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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Holzhausen, Walter: Deutsche Goldemailarbeiten um 1600 im Palazzo Pitti in Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0178

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DEUTSCHE GOLDEMAILARBEITEN IM PALAZZO PITTI IN FLORENZ

von Hohenems mit den Medici nach und erklärt
daraus die Möglichkeit, daß die Gefäße durch den
Erzbischof von Hohenems in den Besitz Cosimos II.
gekommen seien. Da sich aber sowohl frühere als
auch spätere Silberarbeiten aus Salzburg im Museo
degli Argenti des Palazzo Pitti befinden, besteht
eher die Wahrscheinlichkeit, daß die Salzburger
Gefäße im 19. Jahrhundert, nach der Säkularisation
1802 mit dem Erzbistum Salzburg an Ferdinand,
Erzherzog von Österreich und Großherzog der Tos-
kana und damit nach Florenz gekommen sind.
Seitdem die Gefäße in der Literatur erscheinen,
werden sie zusammen genannt. Sie sind auch zu-
sammen aufgestellt. Unstreitig ist ihre Technik, ihre
Farbigkeit des opaken und transluziden Emails auf
Gold, sind ganze Komplexe des Ornamentgespin-
stes und sehr bestimmende Eigentümlichkeiten dar-
in untereinander so ähnlich, daß man bei den fünf
Arbeiten von der Hand desselben Meisters sprechen
muß1)- Anders liegt es bezüglich der Form: die
Flasche, eine traditionelle „Pilgerflasche“, paßt weder
nach Größe noch Charakter zu den vier modischen
Schalen.
Drei Schalen (Abb.S.486und487) sind demWappen
und der Amtszeit des Erzbischofs von Raitenau ent-
sprechend bis 1612 angefertigt; die vierte ist in der
Zeitspanne der Regierung des Erzbischofs von
Hohenems zwischen 1612 und 1619 entstanden (Abb.
S. 488 unten). Ihre enge stilistische Verwandtschaft
läßt die Vermutung zu, daß beim Amtsrücktritt des
Erzbischofs von Raitenau die drei Schalen bereits,
vielleicht nicht allzulange, für ihn vollendet waren,
und daß die vierte auf Befehl des neuen Erzbischofs
mit dessen Wappen versehen wurde. Diese Er-
wägungen rücken die Schalen auch zeitlich von der
Flasche ab.
Für die Silhouette der Schalen ist besonders die
energische Bildung der Henkel charakteristisch. Ihr
Schweifwerk schießt geradezu in kleinen Spänen
vom Henkelbogen. Eine ähnliche Energie belebt
auch die Formen des emaillierten Flächenornamentes
der vierten Schale, deren Henkel in Anspielung auf
das Wappen des Erzbischofs von Hohenems im
Kopf eines Steinbocks endigen.
1) Eine Beurteilung farbiger Emails auf Metallgrund ist nach Reproduktionen
heute noch sehr schwierig. Die unter Umständen starke Verschiedenheit
graphischer Vorlagen, nach denen die Meister arbeiteten, wird durch die
Schwarz-Weiß-Wiedergabe noch übermäßig gesteigert. Diese Tatsache kann
zu dem falschen Schluß führen, daß verschiedene Meisterhände die Gegen-
stände hergestellt haben. Man muß sich bei literarischen Berichten deshalb
in hohem Maße auf die Autopsie des Referenten verlassen, der die allein
entscheidende technische und farbige Übereinstimmung zwar feststellen, aber
nicht mitteilen kann. Im vorliegenden Falle darf mitgeteilt werden, daß eine
Reihe kunstwissenschaftlich geschärfter Augen meine Beobachtungen be-
stätigt haben.

Ein an deres Vorbild liegt der Ornamentierung dieser
Schale, vom Henkel abgesehen, zugrunde. Es ent-
spricht, allgemein genommen, der Richtung einer
immer akzentuierteren Bewegung, in der die Weiter-
entwicklung der Schmuckformen im ersten Drittel
des 17. Jahrhunderts verläuft.
Der weitere Gang dieser Entwicklung als Weiter-
bildung und zeitliche Fortsetzung findet seinen Aus-
druck in der Goldemailschale der Münchner Schatz-
kammer (Abb. S. 488 oben), die bereits Labarte in
seinem herrlichenTafelwerk 1863 (I. PI. 75) abbildet
und für nürnbergisch oder augsburgisch erklärt.
Völlige Übereinstimmung in maßgebenden Teilen
der Henkelbildung, besonders deren plastischer Ge-
staltung, der Verwendung derselben Farben und der
merkwürdigen Art, ornamentaleVierecke in Gold im
opaken weißen Email stehen zu lassen, weisen auch
diese Arbeit dem Meister der vier Schalen im Palazzo
Pitti zu. Sie trägt innen das Wappen des Fürsten
Janusz Radziwill.
Man würde beim Vergleich der signierten Flasche
und der Münchner Schale nicht ohne weiteres auf
dieselbe Meisterhand schließen, am wenigsten nach
Reproduktionen. Das bindende Zwischenglied bil-
den die vier Pittischalen. Zwischen Flasche und
Münchner Schale wird eine Zeitspanne von mehr
als 15 Jahren liegen. Janusz, Glied einer der ältesten
litauisch-polnischen Familien, Kastellan von Wilna,
starb 1621x).
Für die Ornamentik der Schalen sind die auf den
Schalenfüßen lose in Streifen gezeichneten Szenen
aus Jagd und Fischfang in der lustig apostrophierten
Natur typisch. Sie kommen in ähnlicher Weise an
Goldfassungen im Wiener Kunsthistorischen Mu-
seum vor2), ohne daß sich daran zunächst mehr als
Vermutungen über den Ort ihrer Entstehung knüpf-
ten. Aus der Zeit der Münchner Schale stammen
auch zwei Jaspisschälchen in Goldfassungen im
Palazzo Pitti. Technik und Ornament, viel flüchtiger
als bei den anderen Arbeiten, erweisen sich der Art
des Hanns Karl ähnlich.
Unter den zahlreichen kostbaren kleineren Halb-
edelsteingefäßen des Palazzo Pitti finden sich zwei
helle Onyxschalen in Goldemailfassung, die sich mit

1) Als Janusz Radziwill sich seines evangelischen Glaubens wegen vom polnischen
König Sigismund III. von allen höheren Staatsämtern ausgeschlossen sah und
mit Heeresmacht offen gegen den König auftrat, wurde er bei Guzowo geschlagen.
Seine zweite Gemahlin war Sophia, Tochter des Kurfürsten Johann Georg von
Brandenburg,
2) Diese Jagdszenen in schmalen Querstreifen waren damals allgemein beliebt;
sie zierten auch ein von ,,Ebenholz gearbeitetes und mit geschmelztem Silber
geziertes Schreibtischlein“, das der Nürnberger Rat der Kaiserin Anna, Gemahlin
Mathias, 1612 widmete. Abb. etc. i.Mittigen, d.Regesten i.Wiener Jahrb. d. Kunsth.
Sammlg. d. All. K. Bd. X. (1889.)

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