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1899.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.
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gefafst, und die vereinzelten, daher fragmentarischen
Motive zu Gesammtwirkungen vereinigt zu haben.
Gewifs merkt man diesen Entwürfen das Studium der
alten Vorbilder an, aber diese erscheinen doch, in-
soweit sie an das Mittelalter anknüpfen, in der Zeich-
nung wie in der Färbung mehrfach abgeschwächt,
was freilich in neuen Bauten viel eher zulässig ist, als
in den ernsten alten Bauwerken, bei denen sich doch
für die Ausmalung der engste Anschlufs an die besten
Originalwerke empfiehlt, die jetzt vielfach wieder ihre
Auferstehung feiern und auch durch gute Nachbil-
dungen zum Gemeingut werden. Eine gröfsere Be-
wegungsfreiheit gestatten die nachmittelalterlichen Stile,
deren Schöpfungen auf dem Gebiete der dekorativen
Malerei um so mehr Beachtung verdienen, als auch
für die Bauwerke dieser Zeit endlich das Bedürfnifs
korrekter Ausstattung sich herausgebildet hat und ge-
rade dafür gute Vorlagen bislang schwer zugänglich
waren. Der Verfasser verdient daher Dank für seine
so mühsam entstandenen und so freundlich gebotenen
Gaben, für deren Fortsetzung der Hinweis auf die
zahlreich gerade in Norddeutschland erhaltenen ein-
fachen aber kräftigen Muster gestattet sein möge,
deren Zusammenstellung zu Dekorationssystemen,
auf welche der Verfasser mit Recht grofsen Werlh
legt, eine sehr dankbare Aufgabe ist. Die kurzen
Erläuterungen, welche sein Kollege Hermann Leisching
den Tafeln 1 bis 3, 4 bis 8, 9 bis 12 beigegeben
hat, enthalten eine Fülle prinzipiell wie praktisch wich-
tiger, zum Theil noch nicht betonter Gesichtspunkte.
___________ O.
Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler
des Grofsherzogthums Mecklenburg-Schwe.
rin, deren I. und II. Band hier (Bd. IX, Sp. 28L f.
und Bd. X, Sp. 392) im Sinne vollster Anerkennung
besprochen wurden, sind um den III. Band gewachsen,
der ihnen wie an Umfang, so an Reichthum der Denk-
mäler und Reife ihrer Beschreibung gleichkommt.
Er umfafst die Amtsgerichtsbezirke Hagenow, Witten-
burg, Boizenburg, Lübthene, Dömitz, Grabow, Ludwigs-
lust, Neustadt, Crivitz, Brüll, Warin, Neubukow,
Kröpelin und Doberan, also zumeist auch kunstge-
schichtlich wenig bekannte Distrikte; aber wie viele
eigenartige, zum grofsen Theile unbekannte Denk-
mäler hat hier die Nachforschung ergeben aus dem
Gebiete der Architektur, Plastik, Malerei, namentlich
auch der Goldschmiedekunst, und wie sorgfältig hat
Schlie sie untersucht, beschrieben, registrirt! Wer
sollte dort oben so viele Grabsteine, Stuhlwangen,
Flügelaltäre, Taufbrunnen, Kelche vermuthen, und so
auserlesene Exemplare, wie die Klapp-Aufsätze in
Grabow, Kröpelin, Neukloster, Neustadt, dieMefskelche
in Ludwigslust und Lichtenhagen, wo zugleich so
merkwürdige Wandgemälde 1 Und wie interessant ist
die Geschichte der Tempziner Präceptorie und die
ganze Anlage und Ausstattung ihrer Kirche ! Die alte
Cisterzienserkirche in Doberan, der Ausgangspunkt für
die Christianisirung des Landes, hat hinsichtlich des
Alters, Reichthums und künstlerischen Werthes ihrer
Ausstattung in Deutschland nicht ihres Gleichen, denn
so vollständig hat eine frühgothische Kirchenausstattung
sich nirgendwo erhalten, in die leider vor wenigen
Jahren die restaurirende Hand mannigfache Verwirrung
gebracht hat. Die textliche und illustrative Beschrei-
bung dieses Juwels, welches für die Architektur, Plastik,
Malerei des XIII. und XIV. Jahrh. die allerkostbarsten
Beiträge liefert, hat Schlie mit einer solchen Hingebung
und Bravour besorgt, dafs wir diesem 130 Se^en um-
fassenden Abschnitt einen besonderen Abdruck wün-
schen möchten für die Architekten und noch vielmehr
für die Bildhauer. Möge dem wackeren Altmeister,
der mit jugendlicher Frische sein grofses Werk be-
treibt, diese noch weiter vergönnt sein zum glorreichen
Abschlüsse desselben! Kchnütgen.
Religiöse Sinnsprüche zu Inschriften auf
Kirchengebäude und kirchliche Gegen-
stände in lateinischer und deutscher Sprache ge-
sammelt von Prof. Dr. Andreas Schmid. Mit
42 Abbildungen. Kempten 1899. Verlag von Kösel.
(Preis 3 Mk.)
Der um die praktische Förderung der kirchlichen
Kunst durch mündliche Unterweisung und schriftliche
Belehrung hochverdiente Verfasser hat mit diesem Büch-
lein wiederum einen vortrefflichen Wurf gethan, denn
gerade eine solche Sammlung fehlte, und dieses Fehlen
bereitete im weitesten Umfange mannigfache Verlegen-
heiten. Nur langsam konnte sie heranreifen und bei
unaufhörlicher, weiser Pflege die Vollständigkeit und
Zuverlässigkeit, daher die Brauchbarkeit gewinnen, die
sie auszeichnen. — Nach einer kurzen, aber sehr zu-
treffenden Einleitung über die Bedeutung der kirch-
lichen Inschriften und die Eigenschaften, die sie be-
sitzen müssen, werden in 6 Abschnitten, auf die sich
176 Paragraphen vertheilen, Sinnsprüche für Bautheile,
Bilder, Kirchengefäfse, Kirchengeräthe, Kirchenpara-
mente, sowie für allgemeine Zwecke angeführt. Die
meisten sind der hl. Schrift entlehnt, viele den Kirchen-
vätern und sonstigen Kirchenschriftstellern, manche
dem wirklichen Gebrauche, und gerade die letzteren
mögen wegen ihrer öfters geistreichen, nicht selten
metrischen Formulirung besonderes Interesse erregen.
Auf diesem Gebiete gilt, wie auf dem verwandten der
kirchlichen Ikonographie, dafs man in den altbewährten
Fufsstapfen am sichersten wandelt. Aus der dankbaren
Gemeinde, die dem Verfasser sicher ist, wird ihm
hoffentlich noch manch' brauchbarer Zuwachs entgegen-
reifen. Schniiteen.
Wenig bekannte alte Malereien in Belgien.
Sammlung ausgesucht und beschrieben durch
P. Wytsman in Brüssel. I. Lieferung, 10 Tafeln.
(Preis 8 Mk.)
Diese zugleich in französischer und englischer
Sprache erscheinende Veröffentlichung führt sich mit
der gewifs von allen Interessenten unangenehm em-
pfundenen Thatsache ein, dafs von den grofsen Malern
der früheren Jahrhunderle nur die allerbekanntesten,
weil ganz allgemein zugänglichen Gemälde ordentlich
reproduzirt sind, daher in den Abhandlungen Über
die betreffenden Künstler bis zur Ermüdung wieder-
kehren, während von den meisten in Klöstern,
Schlössern, Rathhäusern, Privatsammlungen befind-
lichen Bildern keine oder nur unzulängliche Abbil-
dungen vorliegen. Diesem ganz unverkennbaren
Mangel will der Verfasser, der sich bereits durch
mehrere Illustrationswerke, namentlich durch „Interieurs