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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Winkler, Friedrich: Ein neues Bild des Bauernbruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0155

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fast graziös spielt er seinenPart, während der schwere
und holprige Part, den der andere anscheinend zu
bezwingen hat, in dessen Haltung ebenso eindrucks-
voll angezeigt wird.
Dem Künstler unter den Musikanten bringt der
Künstler Bruegel selbst ein Glas Wein. So über-
raschend es klingen mag, Bruegel selbst hat sich in
dem Zwerg an dem Baume dargestellt. Sein scharf
ins Profil gestelltes Gesicht erlaubt einen Vergleich
mit dem Profilbildnis Bruegels, das in einem Stich
überliefert ist. Beide Male findet sich die mächtige
Nase mit den breiten Nüstern, der buschige Schnurr-
bart über der Oberlippe, vor allem aber — und das
ist entscheidend — der eigentümliche Wulst ober-
halb der Nasenwurzel. Der Zusammenhang ist der-
art, daß nicht angenommen werden kann, eins sei
nach dem andern gemacht, und er ist anderseits so
eng, daß eine bloße zufällige Ähnlichkeit keine aus-
reichende Erklärung ist.
Das Bild ist auf Leinwand gemalt, die schon in früher
Zeit auf ein dickes Brett aufgezogen worden ist. Ur-
sprünglich war sie größer, wie die Prüfung der Rän-
der unten und oben schnell ergibt. Unklar bleibt,
wieviel größer sie war. Auch die Breite von 2,12 m
ist für Bruegelsche Bildmaße außergewöhnlich, so
daß man, wenn man die Tafel analog den andern
Werken ergänzt, zu einem riesigen Bilde kommt.
Man hätte sich dann unten eine schmale Leiste, über
den Figuren etwa einen Ausblick in den Mittelgrund
vorzustellen. InderTatzeigenderStich desLukasvan
Leyden und die „Weltfreuden“ Dürers (Zeichnung,
Oxford) hinter den Hauptfiguren zahlreiche Figür-
chen im Mittelgründe, die sich der Jagd, dem Tur-
nier und anderen Weltfreuden hingeben. Wenn auch
der Stich des Lukas van Leyden Bruegel nicht un-
bekannt gewesen sein dürfte — ich möchte sogar an-
nehmen, daß Bruegel seine Komposition in Anleh-
nung an denselben schuf —, so zeigt doch wohl das
vereinzelte Vorkommen der Darstellungen, daß von
der Ausbildung einer Tradition in der Gestaltung
dieses Themas schwerlich gesprochen werden darf,
so daß die gemutmaßte Ergänzung nach oben nicht
sicher ist.
Die Leinwand ist einmal horizontal und zweimal ver-
tikal durchschnitten worden. Die vertikalen Schnitte
führen rechts am Baum bezw. rechts von dem Kava-

lier der Heiligen entlang. Der horizontale Schnitt
halbiert das Bild. Ihm ist das Gesicht des Narren
zum Opfer gefallen, der vor der Heiligen läuft, der
einzige edle Teil, der durch die barbarische Proze-
dur verletzt wurde. Merkwürdigerweise findet sich
die Zerlegung in sechs Teile auch bei Cornelis van
Dalems Landschaft mit der Felsenbrücke im Kaiser-
Friedrich-Museum. Unzweifelhaft war hier das Mo-
tiv, das zu dem Eingriff führte, die Gewinnung von
sechs kleinen, leichtverkäuflichen Landschäftchen,
während bei dem Bruegel vermutlich räuberische
Absichten eine Rolle gespielt haben. Das Bild war
zu groß, um als Ganzes transportiert zu werden.
Man zerschnitt es und setzte später die Stücke zu-
sammen. Daß der Erhaltungszustand die Veran-
lassung zu dem Eingriff gegeben hätte, ist schon
deshalb recht unwahrscheinlich, weil das Bild bis
auf den stellenweise abgeriebenen, vermutlich dünn
aufgetragenen Wiesengrund gut erhalten ist. Sämt-
liche Figuren und das rechte Bilddrittel weisen ge-
ringe Schäden auf. Herr Lucki hat dieselben mit
Umsicht und Geschick ausgebessert, wie ihm auch
die glückliche Reinigung des Bildes und die Fest-
stellung des Selbstbildnisses des Malers zu dan-
ken ist.
Farbengebung, Malweise, Zeichnung lassen keinen
Zweifel, daß das Bild nicht zu den frühen Werken
vor und nach 1560 gehört. Ich möchte glauben,
daß es in die Nähe der Kreuztragung (Wien), des
Triumphes des Todes (Madrid) und der Bekehrung
Sauli (Wien), also in die Jahre um 1565 gestellt
werden muß. Die meisterlich breite Behandlung des
Baumschlages weist auf verhältnismäßig späte Ent-
stehung hin, so daß ich die Bestimmung auf „um
1567“ für die am ehesten zutreffende halte.
So merkwürdig das Bild sich im Werke Bruegels
ausnimmt, so fest ist es in der Entwicklung der
Malerei begründet. In diesem Bilde ist eine der
Wurzeln der „fetes champetres“ des Frankovlamen
Watteau verborgen. Der Weg führt, wie so oft bei
Watteau über Rubens, dessen späte Darstellungen
des Liebensgartens an Bilder wie das der Welt-
freuden des Bauernbruegel anknüpfen, wie Rubens
auch in seinen Bauerntänzen Anregungen der ent-
sprechenden Bilder des älteren Meisters in seiner
Spätzeit aufgenommen hat.

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