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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Bildhunger, Bilderscheu
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0419

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INNEN-DEKORATION

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oeyer-raack »wohnraum., möbel: weisse eiche, glasplatten, schweinsledergurten und-bezüge

BILDHUNGER - BILDERSCHEU

Es gab Zeiten eines unermeßlichen Bildhungers.
Italienische Palazzi der Spätrenaissance bezeugen
es: In großen Sälen reihte man Bild an Bild, Bild
über Bild, als ob die Bewohner aus ihnen einen Zu-
stand von Schautrunkenheit hätten schöpfen wollen.

Es gibt auch das Gegenteil: Zeiten der Bilderüber-
sättigung, der Bilderscheu, der Bilderstürmerei. Die
Bildübersättigung und Bilderscheu finden wir z. B.
in der Zeit vor der Französischen Revolution, wo man
vielfach aus überentwickeltem Qualitätsgefühl oder
aus einem Bedürfnis nach Augenruhe heraus, Wände
mit blankem Stucco lustro oder architektonisch ge-
teilte, von plastischem Stuck bedeckte Wände der
Belebung des Raumes durch Bilder vorzog. Bilder-
stürmerei erscheint in Zeiten des Weltanschauungs-
wechsels, wie in Florenz zu Savonarolas Zeiten, oder
in der Reformationszeit, oder in der Französischen
Revolution, Bilderscheu immer nach großen Um-
wälzungen und kriegerischen Erschütterungen, wie
in der Biedermeierzeit, wo nach den vielen Leiden,
die die napoleonischen Kriege gebracht hatten, die
Üppigkeit und Sinnlichkeit der alten Malerei den
Seelen fremd und unerträglich geworden war. Solche

Zeiten währen freilich nie lange, denn schon bald
haben sie die ihnen homogene Kunst gezeitigt und
die Wände füllen sich wieder.



Seit einigen Jahrzehnten leben wir wieder in einer
Zeit der Bilderscheu oder der Bilderübersättigung.
Die neue Raumkunst hat in Verbindung mit der
Technik einen neuen Typus des Heims geschaffen,
der ganz auf Hygiene und Ruhe eingestellt erscheint,
denn laut und voller Eindrücke ist das Leben ge-
worden, wie es noch nicht war, zudem sättigt es auf
bisher nicht gekannten Wegen und Umwegen das
Bildbedürfnis. Die Vervielfältigungskünste leisten
Wunder, die öffentlichen Bilder-Sammlungen sind
jedermann zugänglich, der schnelle Verkehr ermög-
licht es, daß sich die Hirne wie noch nie mit An-
schauungen füllen!



Feine Geister haben von der Hochkultur der Japaner
gelernt, die ihre Rollbilder, Wunderwerke höchster
Pinseltechnik, Meisterwerke innigster Naturfrömmig-
keit, nur an Festtagen aus den Lackschreinen holen,
um eines davon in der Bildernische aufzuhängen, k.v.h.
 
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