DOI article:
Mensch und Element
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0397
INNEN-DEKO RATION
385
MENSCH UND ELEMENT
Das Wohnen und der Wohnraum gehören zur Zi-
vilisationswelt des Menschen - und eben des-
wegen zeigt der Begriff der Zivilisation sein eigen-
artig zweideutiges Wesen am klarsten im Wohnraum.
Nehmen wir eine Einzelheit wie die Feuerdarbietung
im Wohnraum, die Beheizung. Wärme geht auf Feuer
zurück. Die offene Flamme ist im Norden die Grund-
form der Wärmequelle im Raum. Es bleibt nicht bei
der Grundform. Sie entwickelt sich. Aus der Mitte
des Raumes wandern Feuerstelle und Rauchfang an
die Saalwand, in den gemauerten Kamin. Der wand-
feste Kamin verselbständigt sich und wird zum Ofen.
Da hat sich nun schon eine Umsetzung der Feuer-
wirkung begeben. Statt der direkten Strahlung ist es
das erhitzte Feuergehäuse, das die Wärme abgibt.
Aber bei dieser einen Umsetzung bleibt es nicht; der
Verstand denkt rastlos weiter. Während beim Ofen,
auch beim Eisenofen, immer noch das Feuer leib-
haftig im Raum zugegen ist, verzieht es sich bei den
Zentralheizungen in den Keller, und vollends bei der
elektrischen Heizung rückt es in undeutliche Ferne.
Immer weiter durchgeführte Umsetzungen, immer
mehr Trennschichten schieben sich zwischen das
Feuer und seine Wirkung, bis schließlich bei der
Empfindung »Raumwärme« die Vorstellung »Feuer«
kaum noch mitspricht.
Diese Umsetzungen, was sind sie? - Einfache, un-
umgängliche Betätigungen des menschlichen Ver-
standes! Sie steigern die Nutzwirkung des Feuers,
sie machen sie beherrschbarer und unterdrücken uner-
wünschte Nebenerscheinungen. Und doch: wenn am
Ende alles in schönster Ordnung scheint, stehen wir
vor dem Heizkörper, diesem stumpfen, toten Ding,
und denken mit einer Art Heimweh an das lustige,
flackernde Brennen von einst. Warum? — Weil wir
merken, daß wir uns durch jene völlig gerechtfertigten
»Umsetzungen« um etwas gebracht haben, dessen
Wert ganz anderswo liegt als auf der Ebene prakti-
scher Erwägungen. Das ist die unmittelbare Be-
gegnung mit dem lebendigen Element. Wir merken
auf einmal, daß wir selbst mit gewissen weiten
Strecken unsres Wesens dem Element verwandt sind.
385
MENSCH UND ELEMENT
Das Wohnen und der Wohnraum gehören zur Zi-
vilisationswelt des Menschen - und eben des-
wegen zeigt der Begriff der Zivilisation sein eigen-
artig zweideutiges Wesen am klarsten im Wohnraum.
Nehmen wir eine Einzelheit wie die Feuerdarbietung
im Wohnraum, die Beheizung. Wärme geht auf Feuer
zurück. Die offene Flamme ist im Norden die Grund-
form der Wärmequelle im Raum. Es bleibt nicht bei
der Grundform. Sie entwickelt sich. Aus der Mitte
des Raumes wandern Feuerstelle und Rauchfang an
die Saalwand, in den gemauerten Kamin. Der wand-
feste Kamin verselbständigt sich und wird zum Ofen.
Da hat sich nun schon eine Umsetzung der Feuer-
wirkung begeben. Statt der direkten Strahlung ist es
das erhitzte Feuergehäuse, das die Wärme abgibt.
Aber bei dieser einen Umsetzung bleibt es nicht; der
Verstand denkt rastlos weiter. Während beim Ofen,
auch beim Eisenofen, immer noch das Feuer leib-
haftig im Raum zugegen ist, verzieht es sich bei den
Zentralheizungen in den Keller, und vollends bei der
elektrischen Heizung rückt es in undeutliche Ferne.
Immer weiter durchgeführte Umsetzungen, immer
mehr Trennschichten schieben sich zwischen das
Feuer und seine Wirkung, bis schließlich bei der
Empfindung »Raumwärme« die Vorstellung »Feuer«
kaum noch mitspricht.
Diese Umsetzungen, was sind sie? - Einfache, un-
umgängliche Betätigungen des menschlichen Ver-
standes! Sie steigern die Nutzwirkung des Feuers,
sie machen sie beherrschbarer und unterdrücken uner-
wünschte Nebenerscheinungen. Und doch: wenn am
Ende alles in schönster Ordnung scheint, stehen wir
vor dem Heizkörper, diesem stumpfen, toten Ding,
und denken mit einer Art Heimweh an das lustige,
flackernde Brennen von einst. Warum? — Weil wir
merken, daß wir uns durch jene völlig gerechtfertigten
»Umsetzungen« um etwas gebracht haben, dessen
Wert ganz anderswo liegt als auf der Ebene prakti-
scher Erwägungen. Das ist die unmittelbare Be-
gegnung mit dem lebendigen Element. Wir merken
auf einmal, daß wir selbst mit gewissen weiten
Strecken unsres Wesens dem Element verwandt sind.