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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Meier, Paul J.: Zur Baugeschichte frühmittelalterlicher Krypten
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0079

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1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

112

auch im Westen den Grundmauern Altfrieds
folgte. Nur im Osten erlaubte er sich eine er-
hebliche Abweichung. Zwar heifst es, dafs er
muro sanctuarii (d. h. des Chors), quem nondum
omnino deiecium diximus, novum superimposuit,
jedoch wird hinzugefügt exteriori tarnen ambitu
crypie . . cum . . primitivo allari excluso et
extra sanctuarium, extra cryptam propter silum
loci negligenter dimisso. Dieser Chorschlufs
bestand aber nicht lange. Denn Hezilo selbst
begann noch aus den Steinen der karolingischen
Marienkapelle, soweit diese noch stand, und an
ihrer alten Stelle, im Herbst 1077/8 eine rotunda
capella, die aber erst lange nach seinem Tode,
vermuthlich von Bischof Berthold (1119—1130)
vollendet wurde. Bertram hat nun aus jenem
Bericht und aus dem Funde einer Grundmauer
den richtigen Schlufs gezogen, dafs Hezilo ur-
sprünglich einen rechteckigen Chor gebaut und
diesem erst später eine halbrunde Apsis ange-
fügt habe, dieselbe, die noch jetzt steht.

Bis hierher kann ich allen Ausführungen
des trefflichen Gelehrten nur vollkommen zu-
stimmen. Das, was uns trennt, ist aber folgen-
des. B. geht hauptsächlich von der Ansicht
aus, dafs Hezilo nicht gut einen kleineren Chor
hätte bauen können, als ihn der Altfriedsbau
gehabt hat, weil grade durch ihn eine Ver-
mehrung der Domherrnstellen erfolgte. Da es
nun nicht zweifelhaft sein kann, dafs die Vierung
des Altfrieddoms sich mit der Alfriedskrypta
deckte (s. oben), so läfst er (s. Abb. 1 bei ihm)
beide unmittelbar mit einer Apsis schliefsen,
nimmt also an, dafs dem Bau nach altchrist-
lichem Brauch das Chorquadrat gefehlt habe,
das erst Hezilo hinzufügt hätte. Diese Ansicht
hat unzweifelhaft viel für sich; aber sie läfst
sich, wie ich glaube, mit den klaren Worten der
Fundatio auf keine Weise vereinen. Auch B.
nimmt nämlich an, dafs Altfried seine Krypta
einfach an die Marienkapelle angeschlossen habe,
ohne diese zu verkürzen. Selbst für den Fall
nun, dafs die Kapelle wesentlich schmaler, als
die neue Krypta, gewesen sein, sich dement-
sprechend auch nicht so weit nach Osten er-
streckt und hier noch dazu einen graden Ab-
schlufs gehabt haben sollte, so müfste sie doch,
wenn wir B. folgen, immerhin soweit über den
hohen Chor des Altfrieddomes vorgestanden
haben, dafs man nicht begreift, wie die Fundatio
davon sprechen kann, der Hauptaltar des Doms
wäre über dem der Marienkapelle zu stehen
gekommen. Die allergeringste Gröfse, die man

der Marienkapelle doch geben müfste, wäre
etwa die der gleichfalls karolingischen Peters-
kapelle von S. Ludgeri in Helmstedt8), nämlich
3 m Breite und 5 m Länge im Lichten; aber
selbst dann hätte doch die Entfernung zwischen
den beiden Hauptaltären der Oberkirche und
der Marienkapelle — die Dicke der Westmauer
der letzteren mitgerechnet — etwa ol/2m be-
tragen.4) Wahrscheinlich aber war sie noch
gröfser, und doch wird es beim Hildesheimer
Dom als etwas Besonderes hervorgehoben, dafs
der eine Altar über dem anderen gestanden
hätte.

Das ist aber noch nicht der stärkste Grund,
der gegen B.'s Rekonstruktion spricht. Denn
die Fundatio bezeichnet wohl die Gesammtkrypta,
die sich aus der Marienkapelle und der Gruft
Altfrieds zusammensetzt, als eine doppelte5)
— und wenn wir den Abschlufs sehen, den letz-
tere noch jetzt besitzt, können wir es sehr gut
begreifen, dafs man den einen Theil vom andern
auch im Ausdruck schied —; aber andrerseits
spricht die Fundatio doch auch wieder von
der Krypta als einheitlichem Raum, wie
dies eben jetzt noch möglich ist, wo sich an
die Gruft Altfrieds östlich die des Hezilo an-
schliefst. S. 12, Z. 3 ist von dem Orientale
supremum crypie die Rede, obwohl genauer von
der capella oder dem sacellum gesprochen
werden müfste, und besonders klar ist dies
S. 16, Z. 1 ff. exteriori tarnen ambitu crypie,
que prius duplex erat, et cui in sui orieniali
extremo altare illicdprimitivi sacelli adherebat,
hoc inquam crypie ambitu cum eodem primitivo
altari excluso u.s.w. Sehen wir uns aber die
Rekonstruktion der Altfriedsbasilika bei B. S. 20
an, bei der eine Thür aus der halbkreisförmigen
Krypta in die als unmittelbar anschliefsend ge-
dachte Marienkapelle führt, so würde hier nie-
mand auf den Gedanken kommen, beide Bauten
könnten als ein Raum aufgefafst werden, der
zwei Theile zu einer Einheit verbände. Und

3) Vgl. meine »Bau- und Kunstdenkmäler des
Herzogth. Braunschweig« I, 11 ff. und Abschnitt II
dieses Aufsatzes.

4) Die von B. angenommene Apsis der Allfrieds-
krypta müfste natürlich zugleich den Unterbau der
Chorapsis gebildet haben, wodurch auch die Lage
des Hochalters bestimmt würde.

6) Dafs mit dem Ausdruck eine Ost- und West-
krypta gemeint sein könnte — eine Möglichkeit, die
B. S. 22, 4 vorsichtshalber in Erwägung zieht, aber
als unwahrscheinlich abweist —, halte auch ich für
gänzlich ausgeschlossen.
 
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