Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0395
DOI Artikel:
Naturmotive in der Wohnung
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0395
INN EN-DEKORATION
383
garderobennische im eingangsraum entw. e. schumacher und h. hoffmann
NATURMOTIVE IN DER WOHNUNG
Es ist ein Gegensatz zwischen Mensch und Natur
wie zwischen Geist und Leben. Das heißt nicht,
daß sich beide voreinander verschließen, sondern daß
sie sich ergänzen müssen, um zur Erfüllung ihrer
selbst zu gelangen. So wie der Mensch als einzelner in
seinem Geist vergeht, wenn er sein Herz, sein »Leben«,
zugunsten seines Ichs erstickt, so würde die Mensch-
heit zugrunde gehen in ihrem »geistigen« Wesen,
wenn sie sich völlig von der Natur, das heißt dem
»Leben«, löste. Mensch und Natur bedingen einander
wie Gedanke und Gefühl. Gewiß »braucht« auch die
Natur den Menschen, insofern sie in ihm zum Bewußt-
sein, zur geregelten Wirkung kommt. Aber das Wich-
tigere für uns ist das Wissen um unsre Angewiesen-
heit auf die ständige Lebensmeinung, die uns aus der
Natur in vollem Strome zufließt. - Unsre Zeit weiß
deutlicher als die vorhergegangene um diesen »har-
monischen Gegensatz« und um die Pflichten, die sich
daraus zur Rettung unsrer selbst ergeben. Allent-
halben hören wir die Rufe nach der Vereinigung von
Menschentum und Natur, und wir erleben auch, wie
diese Mahnung bis in die letzten Dinge unsres All-
tags verwirklicht wird. Das geschieht, wenn jetzt
zum Beispiel Pläne vorgetragen werden, die die Ein-
beziehung der Natur in Raum und Bau als erstes
fordern. Das Bauen unsrer Zeit verschließt sich nicht
vor der Natur, im Gegenteil, es nimmt sie auf, indem
es sich ihr weit entgegenneigt in einem liebenden
Verlangen. Denn es weiß, daß mit der Natur das Le-
ben, die Wärme und die heitre Klarheit sich zum
Menschen gesellen. Wie im Bau, so ist es im einzelnen
Raum. Wir erleben unter anderem sein Hinausgreifen
zur Natur in den Wandmalereien, die alle, symbolisch
oder gegenständlich aufgefaßt, das Leben der Natur
zum Motiv haben. Die Fayencefliese mit Kleider-
haken, bemalt mit Blumen und den Symbolen der
vier Jahreszeiten, was drückt sie andres aus als ein
Hinauswinken zum fröhlichen Leben in Wald und
Feld ? Hielten wir nicht immer den Weg zu ihm offen,
so richteten wir den Tod rings um uns auf. — g. m.
1936. XI. 4
383
garderobennische im eingangsraum entw. e. schumacher und h. hoffmann
NATURMOTIVE IN DER WOHNUNG
Es ist ein Gegensatz zwischen Mensch und Natur
wie zwischen Geist und Leben. Das heißt nicht,
daß sich beide voreinander verschließen, sondern daß
sie sich ergänzen müssen, um zur Erfüllung ihrer
selbst zu gelangen. So wie der Mensch als einzelner in
seinem Geist vergeht, wenn er sein Herz, sein »Leben«,
zugunsten seines Ichs erstickt, so würde die Mensch-
heit zugrunde gehen in ihrem »geistigen« Wesen,
wenn sie sich völlig von der Natur, das heißt dem
»Leben«, löste. Mensch und Natur bedingen einander
wie Gedanke und Gefühl. Gewiß »braucht« auch die
Natur den Menschen, insofern sie in ihm zum Bewußt-
sein, zur geregelten Wirkung kommt. Aber das Wich-
tigere für uns ist das Wissen um unsre Angewiesen-
heit auf die ständige Lebensmeinung, die uns aus der
Natur in vollem Strome zufließt. - Unsre Zeit weiß
deutlicher als die vorhergegangene um diesen »har-
monischen Gegensatz« und um die Pflichten, die sich
daraus zur Rettung unsrer selbst ergeben. Allent-
halben hören wir die Rufe nach der Vereinigung von
Menschentum und Natur, und wir erleben auch, wie
diese Mahnung bis in die letzten Dinge unsres All-
tags verwirklicht wird. Das geschieht, wenn jetzt
zum Beispiel Pläne vorgetragen werden, die die Ein-
beziehung der Natur in Raum und Bau als erstes
fordern. Das Bauen unsrer Zeit verschließt sich nicht
vor der Natur, im Gegenteil, es nimmt sie auf, indem
es sich ihr weit entgegenneigt in einem liebenden
Verlangen. Denn es weiß, daß mit der Natur das Le-
ben, die Wärme und die heitre Klarheit sich zum
Menschen gesellen. Wie im Bau, so ist es im einzelnen
Raum. Wir erleben unter anderem sein Hinausgreifen
zur Natur in den Wandmalereien, die alle, symbolisch
oder gegenständlich aufgefaßt, das Leben der Natur
zum Motiv haben. Die Fayencefliese mit Kleider-
haken, bemalt mit Blumen und den Symbolen der
vier Jahreszeiten, was drückt sie andres aus als ein
Hinauswinken zum fröhlichen Leben in Wald und
Feld ? Hielten wir nicht immer den Weg zu ihm offen,
so richteten wir den Tod rings um uns auf. — g. m.
1936. XI. 4