worden sein sollen. Die Miliz bewaffnete sich zum Schutze
der Christen.
Amerika. Nem-Iork, 8. April. Der Angriff
anf Charleston wird erwartet, der auf Vicksbnrg hin-
gegen ist definitiv aufgegeben. Die Nachricht von der
Räumung Vicksburgs ist unwahr. Es haberr daselbst
angeblich Brodcrawalle stattgefunden. Die Neger-Expe-
dition in Florida hat Jacksonville verbrannt. Die Con-
föderirten haben die Unionsflotille aus dem Tennessee-
flusse vertrieben.
Die schlimme neue Zeit.
Humoristische Novelle aus dem Jahre 1848.
Von Wilh. Jungmann.
Fortsetzung.
Einilie hatte wührend dieses Vorwurfs ihres Vaters
den Blick Zu Boden gesenkt, und war sichtbar erröthet,
denn sie fühlte nur zu wohl, daß sie zur Unzeit gelacht
und dadurch ihren ängstlichen, aber doch äußerst guten
Vater aufs Tiesste beleidigt hatte. Darnm trat sie auch
setzt mit beknmnierter Miene zu ihm heran; erfaßte seine
Rechte, drückte sie an ihr klopsendes Herz und sprach:
„Verzeihung! mein lieber, guter Vater, wenn ich
Sie durch meine Unbesonnenheit zu tief gekränkt und
beleidigt haben sollte. Aber ich kann Jhnen feierlich
versichern, daß es mir noch nie in den Sinn gekommen
ist, über Jhr Thun und Lassen zu rechten, und wenn
ich nun dieses jetzt zum erstenmale in meinem Leben
zu thun mich erdreiste, so mögen Sie die heiligste
Versicherung hinnehmen, daß dieses einzig und allein
in der wohlgemeinten Absicht geschieht, Jhre bangen
Besorgnisse und Zweifel zn verscheuchen, und Jhnen
eine andere Ansicht über die rninder bemittelten Be-
wohner unseres Landes beizubringen. Wohl mögen Sie
recht haben, mein geliebter Vater! daß wir jetzt in
einer sehr schlimmen, tiefbetrübten Zeit leben, in welcher
Tausende und Tausende von Hoffnnngen und Befürch-
tungen sich durchkreuzen, nnd Niemand wissen mag, zu
welchem Enoe dieses Alles noch führen wird, das aber
möchte ich doch sicher behaupten, daß Jhnen von Sei-
ten der minder bemittelten Classe durchaus keine Ge-
fahr droht; wohl wünschen sie alle Abhülfe und Min-
derung ihrer Noth und ihres Elendes; aber nie wer-
den sie sich so weit vergessen, diese Wünfche durch
Zugriff auf das Eigenthum ihrer reichlicher gefegneten
Mitbürger in Ausführung zn bringen, dafür bürgt uns
ihr viel zn tief eingewurzeltes Nechtlichkeitsgefühl und
das Bewnßtsein ihrer Menschenwürde. Was nun aber
besonders Sie betrifft, mein geliebter Vater! so dürften
gerade Sie nm allerwenigsten solche bange Befürchtnngen
hegen!
Herr Goldmann hatte, während seine Tochter so
sprach, sich anf einen Sessel niedergelassen und auf-
merksam jedes ihrer Worte in sich aufgenommen, welches
aus ihrem Mnnde so begeistert zur Vertheidignng der
minderbemittelten Claffen gefloffen war, ohne sie im
mindesten zu unterbrechen; als sie aber nun geendet,
da erhob er sich rasch, trat vor sie hin und sprach in
spöttischem Tone:
„So! so! Ei, ei! Was doch die Jugend jetzt so
ausgeklärt und gescheidt geworden ist! Nun wird freilich
wohl nichts anderes mehr übrig bleiben, nls daß das
Alter zu Euch in die Schnle geht, um bei Ench das
Treiben der Menschen kennen zu lernen! Aber ich sage
Dir feierlich und offen, mich bekomntt Jhr nicht zu
Eurem Schüler! Ja! in früheren Zeiten, da waren die
Menschen ganz anders; da herrschte Treue und Glau-
ben unter ihnen; da waren noch Arbeitfamkeit und
Genügsamkeit ihre schönsten Tugenden, aber jetzt ist es
ganz und gar anders geworden; Arbeitsscheu und Ge-
nußsucht ist an die Stelle der früheren Tugenden ge-
treten; Haß, Neid und Mißgunst haben sie verdrängt;
Jch weiß übrigens, woher diese Jdeen stammen, die
Dein Mund so eben ausgesprochen hat^ Niemand anders
hat sie Dir eingeprügt als jener Undankbare, dem ich
bisher Freund, Wohlthüter und Vater gewesen bin, und
der mir jetzt in dieser schwerbedrüngten schlimmen Zeit
eine Stütze hütte werden sollen! O! Theodor! wer hütte
dies von Dir gedacht! — jetzt dnrch meine eigene Toch-
ter bist Dn entlarvt und auf immer aus meinem Herzen
gerissen! Vieles habe ich für Dich gethan, uoch Vieles
war ich für Dich zu thun im Begriffe, nber nun ist
Alles vorüber, und mir sollst Dn nun nicht mehr die
Schwelle betreten. Macht nun, was Jhr wollt; aber
wahrlich, das sage ich Euch: mich sollen sie bei einem
Angriffe auf mein Eigenthum nicht ungerüstet sinden;
ich werde es auf das Kräftigste zu vertheidigen wissen."
Hatte nun auch Emilie beim Ansange der Nede
ihres Vaters abermals ein uuwillkürliches Lücheln nicht
nnterdrücken können, fo hatten doch seine letzten Worte
einen ganz anderen, ganz entgegengesetzten Eindrnck
auf sie hervorgebracht. Seine Angft, seine Vorwürfe
und Drohungen gegen einen, ihrem Herzen nnaussprech-
lich theuern jungen Mann waren so beftimmt ausge-
sprochen, daß sie keinen Angenblick daran zweifeln konnte,
daß dieselben auch mit aller Confequenz ausgeführt
werden würden; darum wollte sie auch eben in höchster
Angst ihrem Vater zn Füßen fallen, sich und ihren ge-
liebten Theodor, den ehemaligen Liebling ihres Vaters,
zu vertheidigen, als der alte Herr rasch sich nus dem
Zimmer entfernte, und sie nüt ihrem Knmmer allein
ließ.
2.
Zu jener Zeit als Herr Goldmann noch im Besitze
seiner Fabrik nnd diese noch im vollsten Betriebe war,
fanden wohl an achtzig Menschen, Münner und Frauen,
Untertünft und reichliches Auskommen in derselben, denn
Herr Goldmann war nicht der Mann, der von dem
Schweiße seiner Arbeiter sich bereicherte, wührend diese
am Hungertnche nagend, nur die traurigen Sclaven
seines Geizes und Eigennutzes gewesen, darnm erfüllte
auch alle 'tiefe Trauer als sein Entschlnß bekannt ge-
worden war, die Fabrik zu verkaufen und sich in das
ruhige Privatleben zurückzuziehen. Die Personen, welche
in seinem Dienst verblieben, waren: sein ehemaliger
Arbeitsaufseher und nunmehriger wohlbestellter Haus-,
Hof- und Küchenmeister, sein früherer Pack- uud Fuhr-
knecht, jetzt Hof- und Leibkntfcher, sein früherer Commis-
sionür und Anslüufer, numnehriger Leib- und Kammer-
der Christen.
Amerika. Nem-Iork, 8. April. Der Angriff
anf Charleston wird erwartet, der auf Vicksbnrg hin-
gegen ist definitiv aufgegeben. Die Nachricht von der
Räumung Vicksburgs ist unwahr. Es haberr daselbst
angeblich Brodcrawalle stattgefunden. Die Neger-Expe-
dition in Florida hat Jacksonville verbrannt. Die Con-
föderirten haben die Unionsflotille aus dem Tennessee-
flusse vertrieben.
Die schlimme neue Zeit.
Humoristische Novelle aus dem Jahre 1848.
Von Wilh. Jungmann.
Fortsetzung.
Einilie hatte wührend dieses Vorwurfs ihres Vaters
den Blick Zu Boden gesenkt, und war sichtbar erröthet,
denn sie fühlte nur zu wohl, daß sie zur Unzeit gelacht
und dadurch ihren ängstlichen, aber doch äußerst guten
Vater aufs Tiesste beleidigt hatte. Darnm trat sie auch
setzt mit beknmnierter Miene zu ihm heran; erfaßte seine
Rechte, drückte sie an ihr klopsendes Herz und sprach:
„Verzeihung! mein lieber, guter Vater, wenn ich
Sie durch meine Unbesonnenheit zu tief gekränkt und
beleidigt haben sollte. Aber ich kann Jhnen feierlich
versichern, daß es mir noch nie in den Sinn gekommen
ist, über Jhr Thun und Lassen zu rechten, und wenn
ich nun dieses jetzt zum erstenmale in meinem Leben
zu thun mich erdreiste, so mögen Sie die heiligste
Versicherung hinnehmen, daß dieses einzig und allein
in der wohlgemeinten Absicht geschieht, Jhre bangen
Besorgnisse und Zweifel zn verscheuchen, und Jhnen
eine andere Ansicht über die rninder bemittelten Be-
wohner unseres Landes beizubringen. Wohl mögen Sie
recht haben, mein geliebter Vater! daß wir jetzt in
einer sehr schlimmen, tiefbetrübten Zeit leben, in welcher
Tausende und Tausende von Hoffnnngen und Befürch-
tungen sich durchkreuzen, nnd Niemand wissen mag, zu
welchem Enoe dieses Alles noch führen wird, das aber
möchte ich doch sicher behaupten, daß Jhnen von Sei-
ten der minder bemittelten Classe durchaus keine Ge-
fahr droht; wohl wünschen sie alle Abhülfe und Min-
derung ihrer Noth und ihres Elendes; aber nie wer-
den sie sich so weit vergessen, diese Wünfche durch
Zugriff auf das Eigenthum ihrer reichlicher gefegneten
Mitbürger in Ausführung zn bringen, dafür bürgt uns
ihr viel zn tief eingewurzeltes Nechtlichkeitsgefühl und
das Bewnßtsein ihrer Menschenwürde. Was nun aber
besonders Sie betrifft, mein geliebter Vater! so dürften
gerade Sie nm allerwenigsten solche bange Befürchtnngen
hegen!
Herr Goldmann hatte, während seine Tochter so
sprach, sich anf einen Sessel niedergelassen und auf-
merksam jedes ihrer Worte in sich aufgenommen, welches
aus ihrem Mnnde so begeistert zur Vertheidignng der
minderbemittelten Claffen gefloffen war, ohne sie im
mindesten zu unterbrechen; als sie aber nun geendet,
da erhob er sich rasch, trat vor sie hin und sprach in
spöttischem Tone:
„So! so! Ei, ei! Was doch die Jugend jetzt so
ausgeklärt und gescheidt geworden ist! Nun wird freilich
wohl nichts anderes mehr übrig bleiben, nls daß das
Alter zu Euch in die Schnle geht, um bei Ench das
Treiben der Menschen kennen zu lernen! Aber ich sage
Dir feierlich und offen, mich bekomntt Jhr nicht zu
Eurem Schüler! Ja! in früheren Zeiten, da waren die
Menschen ganz anders; da herrschte Treue und Glau-
ben unter ihnen; da waren noch Arbeitfamkeit und
Genügsamkeit ihre schönsten Tugenden, aber jetzt ist es
ganz und gar anders geworden; Arbeitsscheu und Ge-
nußsucht ist an die Stelle der früheren Tugenden ge-
treten; Haß, Neid und Mißgunst haben sie verdrängt;
Jch weiß übrigens, woher diese Jdeen stammen, die
Dein Mund so eben ausgesprochen hat^ Niemand anders
hat sie Dir eingeprügt als jener Undankbare, dem ich
bisher Freund, Wohlthüter und Vater gewesen bin, und
der mir jetzt in dieser schwerbedrüngten schlimmen Zeit
eine Stütze hütte werden sollen! O! Theodor! wer hütte
dies von Dir gedacht! — jetzt dnrch meine eigene Toch-
ter bist Dn entlarvt und auf immer aus meinem Herzen
gerissen! Vieles habe ich für Dich gethan, uoch Vieles
war ich für Dich zu thun im Begriffe, nber nun ist
Alles vorüber, und mir sollst Dn nun nicht mehr die
Schwelle betreten. Macht nun, was Jhr wollt; aber
wahrlich, das sage ich Euch: mich sollen sie bei einem
Angriffe auf mein Eigenthum nicht ungerüstet sinden;
ich werde es auf das Kräftigste zu vertheidigen wissen."
Hatte nun auch Emilie beim Ansange der Nede
ihres Vaters abermals ein uuwillkürliches Lücheln nicht
nnterdrücken können, fo hatten doch seine letzten Worte
einen ganz anderen, ganz entgegengesetzten Eindrnck
auf sie hervorgebracht. Seine Angft, seine Vorwürfe
und Drohungen gegen einen, ihrem Herzen nnaussprech-
lich theuern jungen Mann waren so beftimmt ausge-
sprochen, daß sie keinen Angenblick daran zweifeln konnte,
daß dieselben auch mit aller Confequenz ausgeführt
werden würden; darum wollte sie auch eben in höchster
Angst ihrem Vater zn Füßen fallen, sich und ihren ge-
liebten Theodor, den ehemaligen Liebling ihres Vaters,
zu vertheidigen, als der alte Herr rasch sich nus dem
Zimmer entfernte, und sie nüt ihrem Knmmer allein
ließ.
2.
Zu jener Zeit als Herr Goldmann noch im Besitze
seiner Fabrik nnd diese noch im vollsten Betriebe war,
fanden wohl an achtzig Menschen, Münner und Frauen,
Untertünft und reichliches Auskommen in derselben, denn
Herr Goldmann war nicht der Mann, der von dem
Schweiße seiner Arbeiter sich bereicherte, wührend diese
am Hungertnche nagend, nur die traurigen Sclaven
seines Geizes und Eigennutzes gewesen, darnm erfüllte
auch alle 'tiefe Trauer als sein Entschlnß bekannt ge-
worden war, die Fabrik zu verkaufen und sich in das
ruhige Privatleben zurückzuziehen. Die Personen, welche
in seinem Dienst verblieben, waren: sein ehemaliger
Arbeitsaufseher und nunmehriger wohlbestellter Haus-,
Hof- und Küchenmeister, sein früherer Pack- uud Fuhr-
knecht, jetzt Hof- und Leibkntfcher, sein früherer Commis-
sionür und Anslüufer, numnehriger Leib- und Kammer-