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Schwetzinger Wochenblatt — 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.30180#0060

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nicht an. Jn der nnldbewegten Kriegszeit hatte sie
manchen gefahrvollen Gang der Barmherzigkeit gethan,
ohne den Schutz eines Mannes zu bedürfen: dennoch
war sie froh, als sie unten einen Knecht fand, der be-
reit war, nnt der Horn-Laterne voran zu leuchten, auch
wenn seine andern beiden Gefährten mit der Trage
erst spater nachkommen sollten.

Der Fremde warf einen halb verüchtlichen, halb mit-
leidigen Seitenblick auf den Knecht, der sich mit einem
alten Säbel mehr zum Schein als zum Kampf bewaffnet
hatte, und ließ fowohl ihn als Elisabeth vorausgehen
und aus dem Thore treten, das er mit dem Schlüssel
geöffnet hatte, der noch in seinen Händen war; es fiel
hinter ihnen wieder schwer in's Schloß — Elisabeth
sah sich erschrocken um; sie kannte diesen Klang.

„Warum habt Jhr das Thor verschloffen?" fragte
sie den Fremden.

Er antwortete lächelnd: „Jch dachte, es dürfe nicht
offen bleiben bis Eure Leute bereit sind uns nachzu-
kommen — der Schlüssel steckt ja innen."

Nach einer Weile fragte sie ihren Begleiter: „Jhr
leistet mir einen wichtigen Dienst, ich schenke Euch mein
volles Vertrauen und weiß noch nicht einmal Euern
Namen, Herr?"

„Busfo von Geierstein," antwortete der Gefragte.
„Uebrigens bedaure ich, daß Jhr Euch meiner gar nicht
erinnert, — ich habe das schöne Edelfräulein nicht ver-
gessen, das vor Jahresfrist bei der Rückkehr unseres
Pfalzgrafen das Fest zu Ehren seiner Belohnung mit
der neuen Kurwürde zu Heidelberg verherrlichte und
neben den fürstlichen Frauen die Preise bei dem Riugel-
stechen vertheilen half." —

„Verzeiht niein kurzes Gedüchtniß!" antworte sie,
„aber ich war nur einmal an dem Hof und hatte wenig
Sinn für all' den täuschenden Glanz und die Herrlich-
keit, niit der man die Ruinen des Landes zu überkleiden
fuchte — ich hatte hier in unferer Gegend gerade zu
viel Jammer erlebt, wußte, ivie traurig es im Lande
aussah und berechnete nur, wie viel Armen und Be-
raubten hätte geholfen werden köuueu, wenn jenes ver-
ichweuderische Fest unterblieben wäre."

„Das sind allerdings wunderfanie Gedanken tür
das schönste Edelfräulein in der Residenz!" antwortete
Busso, „aber ich will Euch zeigen, daß die meinen eine
andere Nichtung hatteu und daß ich ein treueres Ge-
düchtniß habe: meiu Gegenstand war dasselbe Edel-
fränlein in durchsichtiges Weiß gekleidet, ein Rosendiadem
ini Haar und eine Nofenguirlande von der Lilienschulter
über die Brust bis zum Saum des Kleides sich her-
unter schlüngelnd — dies Bild prügte sich mir ein und
ich konnte es nienials wieder vergessen!"

Elisabeth antwortete nicht mehr, sondern eilte so
fchnell wie niöglich vorwürts.

Auf einnial sah ncan Fackelschein durch den Wald
kommen — Busso lauschte — faßte alsdann Elisabeth
in seine Arme, stieß niit dem Fuß wider die Laterne,
daß sie verlöschte und rief: „Wir müssen uns im Dickicht
verbergen, es kommt dort ein ganzer Trupp, die können
nichts Gutes im Sinne haben!" Zugleich ließ er einen
schrillenden Pfiff ertönen.

Elisabeth sträubte sich und rief: „Wer Unrechtes im
Sinne hat, läßt sich nicht niit Fackeln leuchten!"

Aber er rief: „Um Eures Lebens Willen, Jhr müßt
schweigen!" und verband ihr den Mund mit ihrer
eigenen Umhüllung; — der Knecht stand unfchlüssig
wem er gehorchen sollte; von zwei Seiten hörte er
Leute kommen: die Einen mit den Fackeln den Berg
herauf, die Andern von der Seite, nach welcher Busso
das Früulein schleppte.

Da auf einmal eilte Einer den Fackeln voraus und
stürzte dahin, wo er das weibliche Stöhnen hörte, —
seine Klinge begegnete der eines Andern, der Busso zu
Hülfe kam. „Fackeln her!" rief Oswald, der jener
Vordringende war, und da der Bergmann mit der
Fackel die Gruppe beleuchtete ünd Oswald das Fräulein
dem Busso entreißen wollte, fenktesi Beide erschrocken
die Schwerter, und Jeder rief dem Ändebn zu:

„Flieh!" , ü

Es war eine seltsame Verwirrung. Die Träger,
welche den todten Voigt trugen, hatten die Bahre hiu-
gesetzt und der Bergmann, der sie. begleitete, erkannte
das Fräulein. Der Knecht, der die Laterne getragen,
rief, aus den Todten deutend: „da bringen sie ihn ja
schon!"

Niemand wußte, wer Freund oder Feind fei, da
die Beiden, welche hinter Busso erschienen waren, die
Flucht ergriffen.

Dieser selbst, dem Oswald die schöne Beute ent-
rissen, stieß den Degen nach ihm, daß Oswald taunielnd
flüsterte: „Hältst Du so Deiuen Schwur?"

„Halte den Deinen und ich werde den meinen anch
Halten!" rief Busso und verschwand im Dnnkeln.

Nun hatte man noch einen schmer Verwundeten zu
deni todten Voigt zu legen und ihn, wie Elisabeth befahl,
mit in's Schloß zu tragen. Tief erschüttert ging sie
unter den Leuten, welche die Leiche brachten, hörte kauni
und verstand noch weniger, was sie durcheinander ihr
erklärend berichten wollten und sie wieder wundernd
fragten, wie sie denn hierher konime und wer ihre Be-
gleiter gewesen.

Es war eine schauerliche Nacht. Friihliugsstürme
sausten in den knospenden Zweigen der Laubwaiduug,
der Neckar murmelte unheimlich und über den Dilsberg
zogen schwarze Gewitterwolken auf, aus deren Schooß
zuweilen leuchtende Blitze flammten, dies nnheimliche
Nachtstück erhellend.

Fortsetzung folgt.

_U' -

Die zweite Hauptsitziulg

dev NaerhalLa an der Leimdach.

Die vergangenen Freitag Abend im F. Mändler'schen Bier-
keller abgehaltene zweite und letzte Sitzung der Narrhalla war,
wie vorauszusehen, sehr zahlreich besucht und dars deren ganzer
Verlauf als ein äußerst gelungener bezeichnet werden.

Gestatten Sie mir Jhnen — trotz dein Widerwillen, den
ein gewisses, veröffentlichtes Schreiben gegen das „Narrenzeug"
kund gab — eine Skizze der Abendunterhaltung zu entwerfen!
— Nachdem die Gesellschaft comvlett war, wurde die Sitzung,
in Abwesenheit des Präsidenten durch den Vice-Präsidenten Herrn
 
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