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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Der Maler Otto de Boer bei Beethoven
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0038

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daß er nicht mit den englischen Berufsmusikern in Verbindung stehe, und
benutzt dann das Heft zu den folgenden Mitteilungen, die sich gewiß auf
Fragen beziehen, ob er komponiere oder Konzerte gebe: „Ich bin Diletand,
alles zur Vergnügen — Nicht verdienen mit die Kunst — Mahlen und musiek
sind Schwestern.“ — Man spricht nun von der Würde der Kunst. Der Hol-
länder: „Wer kein Gefühl für diese göttliche Gabe, beklage ich. — Essen
schlafen, Trinken und (?) Genuss hat das Fieh auch. — Die Angenehmheit
von Künste ist ein Gottes-Geschenk an die Menschheit.“ -— Man fragt den
Holländer nun um dies und das aus seinem Leben, aus seinen Reisen,
worauf er hinschreibt: „Ich spreche 6 Sprachen.“ Wie es scheint, wies der
Holländer im Verlauf des Gesprächs eine Porträtminiatur vor, wozu er schrift-
lich anmerkt: „Habe ich vom König bekommen“ und „Pourtrait vom König
von Holland“. — Er möchte nun wohl ein Bildnis Beethovens sich erbitten
und schreibt: „Alle musiekfreunden sind Sie ein Pourtrait schuldig.“ „Sprechen
Sie Franzosch?“ — „Payer“ [vielleicht ist Paer gemeint] „hat Geist, aber
ohne Ende“ — „Müsste tiefer denken und Geistesgabe und veisheid ver-
binden.“ — „Kein Thema.“ — „Wenn Sie in Amsterdam kommen, bei Gott
Schwere“ [statt schwöre] „ich Ihnen, Sie sollen bei mir wohnen, so lang
wir beide da sein.“ — Beethoven scheint Zustimmung zu äußern und mag
wohl von seiner Absicht, über Holland nach England zu reisen, gesprochen
haben. Der Holländer notiert „Also“. Zum Abschied vorbereitend, schreibt
er: „Ich finde im Vollgefühl von Ihre reception, ich bin zu Schwach, meine Dank
Su Sagen.“ Doch wird das Gespräch noch nicht abgebrochen und der
Fremde muß noch Frage und Antwort stehen. „Ich spiele klein“ schreibt er
noch auf, was vielleicht bedeutet: ich spiele ein klein wenig etwa Klavier
oder sonst ein beliebtes Instrument. Dann liest man noch: „Die Hollander
in alle Stäte Sind viel auf Literatur und mahlerey, aber in Tonkunst nicht
gross gefordert ■— Was Ihre Werke betreff, ohne die hollandsche Sprache
geht es nicht und is Schwer für ein Fremder. — Die bildende Kunst haben
Professoren und Gelehrte. — Auch die Literatur und Medizin — Aber die
Musiek hat keine Compositeur und mehr Etiquette als gründliche Gelehrt-
heid.“ Wie es scheint, wird dem Besuch nun doch Aussicht gegeben, ein
Bildnis von Beethoven zu erhalten, oder vielleicht gar, dem fremden Maler
eine Sitzung zu gewähren. Denn der Holländer schreibt: „Es soll in mein
Gemählde cabinet ein beste plats habe.“ „Ich versichere Sie, dass kein musi-
cant in Amsterdam ist, der mir nicht besuchen wird.“
Der Besucher Beethovens aus Holland, der sich selbst de Boer nennt,
kann niemand anderer sein als der holländische Maler von Geschichtsbildern
und Porträten Otto de Boer. Nach Angabe der Künstlerlexika (von Immer-
zeel, Thieme und Becker) ist er 1797 zu Woudsend in Friesland geboren.
Er hat lange Reisen durch Frankreich, Italien und Deutschland unternommen
und ließ sich in Leeuwaarden nieder. Dort starb er 1856. Während seiner
Reisezeit hat er offenbar Wien berührt und bei dieser Gelegenheit einen
Versuch gemacht, den berühmten Beethoven zu porträtieren. Soweit bisher
bekannt, hat Otto de Boer kein Bildnis des großen Tondichters gemalt, doch
möchte ich hiemit Forschungen in Leeuwaarden anregen, wo man doch über
Otto de Boer besser Bescheid wissen wird als in Wien.
Dr. Th. v. Frimmel.
 
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