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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Braun, Joseph: Die sogen. Dalmatik des hl. Lambertus in der Liebfrauenkirche zu Maestricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0241

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379

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 12.

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rissen, das sich nun wohl in irgend einem Mu-
seum befinden wird.

Der Stoff, aus welchem die Tunika gemacht
ist, besteht aus einem ungemein leichten und
duftigen Gewebe von nicht gewöhnlicher Muste-
rung und Technik. Irrig bezeichnen ihn Bock
und Willemsen als Byssus. Eine Untersuchung,
die ich anstellte, liefs das Zeug als weifse
durch das Alter grau gewordene Seide er-
kennen. Ein Futter hat das Gewand nicht.

Das Hauptmotiv der Musterung bilden phan-
tastisch stilisirte Blätter, welche paarweise unter
einem rechten Winkel zusammengestellt sind.
Der Grund zwischen diesem Blattwerk ist mit
kleinen über Eck stehenden Quadraten gefüllt,
in deren Mitte ein Punkt angebracht ist.

Bock und Willemsen bemerken bezüglich
des Dessin: L'dtoffe est orne"e de feuillage,
comme on ne le trouve plus dans aucun orne-
ment religieux de l'Occident. Les figures qua-
drangulaires, qui la decorent, rappellent les „pal-
lia", dont Anastase le Bibliothecaire parle si sou-
vent. Dafs wirklich die Musterung ganz verein-
zelt dasteht, kann ich, soweit meine Beobachtun-
gen reichen, nur bestätigen. Es ist mir bisher
weder gelungen ein Gegenstück zum Dessin
des Gewandes, noch zum wenigsten ein ver-
wandtes Motiv zu finden.2} Dagegen ist es mir
unerfindlich, wie Bock und Willemsen in der
Musterung eine Beziehung zu den „pallia" er-
blicken können, von denen im Liber Ponti-
ficalis die Rede ist. Soll etwa unser Gewebe
eines jener Zeuge darstellen, welche im Papst-
buch als quadrapola bezeichnet worden? Durch-
aus unstatthaft scheint es mir aber, wenn Bock
und Willemsen unter der allgemeinen Berufung
auf die „pallia" des Liber Pontificalis in der
Musterung der Tunika einen Anhalt für die Be-
stimmung des Alters des Gewandes bezw. eine
Bestätigung der Maestricher Tradition zu finden
glauben, welche die Tunika auf den hl. Lam-
bertus zurückführt.

Eine Ausstattung durch aufgesetzte Streifen
oder sonstige Besätze fehlt dem Gewände voll-
ständig. Das Zierstück, welches sich auf der

2) Ein allerdings sehr entfernter Anklang an die
Füllung des Dessingrundes des Maestricher Gewandes
findet sich auf einer der sogen. Heinrichsdahnatiken in der
Alten Kapelle zu Regensburg. Auf den Streifen, mit
denen dieselbe gemustert ist, sieht man u. A. einen
Halbmond auf quadrirtem Fond. Das Gewand stammt
laut eingewebter Inschrift aus der zweiten Hälfte des
XII. Jahrh. und ist sizilianischer Provenienz.

Brust unter dem Kopfdurchlafs, und zwar nur
hier, befindet, ist dem Stoff der Tunika weder
ein- noch aufgenäht, sondern eingewebt, ein
Beweis, dafs derselbe eigens für dieses Ge-
wand verfertigt worden ist. Eine besondere
Beachtung verlangt der Umstand, dafs der Weber
in dem Zierstück zugleich mit der demselben
eigenen Musterung auch das Dessin des übri-
gen Stoffes beibehalten hat. Er hat das da-
durch ermöglicht, dafs er für letzteres eine
dichtere Bindung wählte, als für ersteres. Die
Geschicklichkeit, mit der er das gethan, und
die technische Vollendung, die sich hierin aus-
spricht, verdienen unsere Bewunderung.

Eigenartig wie die Musterung ist die Technik
des Gewebes. Dekomponirt man dasselbe, so
ergibt sich, dafs der lockere, durchsichtige Fond
des Dessin durch eine Art von Gazebindung
hergestellt ist, bei der allemal drei nebenein-
anderliegende Kettenfäden zusammengezogen
und um einander geschlungen wurden. Dagegen
ist zur Erzielung des Dessin selber Taffet-
bindung angewandt worden, und zwar setzt
sich die Kette dabei fast überall aus zwei Fäden
zusammen. Einzeln hat man die Kettenfäden
durch den Einschufsfaden nur da gebunden,
wo man ein ganz dichtes und festes Gewebe
erreichen wollte, in der Seifkante des Zeuges
und in einzelnen Partien des unterhalb des
Kopfdurchschlupfs befindlichen Zierstückes.
Wie man sieht, verräth der Stoff eine hohe
Entwicklung der Webetechnik. Auf Regel-
mäfsigkeit und Sauberkeit der Musterung hat
der Weber freilich nicht sonderlich gesehen.
Es sind weder die Blätter einander völlig gleich,
noch stehen sie in gleichem Abstand von ein-
ander. Das theilt indessen der Stoff mit so
vielen anderen des Mittelalters. Auf Symmetrie
und Kongruenz waren die alten Weber keines-
wegs so versessen, wie man es heutzutage ist,
nicht gerade zu Ungunsten der Wirkung des
Stoffes, dessen Musterung auf diese Weise
eine gewisse Freiheit und einen wohlthuenden
Wechsel erhielt. Freilich brachten auch die im
Vergleich mit den heutigen so mangelhaften
alten Webeeinrichtungen nothwendig manche
dieser Unregelmäfsigkeiten mit sich, die man
heute als Fehler bezeichnen würde.

Welchem Zweck hat aber das Gewand ge-
dient und wie alt ist es? Bock und Willemsen
geben es unter Hinweis auf eine Maestrichter
Ueberlieferung als Dalmatik des hl. Lambertus
 
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