der Priester mit den Händen mehr
zu schützen als zu halten scheint, und wie die beiden
in starkem Relief vortretenden seitlichen Priester-
figuren zwischen den Beinen des Chonsmeh. Die
Figur auf der rechten Seite, die ziemlich weit nach
hinten geschoben ist, stellt einen Gottesvater des
Anubis Pschereese vor, in der gleichen Tracht wie
die Hauptfigur, aber ohne Sandalen. Erhält in jeder
Hand eine Räucherkugel. Er, wie sein etwas mehr
nach vorn gerücktes Gegenüber, der denselben Na-
men führt, also wohl auch die gleiche Person darstellt,
stehen auf besonderer Basis, wodurch ihre Eigen-
existenz als Statuetten gewissermaßen unterstrichen
wird. Er unterscheidet sich durch die Armhaltung:
Also wahrscheinlich der Amon von Luxor.
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