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Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

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Dezember 1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0342

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KUNSTAUKTIONEN

BERLIN, 11./12. Dezember: Paul Graupe, Bibliothek Gott-
fried Galston (Moderne Literatur, Pressendrucke, Kunst-
literatur, Bibliographie, Musik, Naturwissenschaft usw.)
— 11./12. Dezember: Paul Cassirer-Helbing, Sammlung Gans,
Antiker Schmuck.
— 11./12. Dezember: Paul Cassirer-Helbing, Mobiliar Schloß
Crossen, 18. Jahrhundert, Barock und Rokoko.
FRANKFURT a. M„ 11. Dez.: PrestebBaer &. Co., Slg. Stiebel.

LONDON, 7. Dezember: Christies, Gemälde, besonders der
venezianischen und englischen Schulen.
— 17. Dezember: Sotheby, Bücher und Manuskripte.
PARIS, 7./8. Dezember: Hotel Drouot, Graphik aus der Hin-
terlassenschaft Pissarros.
— 8. Dezember: Hotel Drouot, Moderne Gemälde.
— 10. Dezember: G. Petit, Sammlung F. de Riebes Christofle.

MALEREI UND PLASTIK NORDWEST-
BRÜX UND KO MOT AU1).

AUSSTELLUNG GOTISCHER
BÖHMENS IN
Es war die erste Ausstellung dieser Art in Böhmen. Sie um-
faßte den gesamten öffentlichen Bestand an gotischer Malerei
und Plastik Nordwestböhmens von 1330—1530. Sie hat ge-
zeigt, daß wir es hier seit der Mitte des 15. Jahrhunderts mit
deutscher Kunst zu tun haben, die sich von der nur an weni-
gen Stellen hier feststellbaren innerböhmischen, mit mehr
oder weniger slavischen Momenten, deutlich unterscheidet.
Das ganze Gebiet zerfällt in zwei große Einflußsphären, deren
Grenze ungefähr zwischen den Bezirken Komotau und Brüx
verläuft. Der südwestliche Teil erscheint vor allem fränkisch
beeinflußt, der nordöstliche sächsisch. Die Grenze gegen die
innerböhmische Kunst verläuft ungefähr so wie die heutige
Sprachgrenze. Anders steht es mit der Kunst vor den Hussiten-
kriegen. Die Werke des „schönlinigen“ Stiles stehen im Zu-
sammenhang mit schon bekannten böhmischen Schulen (die
erstklassige Leitmeritzer Pieta und die Retschitzer Maria), aber
auch — wie Dr. Wiese bemerkt hat — mit schlesischen, vor
allem mit der Gruppe der „Löwen-Madonnen“ (Maria aus
Sarras, Hochpetsch). Das älteste Bildwerk (um 1340) die Sand-
steinmadonna über dem Portal des Konventes zu Ossegg, ähnelt
schwäbischen Arbeiten. Das einzige Bild aus dem 14. Jahr-
hundert, die „Schwarze Mutter Gotter“ bei den Kapuzinern
zu Brüx bedeutet eine wichtige Ergänzung der nicht allzu lan-
gen Reihe bekannter böhmischer Madonnenbilder der ersten
böhmischen Schule und muß ganz an deren Anfang gestellt
werden.
Von Qualität und äußerst mannigfaltig waren auch die Bei-
spiele für den Übergang zum Knitterstil. Die besten Arbeiten
aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter fränkischem
Einfluß waren vor allem der gemalte und geschnitzte Not-
helferaltar (um 1480) aus dem Kaadener Franziskanerkloster,
der besonders in den großen Flügelbildern Nürnberger Ein-
fluß verrät und eine Maria aus Duppau, deren Kopf sehr stark
an Adam Krafts Marien gemahnt. Ein gemalter Nothelfer-
flügel aus Wistritz — eine für Böhmen seltene Arbeit (Mitte
15. Jahrhundert) dürfte süddeutsch, das zarte, stark stilisierte
Hauptbild eines Flügelaltars aus Janegg: „Maria mit dem Ein-
horn“ soll in Freiberg i. S. Verwandte haben. Am reichsten
war das beginnende 16. Jahrhundert vertreten. Die einzelnen
Künstlerpersönlichkeiten heben sich so stark gegeneinander

Die Ausstellung hat gedauert vom 1. September bis 7. Oktober 1. J.

ab, so daß sie scharf umrissen werden konnten. Allen voran
schreitet der Bildhauer Ulrich Creutz, ein ausdrucksstarker,
beinahe schon barock zu nennender Künstler, der wahrschein-
lich aus der Schule des Nikolaus van Leyden hervorgegangen
ist und direkte Einflüsse des Veits Stoß verarbeitet hat. Sein
Oeuvre war fast vollständig vertreten. Man sah ihn in Gegen-
satz gestellt zu den kränkelnden Gestalten des Teinitzer Mei-
sters (dieser unter Einfluß des Grueber) und dem vornehmen
zurückhaltenden Meister des Komotauer Laurentius, und den
schnörkelnden Görkauer Meister. In Brüx entsprach dem
Creutz der anonyme Naturalist des Schlußsteines mit St. Anna
in der dortigen Stadtkirche. Doch ist er in seinen Problemen
bedeutend weniger kompliziert. Abhängigkeit vom Meister
der Freiberger Domapostel, Einflüsse von Stoß und Riemen-
schneider lassen sich feststellen. Im Gegensatz zu ihm standen
ebenda die herben, dürren Gestalten des Meisters der Maria-
Ratschitzer Gnadenfigur und der abgeklärte renaissancehafte
Meister der Aussiger Pieta. Außer diesen mehr oder weniger
einheimischen Meistern brachte die Ausstellung auch eine
Reihe bekannter sächsischer Namen, wie Breuer, Grüber,
Walter u. a. m.
Unter den Malern des 16. Jahrhunderts war dem Cranach-
schüler „J. W.“, der zu den fruchtbarsten Meistern seinerzeit
in Böhmen gezählt haben mochte, die erste Stelle eingeräumt.
Alle seine bisher ermittelten Werke waren zu sehen. Weit
interessanter aber war das Werk des Meisters der Leitmeritzer
Passionsflügel, eines Künstlers von ganz seltenen Farbwerten,
der sichtlich noch der Generation vor 1500 angehört hat.
Seine Farben muten schwäbisch an, seine Typen erinnern an
Zeitblom und B. StriegL Im Gehaben seiner Gestalten ist
etwas von Mantegna. Sein größter Konkurrent auf der Aus-
stellung war der Meister des Laurentiusflügels in Ossegg, für
den Zusammenhänge schwer aufzudecken sind. Die Brillanz
seiner Farben, die Kraft seiner Zeichnung und das Tempera-
ment der Bewegung seiner Figuren zeugen für einen Meister
von weit mehr als Durchschnittsqualität. Wie unter den Bild-
hauern auch Sachsen vertreten waren, so auch unter den Ma-
lern. Hier sei nur auf die Enthauptung der hl. Katharina vom
Meister des Dippoldiswalder Altars hingewiesen, die zu den
besten Arbeiten dieses Künstlers zählt. Dr. J. Opitz, Prag
Literatur: Opitz, J. Gotische Malerei und Plastik Nordwestböhmens (Aus-
stellungskatalog)«

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