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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Endres, Joseph Anton: Der Domkreuzgang in Augsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0180

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1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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des Kreuzgangs, nämlich auf der Nordseite des
Domes, also in der gleichen Richtung, welche
der Kreuzgang bis zum heutigen Tage beibe-
hielt. Wie anderwärts so löste sich auch in
Augsburg das gemeinsame Leben des Dom-
klerus auf und zwar hier gleich zu Beginn des
XII. Jahrh. „Doch war damit der Kreuzgang
keineswegs dem Verfalle preisgegeben. Viel-
mehr wurde er nun, durch die Verlegung der
Kanonikerwohnung von dem Zusammenhang
mit den Wohnräumen der Geistlichkeit losge-
löst, je länger, je mehr als eine Zubehör der
Kirche und namentlich seit er zum Begräbnifs-
platz für den Domklerus diente, als ein ge-
heiligter und ehrwürdiger Ort betrachtet, den
in Stand zu halten, die Pietät zur Pflicht
machte".

Während sich von dem romanischen Mona-
sterium wenigstens ein von Säulen gestützter,
gewölbter Raum (Kapitelssaal) und ein reich
ornamentirtes Thürgewände erhalten haben, ist
von dem zugehörigen Kreuzgange jede Spur
verschwunden. Dagegen retteten sich einige
architektonische Reste aus der folgenden Bau-
periode bis zur Gegenwart, zugleich die ein-
zigen Urkunden für die Datirung dieser Periode.
Es sind ein Portal und ein paar Kämpferge-
simse im westlichen Trakte des Kreuzgangs
mit den deutlichen Formen des Uebergangs-
stiles, sodafs die architektonische Neugestaltung
des ganzen Kreuzgangs oder wenigstens jenes
westlichen Flügels in die erste Hälfte oder die
Mitte des XIII. Jahrh. zu verlegen sein wird.

Eine spätere nicht unwesentliche Verände-
rung unseres Bauwerks war bedingt durch die
Erweiterungsarbeiten an der Domkirche. Der
Domkustos Konrad von Randeck unternahm
nämlich in den Jahren 1331 bis 1346 nicht
nur die Gothisirung der bis dahin in ihren
romanischen Formen erhaltenen Kathedrale,
sondern er fügte der dreischiffigen Pfeilerbasi-
lika im Süden und Norden je ein neues Seiten-
schiff an, wodurch der Kreuzgang seinen süd-
lichen Flügel verlor, dessen Raum nunmehr
das neue nördliche Seitenschiff des Domes ein-
nahm.

Ihre jetzige architektonische Ausgestaltung
erhielten die noch übrigen drei Flügel des
Kreuzgangs im Zeitraum von 1479 bis 1510
im Sinne der Spätgothik. Die Umfassungs-
wände tragen auf einfachen Konsolen hohe und
zierliche Stern- und Netzgewölbe mit beachtens-

werthen, für die Geschichte des Baues werth-
vollen Schlufssteinen. Durch breite Fenster mit
abwechslungsreichem Mafswerk ergiefst sich
von der Hofseite her eine Fülle von Licht auf
die Stätten des Todes. An der Errichtung des
anspruchslosen aber gefälligen Werkes nahm
Schröders Nachweis zufolge der bekannte Meister
Burkhart Engelberger, dem Augsburg seine Ul-
richskirche verdankt, wenn nicht einen mafs-
gebenden, so sicher hervorragenden Antheil.

Wenden wir uns nunmehr den Grabmonu-
menten des Domkreuzganges zu. Derselbe
diente in seinem westlichen, dem ehemaligen
Hauptchore der Kathedrale zunächstliegenden
Theile als Begräbnifsstätte der Kanoniker (am-
bitus canonicorum), in seinem nördlichen Theile
als solche der Domvikare (ambitus vicariorum);
der östliche Flügel ward zum Begräbnisse von
der Domkirche irgendwie nahestehenden Laien,
Männern und Frauen, vielfach adeligen Herren,
bestimmt (ambitus dominorum). Von den 431
Monumenten, die sich in dem Zeiträume von
1285 bis 1805, von dem Jahre des ältesten bis
zu jenem des jüngsten datirbaren Begräbnisses,
in den drei Hallen angehäuft haben, gehören
zwei dem XIII. Jahrh. an, 55 dem XIV, 93
dem XV, 84 dem XVI., 108 dem XVIL, 82
dem XVIII., 7 dem XIX. Schröder unterzog
sich der mühsamen Arbeit, diese sämmtlichen
Denkmäler nach Standort, Material, idealem
Gehalte und künstlerischem Werthe etc. zu be-
schreiben und Regesten, zuweilen auch den
ganzen Tenor ihrer Inschriften mitzutheilen.
Ein chronologisches und ein Sachregister er-
leichtern den Gebrauch dieser für die Geschichte,
Genealogie und Kunstgeschichte gleich werth-
vollen Arbeit. In einer zusammenfassenden
Schlufsbetrachtung endlich macht uns der Autor
mit seinen archäologischen Beobachtungen, der
wechselnden Stimmung der Stifter, die aus den
Grabmälern zu uns spricht, und den für die
kunstgeschichtliche Forschung aus dem Ganzen
von ihm abgezogenen Resultaten bekannt. Das
Hauptsächlichste davon soll in dem Folgenden
kurz zur Sprache kommen.

Im Unterschiede von anderen ähnlichen An-
lagen, die entweder nur graphischen oder ma-
lerischen und plastischen Schmuck zugleich
aufweisen, bringt der Augsburger Domkreuz-
gang nur Gedenksteine — eine Thatsache, die
um so auffälliger ist, als für Augsburg ein
brauchbares Steinmaterial von keiner Richtung
 
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