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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 7.1914

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Nr. 2 (März u. April)
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Reinecke, Paul: Kempten: Ausgrabungen auf dem Lindenberge 1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.25477#0045

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29

19x33 m) überbaut1). Für die Anlage eines Portikus blieb auf der Straßen-
front, welche ein etwa 2 m breiter, nicht beschotterter Bürgersteig begleitet,
kein Platz übrig. Der Bau zeigte das übliche Schema der großen Häuser
an Hauptstraßen: an der Straßenseite zwei offene Läden (mit Sandsteinbasen
für die Mittelstützen), und zwischen ihnen ein Durchgang zum rückwärtigen
Teil des Hauses, den hier ein öffentliches Bad einnahm; dahinter dann Hof-
räume. Man gelangt von dem Korridor zunächst in einen unregelmäßig
gegliederten großen Vorraum mit einem Impluvium aus Sandsteinplatten,
dahinter liegen die drei mit Ziegelparkettfußboden ausgestatteten Baderäume,
und zwar Frigidarium und Tepidarium nebeneinander, das Caldarium dahinter,
während die Räume für Bedienung und Beheizung an der Nordseite sich
anschlossen. Neben der recht kleinen kalten Wanne befindet sich im Ziegel-
parkettboden ein Wasserablauf; in der Mitte des Raumes steht eine gemauerte
Basis für eine Statue. Das Tepidarium wurde nur indirekt erwärmt. Das
Caldarium hat auf der Sonnenseite eine eingebaute (nicht ausspringende) flache
Apsis mit nicht suspendiertem Fußboden. Hinter dem Steinbau folgten auf
diesem Hausareal, von einem Holzzaun o. dgl. umgeben, noch ein gedeckter
Schuppen und ein Hof.

Bauweise und Heizeinrichtung dieser Therme bekunden erhebliche Ab-
weichungen vom üblichen Schema solcher Anlagen. Die im Heizkellerniveau
auffallend breiten Teilmauern zwischen den eigentlichen Baderäumen zeigen
in den Verblendmäuerchen des starken Gußkernes Ziegeldurchschuss.
Tubulierung fehlte gänzlich (auch im Schutt nicht ein einziges Fragment
einer Tube). Im Caldarium ersetzten eine Tubulierung mehrere Zugkanäle
von mäßiger Weite mit senkrechtem, von Hohlziegeln gebildetem Schacht in
der Mauer (2 beiderseits der Apsis, 4 in der Nordmauer). Eine weitere
Besonderheit ist die Verwendung von Lehmfachwerkwänden (an deren Resten
noch farbig bemalter Verputz haftete) auf Steinsockeln für einen Teil der
Innenmauern (allerdings wohl nicht bei den eigentlichen Baderäumen). Bei
den Steinmauern im vorderen Teil des Hauses wurde regelmäßig unter dem
Verputz noch steinsichtiger Verputz mit nachgerissenen Fugen beobachtet.

Das Thermenhaus verweisen die Funde in verhältnismäßig frühe Zeit.
Unter dem Fußboden der nicht unterkellerten Räume liegen auf den oben
gekennzeichneten Niederschlägen der frühen Holzhäuser teilweise noch Über-
höhungen aus schuttführendem Erdreich mit vereinzelten frühen Einschlüssen.
Im Mörtel des Ziegelparkettboden neben der Frigidariumwanne fanden sich
ein republikanischer Denar und ein halbiertes Großerz. Der an den Wasser-
ablauf neben dieser Wanne anschließende Kanal enthielt reichlich südgallische
Sigillatatassen Dr. 24-25 und 27. An der Rückseite des nördlichen der
beiden Läden ergab eine Brandschicht auf dem Fußboden teils in der Hitze
zersprungene, teils geschmolzene Gefäße aus Ton und Glas in größerer
Zahl, darunter gerippte grüne Glasschalen, Sigillatatassen Dr. 27, Teller
Dr. 18 und eine gestempelte Bilderschüssel Dr. 29 des Aquitanus2). Ent-
sprechende Materialien fanden sich auch sonst noch auf den Fußböden des
Hauses bezw. in der Schutteinfüllung, außerdem übrigens noch zwei wenig
abgenützte Münzen des Vespasian, die eine vom J. 70, die andere nach Ritter-
lings gütiger Bestimmung mit größter Wahrscheinlichkeit vom J. 77. Damit ist
Zeit der Erbauung und Benützung dieses Thermenhauses zur Genüge umschrieben.

') So wenig wie im Vorjahre entsprachen auch diesmal die Mauern, mit Ausnahme
der spätesten, den früher für die einzelnen Bauperioden angegebenen Kennzeichen.

2) Mit kleinen Medaillons, Feldern mit Mohnkoptblüten, Vögeln usw. und einem
Blattkranz, der die untere der beiden Zonen des unteren Ornamentstreifens bildet;
Elemente wie Knorr, Sig. Aislingen VIII 4, IX 6, XVIII 3; Ritterling, Hofheim (Ann.
XL), Taf. XXTTT r.
 
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