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Schwetzinger Wochenblatt — 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.30180#0152

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Die schlimme neue Zeit.

Humoristische Novelle aus dem Jahre 1648.

Von Wilh. Jungmann.

Fortsetzung.

Jetzt konnte sich auch der lahnre Peter nicht mehr
lünger zuriickhalten, und vom Stuhle auffahrend, rief
er laut: „Wenn ich auch von der schweren Artillerie,
wie ich die Feuerspritze nennen möchte, nicht viel ver-
stehe, so kann ich doch desto besser nüt den nbrigen
Waffen lrmgehen; Laden, Schießen, Hauen und Stechen
wird von mir mit gleicher Fertigkeit ausgeübt, und
iminer wird man mich auf den gefährlichsten Posten
sehen!"

„Sollte mich recht sehr freuen, mein lieber Peter!"
entgegnete ihm Herr Goldmann, „nur vergiß es nicht,
wenn es zur That kömmt!" Dann erhob er sich ebensalls
und sprach: „So hätten wir denn nun unsern Verthei-
digungsplan berathen und in allen seinen Theilen reif-
lich geprüft; an Euch ist es nun, Hausmeister, die
nöthigen Anordnungen zu treffen, damit noch heute
Abend Alles gerüstet ist. Geht denn nun ihr lieben
Leute, und thut eure Schuldigkeit; meine weiteren Be-
sehle sollt ihr heute Abend noch ersahren; meine Tochter
aber geht, sobald sie nach Haus kömmt, aus ihr Zim-
mer, sie darf es heute nicht mehr verlassen. Haus-
meister! Jhr sorgt dasür.

4.

Emilie war von ihrem Ausfluge an die Eisenbahn
gegen halb sieben Uhr in das Haus ihres Vaters zu-
rückgekehrt, hatte da schweigend die Ankündigung ihres
Arrestes vernommen, und zog sich nun in ihr Zimmer
znrück, nm da ungestört die Vorbereitungen zu ihrer
Zusammenkunst mit Theodor zu treffen.

Um allen möglichen Verdacht einer böswilligen Ver-
lassung ihres Arrestes vorzubeugen, hatte Emilie sogleich,
als sie in ihr Zimmer kam, ihre Kleider abgelegt, einen
einfachen weißen Hausanzug übergeworfen, und diesem
zugleich ein blühendweißes Negligö-Hüubchen hinzugesügt,
das ihr schönes, von einer leichten Röthe überflogenes
Antlitz nur in vortheilhasterem Lichte erscheiuen ließ;
mit klopfendem Herzen hatte sie sich dann an das Fenster
gesetzt, durch welches das Dunkel der Nacht schon her-
einzubrechen begann, und zühlte da üiiasllich jede Mi-
nute. Zum erstenmale in ihrem Leben* stand sie jetzt
im Begriffe, eine nächtliche Wanderung allein anzutreten,
um einem geliebten Gegenstande eine heimliche Zusam-
menkunft zu gestatten; allein es konnte nicht anders sein;
sie mußte ihn sprechen, sie mußte ihm heute noch er-
zählen, wie sich ihr Vater über ihn geüußert; sie mußte
ihn bitten und beschwören, von einer Bahn zurückzu-
treten, die unr zu seines und ihres Glückes Untergang
führen mußte, denn nur zu gut war es ihr bekannt,
daß ihr Vater uie es ihr verzeihen würde, sich mit
seinen Gegnern verbunden zu haben.

Dreiviertel auf neun Uhr hatte es geschlagen, da
warf Emilie rasch einen dunkeln Mantel um, zog die
Kaputze desselben tief über Kops und Gesicht hernnter,
schlüpfte leise zur Thüre hinans und l elangte bald
durch einen langen Corridor uud über die schmale Treppe

hinab in den Garten; dann flog sie, wie ein gescheuchtes
Reh, durch die Rebengeländer hindurch deni Gartenhause
zu, und stand nun bald in einem großen geräumigen,
aber stockfinstern Gemache desselben.

Emilie hatte sich Licht gemacht, das vermöge der
dichtverschlossenen Fensterläden von Außen nicht bemerkt
werden konnte, hatte sich dann auf das Sopha nieder-
gelassen, und zählte hier abermals mit Angst und
Bangen die trägen Secunden, die noch verstreichen muß-
ten bis die Zeit herangekommen, wo Theodor erscheinen
sollte.

Während nun die Tochter aus verbotenen Pfaden
wandelte, und mit den Feinden ihres Vaterlandes, mit
den Gegnern ihres eigenen Vaters heimlich conspirirte,
wurden in dem Hause desselben die furchtbarsten Nüst-
ungen gemacht, um einen Kampf aus Leben nnd Tod zu
bestehen, und war nnn der Vertheidigungsplan des
Herrn Goldmann ein wahres Meisterstück zu nennen,
so wurden die Anordnungen zu demselben von seinem
Hausmeister, gleich eineni General-Feldzeug-Meister und
Festungs - Commandanten, mit solcher Virtuosität und
Umsicht ausgeführt, daß sie seinem Scharssinn und seiner
Sachkenntniß alle Ehre machten. Eine Masse von Stei-
nen war bis aus den Speicher hinausgetragen worden,
die Feuerspritze in den Hos ausgesahren, die Hausthüre
mit einer Menge von Kisten und Kasten verbarrikadirt,
das Feuer unter dem Waschkessel angezündet, um den
Mehlbrei zuzurichten, ein großes, an die Küche anstoßen-
des Zimmer zu ebener Erde zur Wachtstube hergerichtet,
und die Waffen uud die Munition in dasselbe verbracht
worden.

Jn diesem Zimmer nun, um einen langen Tisch
war die ganze Besatzung, mit Ausnahme der Köchin,
welche ab- und zuging, versammelt, und ließ es sich
trefflich schmecken, denn Herr Goldmann hatte Wein vom
Besten aus seinem Keller in Menge herbeitragen lassen,
um den Muth seiner Garnison durch einen krästigen
Trunk noch mehr zu erhöhen, und wirklich schien auch
dieses Mittel seinen Zweck vollkommen zu erreichen,
denn der lahme Peter, vom Weine erhitzt, schwnr hoch
und theuer: es mit allen Jenen auszunehmen, die es
wagen würden, in das Gebiet seines Herrn eiiizudriiigen
und sich an seinem Eigenthum zu vergreisen, ja für ihn
sein Leben in die Schanze zu schlagen; als aber das
Getöse aus der Straße wieder ärger, immer schauer-
licher durch die dunkle Nacht dahintönte, da war auch
sein Muth gebrochen, und als nun endlich die Stunde,
wo die nächtlichen Patrouillen beginnen sollten, immer
näher heranrückte, da malte sich die Angst der Ver-
zweiflung auch aus seinem Gesichte auf die uuzweideu-
tigste Weise ab.

Fortsetzung folgt.

Verschiedenes.

Jn München fiudet demnächst die Aufstellung des
Schillerdenkmales statt, was zu eiuem großartigen Feste
Veranlassung gibt, an welchem aus Eiiiladuug Königs
Ludwig die Tochter und Enkel des deutschen Dichters
Theil nehmen werden.
 
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