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1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
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folge an, dafs Herzog Ismael nicht nur den
Auftrag zur Anfertigung des Bamberger Mantels,
sondern auch den Entwurf zu den sinnreich
geordneten Bildern festgestellt habe, die den-
selben schmücken, so fände alles auf's beste
seine Erklärung."
So Bock, und einmal auf diesem Wege, findet
er es nicht zu schwierig, Jahr und Tag und
Gelegenheit aufzuweisen, bei welcher das Ge-
schenk dem Kaiser vom Herzog von Apulien
zum Gebrauch übergeben worden sei. Ent-
weder geschah es vor der römischen Krönung
im Jahre 1014 oder in den Jahren 1017 bis 1019,
„als nach den Berichten gleichzeitiger Schrift-
steller sein Ansehen und seine Macht den
Höhepunkt erreicht und er fast sämmtliche
Städte Apuliens siegreich in Besitz genommen
halte". An dieser Argumentation ist zu wider-
legen nichts. Die Inschrift weifs trotz allem
nichts vom Herzog von Apulien. Was sie von
ihrem Ismael Thatsächliches berichtet, ist in der
Bemerkung QVI HOC ORDINAVIT enthal-
ten. Das ist etwas, was um so schärfer gefafst
werden mufs, als es allein steht. Der Ordner,
d. h. Anordner, des Mantelschmucks, der Bilder
wie der Inschriften, und unter den Bildern so-
wohl der sakralen wie der profanen, ist dieser
Ismael gewesen. Mit einem Worte, auf ihn
geht die Vorlagezeichnung dieses Gewebes
zurück. Er wird ein Musterzeichner des sara-
zenischen Gewandhauses gewesen sein, von
welchem Bock oben spricht.6) Der Name ist
einer der gewöhnlichsten Sarazenennamen. Ver-
messen wäre es, unter den bekannten Trägern
dieses Namens in jener Zeit Umschau zu halten,
um zu wählen. „Wer diesen Namen in den
Fasten sucht, verdient ihn darin zu finden."
Im Uebrigen war der Mantel wie er ist nie ein
Krönungsmantel, sondern ein Mefskleid (S. 323).
VI.
Wir werfen die Frage auf, ob eine solche
Sterndekoration eines gottgeweihten Gewandes
hier zum ersten Mal geschaffen wurde oder
nicht. Christliche Denkmäler dieser Art wird
es wohl geben, obwohl ich genau entsprechende
nicht kenne. Das apokalyptische Bild von der
6) Die Vermuthung, die Stickerin sei eine grie-
chische Nonne vom Orden des hl. Basilius in Apulien
gewesen (Murr S. 105), kann mit der Wahrnehmung,
dais in Frauenklöstern auch gestickt wurde, allein
doch wohl nicht begründet erscheinen.
Jungfrau Maria, die den Mond unter den Füfsen,
auf dem Haupte eine Krone von zwölf Ster-
nen hat (die Thierkreiszeichen) und mit der
Sonne bekleidet ist, mag ein Phantasiebild sein
{Apoc. i2, i). Kaiser Otto III. besafs einen mit
der Apokalypse geschmückten Mantel {»Ada
Sanctoritm«. 1. c. p. 782;. Auch das ist wesent-
lich anders.
Antikheidnische Denkmäler indessen sind
mir bekannt, und zwar zwei Gruppen.7) Die
pompeianische Venus trägt ein blaues, mit
goldfarbenen Sternen besetztes Kleid (Heibig
»Wandgemälde der verschütteten Städte Cam-
7) Die mittelalterliche Legendenlilteratur erzählte
schon zur Zeit Kaiser Heinrichs II. den frommen Rom-
pilgern von einem wunderbaren Sternentempel, welchen
im III. Jahrh. der hl. Sebastian vernichtet habe. Mirab.
urbis R'omae Cap. 28 p. 27 P.: Templum, quod dice-
batur holovitreum, totum factum ex cristallo et auro
per artem magicam, tibi erat astronomia cum omni-
bus signis celi, quod destruxit S. Sebastianus cum
Tiburtiofilio Chromatii. Der Tempel sei adS. Stepha-
num gelegen gewesen. Dieses alles geht zurück auf
die Stephanuslegende "Acta Sanctoritm* 20. Jan. (II.
no. 54, p. 273 sq. Boll.). Chromatius sagt dort zu
Stephanus und seinen Anhängern: Habeo cubiculum
holovitreum, in quo omnis disciplina stellarum de
mathesis mechanica est arte construeta, in cuius
fabrica pater mens Tarquinius amplius quam ducenta
pondo auri dignoscitur expendisse. Cui S. Sebastianus
dixit: si hoc tu integrum habere volueris, te ipsum
frangis etc. Dieser Tempel ist also zu streichen. Das
Schlafgemach aber hat seine Parallele im Cubiculum
der Adele vonBlois (iComm.* p. 609). Dieses wieder,
um ist dichterische Fiction. Es muls jedem überlassen
bleiben, ob er das sterngeschmückte Schlafgemach des
Heiden für geschichtlich oder legendarisch halten
mag. Endlich erinnere ich an * Mirab.* Cap. 29, wo
über das Colosseum folgendes mitgetheilt wird: Co-
losseum fuit templum Solis mirae magnitudinis et
pulchritudinis diversis cameruiis adaptalum. Quod
totum erat coopertum aereo caelo et deaurato; ubi
tonitrua fulgura et coruscationes fiebant et per sub
tiles fistulas pluviae mittebantur. Erant praeterea
ibi signa supercaelestia et planetae Sol et Luna, quae
quadrigiis propriis ducebantur. In medio vero Phoe-
bus, hoc est deus Solis, manebat. Qui pedes tenens
in terram cum capite caelum tangebat, qui pallam
tenebat in manu innuens, quod Roma totum mundum
regebat. Es war dies ein velum, wie sie Plinius Nat.
hist. XIX, 24 beschreibt: vela nuper et colore caeli
stellata per rudentes stetere etiam in aviphitheatris
Neronis. Statuarische Nachbildungen der Gestim-
personificationen entfernte Justinian aus der Sophien-
kirche in Konstantinopel, solche von dem ömätxa-
l^mtSlov, der Selene Aphrodite Arkturos und dem süd-
lichen Pol, vgl. Georgios Kodinos De signis Con-
stantinopolitanis {Script, hist. Bys. ed. Niebuhr) p. 64.
sq. (zu verbessern durch dasselbe Excerpt in De ori-
ginibus Const. ib. p. 16 sq.).
1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
372
folge an, dafs Herzog Ismael nicht nur den
Auftrag zur Anfertigung des Bamberger Mantels,
sondern auch den Entwurf zu den sinnreich
geordneten Bildern festgestellt habe, die den-
selben schmücken, so fände alles auf's beste
seine Erklärung."
So Bock, und einmal auf diesem Wege, findet
er es nicht zu schwierig, Jahr und Tag und
Gelegenheit aufzuweisen, bei welcher das Ge-
schenk dem Kaiser vom Herzog von Apulien
zum Gebrauch übergeben worden sei. Ent-
weder geschah es vor der römischen Krönung
im Jahre 1014 oder in den Jahren 1017 bis 1019,
„als nach den Berichten gleichzeitiger Schrift-
steller sein Ansehen und seine Macht den
Höhepunkt erreicht und er fast sämmtliche
Städte Apuliens siegreich in Besitz genommen
halte". An dieser Argumentation ist zu wider-
legen nichts. Die Inschrift weifs trotz allem
nichts vom Herzog von Apulien. Was sie von
ihrem Ismael Thatsächliches berichtet, ist in der
Bemerkung QVI HOC ORDINAVIT enthal-
ten. Das ist etwas, was um so schärfer gefafst
werden mufs, als es allein steht. Der Ordner,
d. h. Anordner, des Mantelschmucks, der Bilder
wie der Inschriften, und unter den Bildern so-
wohl der sakralen wie der profanen, ist dieser
Ismael gewesen. Mit einem Worte, auf ihn
geht die Vorlagezeichnung dieses Gewebes
zurück. Er wird ein Musterzeichner des sara-
zenischen Gewandhauses gewesen sein, von
welchem Bock oben spricht.6) Der Name ist
einer der gewöhnlichsten Sarazenennamen. Ver-
messen wäre es, unter den bekannten Trägern
dieses Namens in jener Zeit Umschau zu halten,
um zu wählen. „Wer diesen Namen in den
Fasten sucht, verdient ihn darin zu finden."
Im Uebrigen war der Mantel wie er ist nie ein
Krönungsmantel, sondern ein Mefskleid (S. 323).
VI.
Wir werfen die Frage auf, ob eine solche
Sterndekoration eines gottgeweihten Gewandes
hier zum ersten Mal geschaffen wurde oder
nicht. Christliche Denkmäler dieser Art wird
es wohl geben, obwohl ich genau entsprechende
nicht kenne. Das apokalyptische Bild von der
6) Die Vermuthung, die Stickerin sei eine grie-
chische Nonne vom Orden des hl. Basilius in Apulien
gewesen (Murr S. 105), kann mit der Wahrnehmung,
dais in Frauenklöstern auch gestickt wurde, allein
doch wohl nicht begründet erscheinen.
Jungfrau Maria, die den Mond unter den Füfsen,
auf dem Haupte eine Krone von zwölf Ster-
nen hat (die Thierkreiszeichen) und mit der
Sonne bekleidet ist, mag ein Phantasiebild sein
{Apoc. i2, i). Kaiser Otto III. besafs einen mit
der Apokalypse geschmückten Mantel {»Ada
Sanctoritm«. 1. c. p. 782;. Auch das ist wesent-
lich anders.
Antikheidnische Denkmäler indessen sind
mir bekannt, und zwar zwei Gruppen.7) Die
pompeianische Venus trägt ein blaues, mit
goldfarbenen Sternen besetztes Kleid (Heibig
»Wandgemälde der verschütteten Städte Cam-
7) Die mittelalterliche Legendenlilteratur erzählte
schon zur Zeit Kaiser Heinrichs II. den frommen Rom-
pilgern von einem wunderbaren Sternentempel, welchen
im III. Jahrh. der hl. Sebastian vernichtet habe. Mirab.
urbis R'omae Cap. 28 p. 27 P.: Templum, quod dice-
batur holovitreum, totum factum ex cristallo et auro
per artem magicam, tibi erat astronomia cum omni-
bus signis celi, quod destruxit S. Sebastianus cum
Tiburtiofilio Chromatii. Der Tempel sei adS. Stepha-
num gelegen gewesen. Dieses alles geht zurück auf
die Stephanuslegende "Acta Sanctoritm* 20. Jan. (II.
no. 54, p. 273 sq. Boll.). Chromatius sagt dort zu
Stephanus und seinen Anhängern: Habeo cubiculum
holovitreum, in quo omnis disciplina stellarum de
mathesis mechanica est arte construeta, in cuius
fabrica pater mens Tarquinius amplius quam ducenta
pondo auri dignoscitur expendisse. Cui S. Sebastianus
dixit: si hoc tu integrum habere volueris, te ipsum
frangis etc. Dieser Tempel ist also zu streichen. Das
Schlafgemach aber hat seine Parallele im Cubiculum
der Adele vonBlois (iComm.* p. 609). Dieses wieder,
um ist dichterische Fiction. Es muls jedem überlassen
bleiben, ob er das sterngeschmückte Schlafgemach des
Heiden für geschichtlich oder legendarisch halten
mag. Endlich erinnere ich an * Mirab.* Cap. 29, wo
über das Colosseum folgendes mitgetheilt wird: Co-
losseum fuit templum Solis mirae magnitudinis et
pulchritudinis diversis cameruiis adaptalum. Quod
totum erat coopertum aereo caelo et deaurato; ubi
tonitrua fulgura et coruscationes fiebant et per sub
tiles fistulas pluviae mittebantur. Erant praeterea
ibi signa supercaelestia et planetae Sol et Luna, quae
quadrigiis propriis ducebantur. In medio vero Phoe-
bus, hoc est deus Solis, manebat. Qui pedes tenens
in terram cum capite caelum tangebat, qui pallam
tenebat in manu innuens, quod Roma totum mundum
regebat. Es war dies ein velum, wie sie Plinius Nat.
hist. XIX, 24 beschreibt: vela nuper et colore caeli
stellata per rudentes stetere etiam in aviphitheatris
Neronis. Statuarische Nachbildungen der Gestim-
personificationen entfernte Justinian aus der Sophien-
kirche in Konstantinopel, solche von dem ömätxa-
l^mtSlov, der Selene Aphrodite Arkturos und dem süd-
lichen Pol, vgl. Georgios Kodinos De signis Con-
stantinopolitanis {Script, hist. Bys. ed. Niebuhr) p. 64.
sq. (zu verbessern durch dasselbe Excerpt in De ori-
ginibus Const. ib. p. 16 sq.).