Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0116
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Michel, Wilhelm: Einiges über Kunst und Kunstgebilde
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INNEN-DEKO RATION
I
PROF.FRITZ AUGUST BREUHAUS DER HAUSEINGANO VON LILLE 0
EINIGES ÜBER KUNST UND KUNSTGEBILDE
m Kernpunkt der Kunstwirkung sitzt, psycholo- blühten »Sinn« gegenübersteht. Die »Bedeutung« er-
gisch gesprochen, eine Wirkung der Entnüchte- hält das Übergewicht über die Einzelheiten. Die
rung. Sie kann sich steigern bis zur Bezauberung, Schau verzaubert sich, der Mensch fühlt sich mit
sie kann sich in bescheideneren Grenzen halten und wachen Sinnen von der festen Erde der Alltäglichkeit
nur als eine leichte, angenehme Beschwingung des fortgenommen auf die Wogen des Phantasiestromes;
Empfindens spürbar werden. Aber überall, wo echte er wird Bürger einer schwungvolleren, geistatmenden
Kunstkräfte wirken, im Wohnraum und Bauwerk so Welt. - Man braucht dabei, wie gesagt, nicht nur an
gut wie im Gemälde oder in der Theateraufführung, die hohe Kunst zu denken. Schon wenn uns im
geschieht ein Herausholen des Menschen aus der Wohnraum eine Szenerie anredet, anlacht, fängt
Nüchternheit. Holz und Stein werden aufgeboten, diese Wirkung an. Was ist ein Möbel für ein trocke-
Farbpasten, Kulissen aus Pappe und Leinwand — nes, klapperndes, »hölzernes« Ding! Aber wenn Möbel
trockene, dingliche Einzelheiten ohne Schwung und und Möbel so zusammenstehen, daß mir mein Auge
Glanz, tote Sachen; und mitten aus ihnen hebt sich nicht mehr ledern vorzählt: Tisch, Stuhl, Sessel, Tee-
unter dem Anhauch der Kunst ein Atmen und Leuch- wagen, sondern mir das fröhliche Empfinden bringt:
ten. Ein »Sinn« steht auf, ein magischer Zusammen- Stilles Behagen, freundlich entspanntes Dasein, hei-
hang, der den Dingbestand in seiner Geltung total tere Traum-und Dämmerstunde - dann hat jene Ent-
verändert und die toten Sachen zu Trägern eines nüchterung schon eingesetzt. Wenn der Kamin sich
Lebens aus Fleisch und Blut macht. Der entnüchternde so von der Wand hebt, wenn er sich mit einem Bild,
Zauber der Kunst besteht darin, daß der Mensch nicht einer Büchernische, mit einem Tisch samt Lehn-
mehr den Sachen, sondern dem aus ihnen aufge- Stühlen und Hockern so verbindet, daß er nicht mehr
INNEN-DEKO RATION
I
PROF.FRITZ AUGUST BREUHAUS DER HAUSEINGANO VON LILLE 0
EINIGES ÜBER KUNST UND KUNSTGEBILDE
m Kernpunkt der Kunstwirkung sitzt, psycholo- blühten »Sinn« gegenübersteht. Die »Bedeutung« er-
gisch gesprochen, eine Wirkung der Entnüchte- hält das Übergewicht über die Einzelheiten. Die
rung. Sie kann sich steigern bis zur Bezauberung, Schau verzaubert sich, der Mensch fühlt sich mit
sie kann sich in bescheideneren Grenzen halten und wachen Sinnen von der festen Erde der Alltäglichkeit
nur als eine leichte, angenehme Beschwingung des fortgenommen auf die Wogen des Phantasiestromes;
Empfindens spürbar werden. Aber überall, wo echte er wird Bürger einer schwungvolleren, geistatmenden
Kunstkräfte wirken, im Wohnraum und Bauwerk so Welt. - Man braucht dabei, wie gesagt, nicht nur an
gut wie im Gemälde oder in der Theateraufführung, die hohe Kunst zu denken. Schon wenn uns im
geschieht ein Herausholen des Menschen aus der Wohnraum eine Szenerie anredet, anlacht, fängt
Nüchternheit. Holz und Stein werden aufgeboten, diese Wirkung an. Was ist ein Möbel für ein trocke-
Farbpasten, Kulissen aus Pappe und Leinwand — nes, klapperndes, »hölzernes« Ding! Aber wenn Möbel
trockene, dingliche Einzelheiten ohne Schwung und und Möbel so zusammenstehen, daß mir mein Auge
Glanz, tote Sachen; und mitten aus ihnen hebt sich nicht mehr ledern vorzählt: Tisch, Stuhl, Sessel, Tee-
unter dem Anhauch der Kunst ein Atmen und Leuch- wagen, sondern mir das fröhliche Empfinden bringt:
ten. Ein »Sinn« steht auf, ein magischer Zusammen- Stilles Behagen, freundlich entspanntes Dasein, hei-
hang, der den Dingbestand in seiner Geltung total tere Traum-und Dämmerstunde - dann hat jene Ent-
verändert und die toten Sachen zu Trägern eines nüchterung schon eingesetzt. Wenn der Kamin sich
Lebens aus Fleisch und Blut macht. Der entnüchternde so von der Wand hebt, wenn er sich mit einem Bild,
Zauber der Kunst besteht darin, daß der Mensch nicht einer Büchernische, mit einem Tisch samt Lehn-
mehr den Sachen, sondern dem aus ihnen aufge- Stühlen und Hockern so verbindet, daß er nicht mehr