INNEN-DEKO RATION
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I
ATELIERRAUM IM HAUS AM ATTERSEE SCHRANKWÄNDE: HELLES ESCHENHOLZ
HAUS AM WALD!
ch habe kein eignes Haus, aber ich habe viele Bau- gen Pfade. Ich brauche seine Einsamkeit, seine Tal-
plätze, wo ich mir einmal ein Haus hinstellen wer- gründe und Felshöhen, seine Erdbeeren und Heidei-
de. Im Grundbuch ist dieser Besitz an Bauplätzen beeren und vieles andre mehr. (Bei einer Sache wie
nicht eingetragen, aber das ist auch der einzige Man- dem Wald fällt einem wieder ein, daß man die wert-
gel, den sie haben; sie sind alle wunderbar! Einmal, vollsten Dinge auf Erden eben doch unentgeltlich
wenn das Gold des Abendrots in Banken eingezahlt hat . . .) - Ich brauche den Wald z. B. als Schlaf-
werden kann, wird der Grundstein meines Hauses mittel! Ohne Zweifel schläft es sich besser in einem
gelegt werden. Einmal, wenn sich die Steine wieder Haus, das Bäume in der Nähe hat. Sie atmen förm-
von selbst nach einem Lied zusammenfügen oder lieh greifbar Geduld und Kühle in die Schlafstuben
wenn eine Arbeitsgruppe von Waldwichteln in meine hinein. Schlaf rieselt aus ihren Zweigen und füllt
Dienste tritt, wird es gebaut werden. Welcher meiner ringsum die Luft. Schlaf blickt dunkel aus den
vielen Bauplätze es tragen wird, steht noch nicht Schattenhöhlen im Laub und verführt zur Einkehr
fest. Aber daß ein Wald ganz nahe an das Haus in das innere Glück. Ihr leises Rauschen ist das
herangreifen wird, ist schon längst ausgemacht. Einen unübertrefflichste Schlummerlied, das je gedichtet
Schuhschrank mit Entlüftung braucht das Haus nicht wurde; und wenn gar zur Nacht ein Regen durch
unbedingt zu haben; auch keine elektrischen Fenster- die Blätter flüstert - was gibt es Beglückenderes,
Öffner, keinen Heizungsanlasser, den man vom Bett als vom warmen Bett her dem sanften vollen Ton zu
aus bedienen kann; auch keinen Geldschrank mit lauschen und sich von ihm einwiegen zu lassen? -
Innenbeleuchtung, weil ich meine Barschaft nie gern Dann der Wald als Bild und Anblick, vielleicht über
bei Licht betrachtet habe. Selbst in bezug auf den eine Wiese oder einen See hinweg! Was ist das
Lautsprecher im Auto bin ich noch zweifelhaft; ein wert zur Stillung des inneren Lebens, zur Regelung
Dichter muß bescheiden sein. Aber auf den Wald des Gedankengangs! Sein Bild hat nichts, was
denke ich unter keinen Umständen zu verzichten. Ich zerstreut oder »interessiert«, aber auch nichts Totes,
brauche den Wald. Ich brauche sein Dunkel, seine Stumpfes, sondern lauter dichtes Leben in stillen Ge-
Kühle, sein dichtgedrängtes Leben. Ich brauche sei- stalten, in wiegenden, schwungvollen Formen. Es
nen Bodengeruch, sein Rauschen, seine sanften, klu- schläft sich nicht nur besser in Waldnachbarschaft,
1936. IX. 2
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ATELIERRAUM IM HAUS AM ATTERSEE SCHRANKWÄNDE: HELLES ESCHENHOLZ
HAUS AM WALD!
ch habe kein eignes Haus, aber ich habe viele Bau- gen Pfade. Ich brauche seine Einsamkeit, seine Tal-
plätze, wo ich mir einmal ein Haus hinstellen wer- gründe und Felshöhen, seine Erdbeeren und Heidei-
de. Im Grundbuch ist dieser Besitz an Bauplätzen beeren und vieles andre mehr. (Bei einer Sache wie
nicht eingetragen, aber das ist auch der einzige Man- dem Wald fällt einem wieder ein, daß man die wert-
gel, den sie haben; sie sind alle wunderbar! Einmal, vollsten Dinge auf Erden eben doch unentgeltlich
wenn das Gold des Abendrots in Banken eingezahlt hat . . .) - Ich brauche den Wald z. B. als Schlaf-
werden kann, wird der Grundstein meines Hauses mittel! Ohne Zweifel schläft es sich besser in einem
gelegt werden. Einmal, wenn sich die Steine wieder Haus, das Bäume in der Nähe hat. Sie atmen förm-
von selbst nach einem Lied zusammenfügen oder lieh greifbar Geduld und Kühle in die Schlafstuben
wenn eine Arbeitsgruppe von Waldwichteln in meine hinein. Schlaf rieselt aus ihren Zweigen und füllt
Dienste tritt, wird es gebaut werden. Welcher meiner ringsum die Luft. Schlaf blickt dunkel aus den
vielen Bauplätze es tragen wird, steht noch nicht Schattenhöhlen im Laub und verführt zur Einkehr
fest. Aber daß ein Wald ganz nahe an das Haus in das innere Glück. Ihr leises Rauschen ist das
herangreifen wird, ist schon längst ausgemacht. Einen unübertrefflichste Schlummerlied, das je gedichtet
Schuhschrank mit Entlüftung braucht das Haus nicht wurde; und wenn gar zur Nacht ein Regen durch
unbedingt zu haben; auch keine elektrischen Fenster- die Blätter flüstert - was gibt es Beglückenderes,
Öffner, keinen Heizungsanlasser, den man vom Bett als vom warmen Bett her dem sanften vollen Ton zu
aus bedienen kann; auch keinen Geldschrank mit lauschen und sich von ihm einwiegen zu lassen? -
Innenbeleuchtung, weil ich meine Barschaft nie gern Dann der Wald als Bild und Anblick, vielleicht über
bei Licht betrachtet habe. Selbst in bezug auf den eine Wiese oder einen See hinweg! Was ist das
Lautsprecher im Auto bin ich noch zweifelhaft; ein wert zur Stillung des inneren Lebens, zur Regelung
Dichter muß bescheiden sein. Aber auf den Wald des Gedankengangs! Sein Bild hat nichts, was
denke ich unter keinen Umständen zu verzichten. Ich zerstreut oder »interessiert«, aber auch nichts Totes,
brauche den Wald. Ich brauche sein Dunkel, seine Stumpfes, sondern lauter dichtes Leben in stillen Ge-
Kühle, sein dichtgedrängtes Leben. Ich brauche sei- stalten, in wiegenden, schwungvollen Formen. Es
nen Bodengeruch, sein Rauschen, seine sanften, klu- schläft sich nicht nur besser in Waldnachbarschaft,
1936. IX. 2