Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0187
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Reschovsky, Edwin: Licht und Raum
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LICHT UND RAUM
Unsere Zeit liebt helle Räume und an den Wänden
lichte Farben. Sie fügt unmittelbar Fenster an
Fenster zu breit gelagerten Flächen, durch die sich der
Raum der strahlenden Helle des Lichtes öffnet. Und
wie der Raum, so erscheint auch die Seele des Men-
schen heute dem Lichte zugewendet und erschlossen.
Nicht immer war es so. Es gab große Epochen, in
denen die Seele nicht das helle Tageslicht, sondern
das Dämmerlicht suchte und sich in diesem zu wun-
derbarer, dem Boden der Innerlichkeit entsprossener
Blüte entfaltete. Im Halbdunkel des durch farbiges
Glas gedämpften Lichtes seiner Dome, das mit dem
Schleier des Geheimnisvollen alles Irdische umfängt,
lebte die Seele des mittelalterlichen Menschen. Und
»das liebe Himmelslicht, das trüb durch gemalte Schei-
ben bricht«, es war das Licht, das mit seinem milden
Schimmer nicht nur Faustens Studierstube, sondern
auch die Wohn- und Ratsstuben jener Zeit erhellte.
Aber die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissen-
schaft, die großen Entdeckungen eines Kopernikus,
Galilei und Newton entwanden dem Dunklen, Geheim-
nisvollen Schleier um Schleier. Nicht mehr im Däm-
merlichte mittelalterlicher Mystik, sondern im klaren
Lichte wissenschaftlicher Forschung wurde die Wahr-
heit gesucht, und nun beginnt die Seele des abend-
ländischen Menschen sich immer mehr dem ungebro-
chenen Tageslicht zuzuwenden, wie eine in dunklem
Raum gehaltene Pflanze sich dem aus einer Öffnung
in das Dunkel dringenden Lichtstrahl zukehrt.
Schon in der Zeit der Renaissance beginnen sowohl
Kircheninneres wie Wohnraum heller zu werden, und
in der Barockzeit dringt das Licht bereits sieghaft aus
hohen, breiten, hell verglasten Fenstern in den Raum.
Aller Glanz, alle Schönheit des Raumes erscheint nun
aus dem Lichte geboren; es spiegelt sich in den ge-
schweiften Flächen des furnierten Möbels, es erglänzt
in den Reflexen seiner Messingbeschläge, es funkelt
aus tausenden geschliffenen Facetten des Kristall-
und Spiegelglases.
Aber erst die Aufklärungszeit bringt das Licht zu
seiner höchsten Wirkung im Raum, durch den »male-
rischesten« aller Stile, das Rokoko, das alle Farben
des Raumes, der neuen Lichtfülle entsprechend, auf
höchste Helligkeit abstimmt und Weiß zur Domi-
Unsere Zeit liebt helle Räume und an den Wänden
lichte Farben. Sie fügt unmittelbar Fenster an
Fenster zu breit gelagerten Flächen, durch die sich der
Raum der strahlenden Helle des Lichtes öffnet. Und
wie der Raum, so erscheint auch die Seele des Men-
schen heute dem Lichte zugewendet und erschlossen.
Nicht immer war es so. Es gab große Epochen, in
denen die Seele nicht das helle Tageslicht, sondern
das Dämmerlicht suchte und sich in diesem zu wun-
derbarer, dem Boden der Innerlichkeit entsprossener
Blüte entfaltete. Im Halbdunkel des durch farbiges
Glas gedämpften Lichtes seiner Dome, das mit dem
Schleier des Geheimnisvollen alles Irdische umfängt,
lebte die Seele des mittelalterlichen Menschen. Und
»das liebe Himmelslicht, das trüb durch gemalte Schei-
ben bricht«, es war das Licht, das mit seinem milden
Schimmer nicht nur Faustens Studierstube, sondern
auch die Wohn- und Ratsstuben jener Zeit erhellte.
Aber die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissen-
schaft, die großen Entdeckungen eines Kopernikus,
Galilei und Newton entwanden dem Dunklen, Geheim-
nisvollen Schleier um Schleier. Nicht mehr im Däm-
merlichte mittelalterlicher Mystik, sondern im klaren
Lichte wissenschaftlicher Forschung wurde die Wahr-
heit gesucht, und nun beginnt die Seele des abend-
ländischen Menschen sich immer mehr dem ungebro-
chenen Tageslicht zuzuwenden, wie eine in dunklem
Raum gehaltene Pflanze sich dem aus einer Öffnung
in das Dunkel dringenden Lichtstrahl zukehrt.
Schon in der Zeit der Renaissance beginnen sowohl
Kircheninneres wie Wohnraum heller zu werden, und
in der Barockzeit dringt das Licht bereits sieghaft aus
hohen, breiten, hell verglasten Fenstern in den Raum.
Aller Glanz, alle Schönheit des Raumes erscheint nun
aus dem Lichte geboren; es spiegelt sich in den ge-
schweiften Flächen des furnierten Möbels, es erglänzt
in den Reflexen seiner Messingbeschläge, es funkelt
aus tausenden geschliffenen Facetten des Kristall-
und Spiegelglases.
Aber erst die Aufklärungszeit bringt das Licht zu
seiner höchsten Wirkung im Raum, durch den »male-
rischesten« aller Stile, das Rokoko, das alle Farben
des Raumes, der neuen Lichtfülle entsprechend, auf
höchste Helligkeit abstimmt und Weiß zur Domi-