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Zur Trierer Cervesarius-Inschrift.
47. Da H. Finkes Lesung der Trierer cervesarius-Inschrift (Röm.-germ. Korr.-
Bl. VI S. 74) mit einer Abschrift, die ich früher genommen hatte, nicht überein-
stimmt, prüfte ich deren Richtigkeit am Original nach und kam zu folgendem
Ergebnis.
Der erste Buchstabe in Zeile 5 ist ein S, nicht C, wie Finke angibt; dafür
spricht die Form des viel kleineren erhaltenen Bogens, die sich deutlich von dem
weitgeschwungenen C der Inschrift unterscheidet. Der dritte Buchstabe der
gleichen Zeile läßt am Original die Lesung als B oder P unzweifelhaft erscheinen;
zu einem E oder F passen die erhaltenen Spuren unter keinen Umständen. Damit
ergibt sich die Lesung SIB [i].
Auch im Anfang der Inschrift können wir über Finkes Resultat hinauskommen.
Da auf beiden Seiten ein Stück des Randes und der Ansatz des halbkreisförmigen
Abschlusses erhalten ist, läßt sich die Größe der Inschriftfläche errechnen, wobei
sich ergibt, daß in der ersten nicht erhaltenen ganz kurzen Zeile die Formel
D ■ M • stand, deren nach den Raumverhältnissen anzunehmende größere Buch-
stabenhöhe zahlreiche Analogien hat
In Zeile 2 ist . . . onius sicher. In ziemlich großem Abstande davor ist eine
Hasta erhalten und vor dieser in gleicher Entfernung der geringe Rest eines wei-
teren Buchstabens, am wahrscheinlichsten der unterste Teil einer senkrechten
Hasta, der, wie Dr. F. Drexel zuerst erkannte, nicht als N gedeutet werden kann
und so die vorgeschlagene Ergänzung Anjtonius unmöglich macht. Für die richtige
Ergänzung ist zu beachten, daß für die zweite Flasta T oder P (neben F und Y)
in Betracht kommen; im ersten Falle kann die erste Hasta ein E, I oder L, im
zweiten ein P, T oder Y gewesen sein; davor bleibt noch Raum für 2 Buchstaben.
Unter den Namen, die man hier heranziehen kann, möchte ich Capponius (cfr.
CIL III suppl. 13397, dazu add. postr. pag. 232826) als besonders geeignet bezeichnen,
da dieser Name, wie genaue Messung ergab, vorzüglich in die Lücke paßt und
dazu eine in keltischer Namengebung anscheinend recht beliebte Alliteration
hervorruft.
D • M
/CAPPONIVsX
/CAPVRILLVS
CERVESARIVS
SIBL ET'SVIS'V'F
Für die Ergänzung des Schlusses der Inschrift ist zu bedenken, daß die
Größenverhältnisse des Steines gegen die Annahme einer 6. Zeile sprechen, daß
ferner der Rest in Zeile 5 sich ungezwungen zu einer der bekannten Grabstein-
formeln ergänzen läßt. Hiervon eignet sich am ehesten ,sibi et suis v. f.1 oder
,sibi et suis f. c.‘, denn die Buchstabenzahl (12) paßt trotz der anzunehmenden
Worttrennungen gut zu der von Zeile 4(11), da in Zeile 5 der Buchstabe I 3mal
vorkommt, und der erhaltene Rest der Zeile enger geschrieben erscheint').
Damit ergibt sich eine fast völlig gesicherte Lesung der Inschrift. Sie wird
ins 3. Jahrhundert gehören.
Charlottenburg. P. J. Schweisthal.
LITERATUR.
48. Walther Schulz-Minden, Das germa-
nische Haus in vorgeschichtlicher
Zeit. Mit 4S Abbldg. im Text. Mannus-
Bibliothek Nr. 11. Würzburg, Kabitzsch
1913. 128 S. 8°. — 4 M. (Subscr. 3.20 M.)
Die vorliegende Schrift ist eine Disser-
tation, die aus den Übungen Kossinnas
hervorgegangen ist (Mannus III. 1911, 134
—139), und, um es gleich zu sagen, eine
als Materialsammlung fleißige und nützliche
Arbeit. Daß die Bodenfunde als wichtigste
Quelle für die deutsche Hausforschung
herausgehoben werden, zeichnet diese Arbeit
besonders aus. Aber, wenn der Verf. sich
*) Ein Analogon bildet übrigens CIL XIII, 4004.
Zur Trierer Cervesarius-Inschrift.
47. Da H. Finkes Lesung der Trierer cervesarius-Inschrift (Röm.-germ. Korr.-
Bl. VI S. 74) mit einer Abschrift, die ich früher genommen hatte, nicht überein-
stimmt, prüfte ich deren Richtigkeit am Original nach und kam zu folgendem
Ergebnis.
Der erste Buchstabe in Zeile 5 ist ein S, nicht C, wie Finke angibt; dafür
spricht die Form des viel kleineren erhaltenen Bogens, die sich deutlich von dem
weitgeschwungenen C der Inschrift unterscheidet. Der dritte Buchstabe der
gleichen Zeile läßt am Original die Lesung als B oder P unzweifelhaft erscheinen;
zu einem E oder F passen die erhaltenen Spuren unter keinen Umständen. Damit
ergibt sich die Lesung SIB [i].
Auch im Anfang der Inschrift können wir über Finkes Resultat hinauskommen.
Da auf beiden Seiten ein Stück des Randes und der Ansatz des halbkreisförmigen
Abschlusses erhalten ist, läßt sich die Größe der Inschriftfläche errechnen, wobei
sich ergibt, daß in der ersten nicht erhaltenen ganz kurzen Zeile die Formel
D ■ M • stand, deren nach den Raumverhältnissen anzunehmende größere Buch-
stabenhöhe zahlreiche Analogien hat
In Zeile 2 ist . . . onius sicher. In ziemlich großem Abstande davor ist eine
Hasta erhalten und vor dieser in gleicher Entfernung der geringe Rest eines wei-
teren Buchstabens, am wahrscheinlichsten der unterste Teil einer senkrechten
Hasta, der, wie Dr. F. Drexel zuerst erkannte, nicht als N gedeutet werden kann
und so die vorgeschlagene Ergänzung Anjtonius unmöglich macht. Für die richtige
Ergänzung ist zu beachten, daß für die zweite Flasta T oder P (neben F und Y)
in Betracht kommen; im ersten Falle kann die erste Hasta ein E, I oder L, im
zweiten ein P, T oder Y gewesen sein; davor bleibt noch Raum für 2 Buchstaben.
Unter den Namen, die man hier heranziehen kann, möchte ich Capponius (cfr.
CIL III suppl. 13397, dazu add. postr. pag. 232826) als besonders geeignet bezeichnen,
da dieser Name, wie genaue Messung ergab, vorzüglich in die Lücke paßt und
dazu eine in keltischer Namengebung anscheinend recht beliebte Alliteration
hervorruft.
D • M
/CAPPONIVsX
/CAPVRILLVS
CERVESARIVS
SIBL ET'SVIS'V'F
Für die Ergänzung des Schlusses der Inschrift ist zu bedenken, daß die
Größenverhältnisse des Steines gegen die Annahme einer 6. Zeile sprechen, daß
ferner der Rest in Zeile 5 sich ungezwungen zu einer der bekannten Grabstein-
formeln ergänzen läßt. Hiervon eignet sich am ehesten ,sibi et suis v. f.1 oder
,sibi et suis f. c.‘, denn die Buchstabenzahl (12) paßt trotz der anzunehmenden
Worttrennungen gut zu der von Zeile 4(11), da in Zeile 5 der Buchstabe I 3mal
vorkommt, und der erhaltene Rest der Zeile enger geschrieben erscheint').
Damit ergibt sich eine fast völlig gesicherte Lesung der Inschrift. Sie wird
ins 3. Jahrhundert gehören.
Charlottenburg. P. J. Schweisthal.
LITERATUR.
48. Walther Schulz-Minden, Das germa-
nische Haus in vorgeschichtlicher
Zeit. Mit 4S Abbldg. im Text. Mannus-
Bibliothek Nr. 11. Würzburg, Kabitzsch
1913. 128 S. 8°. — 4 M. (Subscr. 3.20 M.)
Die vorliegende Schrift ist eine Disser-
tation, die aus den Übungen Kossinnas
hervorgegangen ist (Mannus III. 1911, 134
—139), und, um es gleich zu sagen, eine
als Materialsammlung fleißige und nützliche
Arbeit. Daß die Bodenfunde als wichtigste
Quelle für die deutsche Hausforschung
herausgehoben werden, zeichnet diese Arbeit
besonders aus. Aber, wenn der Verf. sich
*) Ein Analogon bildet übrigens CIL XIII, 4004.