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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Hilberseimer, Ludwig: Großstadtarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0208

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D E R STURM / VIERTES VIERTELJAHRHEFT

Brücken immer durch den Geist der Zusammengehörigkeit verbunden, Ausdruck
eines gemeinsamen Willens sind.
Rationelles Denken, Zielsicherheit, Präzision und Oekonomie, bisher Eigenschaften
der Ingenieure, müssen zur Basis der neuen Architektonik werden. Alle Objekte
müssen in sich erfaßt, auf ihre letzte Wesensform reduziert, sinnvoll organisiert,
zur letzten Vollendung gebracht werden.

Wie jede Disziplin steht auch die Architektur vor der unerläßlichen Notwendigkeit,
sich Klarheit über ihre zugrunde liegenden und zugebotestehenden Mittel zu ver-
schaffen. Hier hat ihr die Malerei wertvolle Vorarbeit geleistet. Sie hat zuerst
auf die Grundformen aller Kunst aufmerksam gemacht: geometrische und kubische
Elemente, die eine weitere Objektivierung nicht zulassen. Die einfachen kubischen
Körper: Würfel und Kugel, Prisma und Zylinder, Pyramide und Kegel rein bildende
Elemente, sind die Grundformen jeder Architektur. Ihre körperliche Bestimmtheit
zwingt zu formaler Klarheit. Architektur entspringt der Geometrik. Wenn geomet-
rische Gebilde zu proportionierten Körpern werden, entsteht Architektur. Viel-
gestaltigkeit bei größter Einheit. Detail der zeugenden Hauptlinie untergeordnet.
Der Architekt dehnt und wägt die Linien. Verbindet Körper und Flächen. Bringt
auf die realste Weise Ordnung in das Chaos.
Das Problem der Architektur ist, abgesehen von der materiellen Zweckmäßigkeit
und deren Befriedigung, räumliche Gestaltung der Massen. Ihre Organisation,
Sichtbarmachung, Realisierung, Formwerdung ‘einer Vision. Die Körperlichkeit
architektonischer Massen wird hervorgerufen durch den Wechsel von Licht und
Schatten. Die gesamte Gliederung lebt von der Beleuchtung. Der ganze Rhyth-
mus erhellt durch sie seine Lebenskraft. Die Schwere oder Leichtigkeit einer Archi-
tektur ist abhängig von ihrer Licht- und Schattenwirkung, von der Fläche, die
beide empfängt und beherrscht. Um Licht und Schatten ihrem Wesen und seinen
Absichten gemäß zu benützen, verfügt der Architekt nur über gewisse Kombina-
tionen geometrischer Flächen. Welch ungeheure Wirkungen kann er aus diesen
immerhin beschränkten Mitteln schöpfen. ... Sollten die Wirkungen in der Kunst
um so größer sein, je einfacher die Mittel sind? ... (Auguste Rodin).
Der Architekt muß den gesamten Forwenballast, mit der ihn eine gelehrte Er-
ziehung belastet'hat, vergessen. Vorbildlicher wie das Dekorationsschema irgend
eines Stils ist für ihn die Ökonomie eines D-Zugwaggons. Er muß die Lösung
der neuen Aufgaben organisch aus Gebrauchszweck, Konstruktion und Material

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