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Schwetzinger Wochenblatt — 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.30180#0390

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einerseits und bayerischen und österreichischen anderer-
seits gekonnnen.

Haruburg. Das hiesige Comitö des Schleswig-
Holsteiiüscheie Vereins erläßt einen Aufruf an das deutfche
Volk, dessen Schlußsatz also lautet:

Deutsche Brttder' Wie zerissen und zerklttstet durch
den Hader der Parteien unser großes Vaterland immer
sei, melcher Fahne wir sonst auch auf dem Felde der
politischen Kämpfe folgen mögen, in Einem sind wir
einig, — in dem stürmischen Verlangen nach der Ve-
freiung Schleswig-Holsteins. Fttr diese Jdee glttht
unsre Jugend, schwärmen unsre Frauen, für sie werden
unsre Atänner handeln. Oder sollen wir auf die
Feier der Leipziger Völkerschlacht, auf all 'die heiligen
Gelttbde, . unsrer Väter werth zn sein, den Schimps
folgen lassen, daß Dünemark bis zur Elbe, bis vor
die Thore Hamburgs sein verhaßtes Banner entfalte?
Nein, das verhttte Gott! Darum löset nun ein die
Ehre, die Freiheit und das Recht unseres Volkes, die
in Schleswig-Holstein verpfändet sind! Kein Feind im
Jnnern noch auswürts wird inr Stande sein, sich deni
fest und energisch ausgesprochenen Willen der Nation
Zu widerfetzen. Laßt es denn genug sein des eitlen
Hoffens und Harrens, Nedens und Singens, rafft
Euch znr That empor, und der Sieg wird Euer sein!

Gttglarrd. London, 25 Nov. „Times" sagt,
daß gestern Abend eine unbedingte, doch höflich motivirte
Congreßablehnung nach Paris abgegangen ist, und
meirtt, die Hauptmächte wttrden unzmeifelhaft Englands
Beispiel folgen.

Frarrkreich. Paris, 25. Nov. Der Kaiser hat
einen seiner Adjntanten mit besonderer Mission nach
Kopenhagen geschickt. Man l ält dies für ein schlimmes
Zeichen und glaubt, daß Napoleon Angesichts des ver-
unglttckten Congresses kriegerischer als je gestjmmt sei,
und den König von Dänemark zu den äußersten Maß-
regeln bereden werde.

Schweden. Stockholm, 28. Nov. Alle vier
Stände des Reichraths haben einstimmig den verlangten
Credit von 3 Millionen Rixdalern zu Kriegsrttstungen
bewilligt und ihre vollste Anerkennung der Regierungs-
politik ausgesprochen. Kein Redner sprach dagegen.

Amerika. New-Pork, 20. Nov. Nach einem
viertägigen Kampfe zwang der Secessionisten-General
Longstreet die Armee Burnside's zum Nückzug nach Knox-
ville. Diese Stadt ijt von den Secessionisten vollstän-
dig eingeschlossen.

Zwanzig Jahre svciter.

Fortsetzung.

Mit drei gewaltigen Schritten stand er wieder vor
dem Küstchen mit den Pistolen. Beide schienen geladen,
ja sogar bereit, jeden Augenblick einem schwachen Erden-
sohne das finft're Thor einer andern Welt aufzuschließen,
denn sie waren schon mit Zttndhütchen versehen.

Noch schien er einen Moment zögern zu mollen —
doch ein rascher Griff, und er hielt eine Mttndung
zwischen den Zähnen — sein rechter Zeigefinger berührte

jetzt die kleine Zunge des Drttckers-da öffnete

sich die Thüre und ein Diener meldete Helene, seine
Gemahlin.

„Es foll nicht sein," murmelte Lacroix erschrocken,
indem er das Pistolenküstchen wieder rasch geschlossen
hatte. Verwirrt und geisterbleich befahl er dem Diener,
seine Frau möge ihn hier erwarten, und verschwand in
einer Seitenthüre.

Nach einigen Augenblicken trat Helene in das Ge-
mach. Sie war bleich und angegriffen. Gilberte, jetzt
in ein schönes Gewand gekleidet, folgte ihr, auf der
Schwelle der Thttre aber blieb sie zögernd stehen.

„Tritt nur näher, armes Kind," redete Helene lieb-
reich dem schüchternen Mädchen zu. „Wir trafen uns
unter so seltsamen Umstünden, daß ich nüch nicht mehr
von Dir trennen werde. Mein Gatte wird mir diese
Bitte erfttllen; bin ich Dir doch schon so gut, und wir
kennen uns erst einige Stunden."

„Du sollst mein schützender Engel sein," sagte jener
fremde, finstre Mann. „blnd Du wirst es sein. Sieh,
ich bin so allein, ich habe keine Tochter, kein Kind —"

Eine Thräne perlte jetzt in Helenens. Auge — sanft
zog sie Gilberte zu sich heran und kttßte ihre Stirne.

Das arme Kind wußte nicht wie ihm geschah.
Zitternd schmiegte es sich. an Helenens Brust.

„Jch danke Jhnen, Madam!" sprach Gilberte. „Sie
sind das erste weibliche Wesen, das sich meiner annimmt.
Dunkel nur erinnere ich mich aus weiner frtthsten Kind-
heit, daß mich vor Euch noch eine Frau liebte. Jch
glaube es war meine Mutter — wie ich von ihr ge-
trennt wurde, weiß ich nicht. Vielleicht starb sie —
nnd jetzl bin ich eine Waife."

„Armes Kind," sprach Helene, „noch so jung und
schon so verlassen!" ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer
Brust; sie mochte beim Anblicke Gikbertens ihres eigenen
Kindes Fran^oise gedenken, die jetzt in gleichem Alter
mit dem vor ihr stehenden Müdchen sein mußte, so sie
nicht schon die Erde deckte.

„Auch ich stehe allein, liebes Kind," fuhr sie dann
fort, „auch ich habe Niemand, den ich liebe. Du aber
bist seit lange das erste Wesen, an das ich mich näher an-
schließen könnte. Und wie, wolltest Du bei mir bleiben,
mich lieben, wie eine Mutter?"

Gilberte antwortete nicht. Ueberwültigt von einem
Gefühle der Dankbarkeit sank die Waise vor ihr nieder
un-d.bedeckte ihre Hände mit heißen Kttssen.

Stnmm zog sie Helene zu sich herauf, drückte sie
fanft an ihre Brust und flttsterte:

„Ersetze mir meine so frühe verlorene Tochter, und
Du sollst bei nür glücklich sein."

Jn diesem Augenblicke trat Lacroix eiu, schwarz ge-
kleidet und bleich — todtenbleich. Ueberrascht sah er
auf die Gruppe der Frauen, die ihn noch nicht zu be-
achten schienen.

„Wer ift dies Mädchen?" frug er jetzt tonlos seine
Gattin.

Erfchrocken wendeten sich beide Frauen nach der
Stimme. Lacroix aber wurde noch bleicher als er in
Gilberte das Mädchen von heute Nacht erkannte.

„Sie werden die arme Waise wieder erkennen, mein
 
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