Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0348
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Frank, Willy: Lob der Küche, Lob der Frauen
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10B DER KÜCHE - LOB DER FRAUEN. In der
J sogenannten Weltgeschichte, in der die Männer
ihre Taten vollbringen, rasselt es von Waffen, es
rauscht von Heereszügen, von Fahnen auf eroberten
Türmen. Aber von einer wichtigen Sache, die stets
mit diesen Taten verbunden war, meldet der Histo-
riker nichts: Immer haben in den Zwischenakten
des Riesendramas die Frauen gekocht. Sie huschten
um die Lagerfeuer von Siegern und Besiegten, sie
trugen den Verschwörern, den Eroberern dampfende
Schüsseln zu und haben damit die ganze Weltge-
schichte sozusagen erst ermöglicht. Nein, man hat
sie nicht ganz vergessen! Ehre dem trefflichen Ho-
mer, der so gewissenhaft war, auch die kulinarischen
Zwischenspiele der Heldentaten ausführlich zu wür-
digen! Jeden Augenblick werden in seinen unsterb-
lichen Gedichten die Hände zum lecker bereiteten
Mahl erhoben. Hatte vielleicht der naive Sänger einer
heldischen Frühzeit ein besseres Wissen als wir um
die tiefere Bedeutung des weiblichen Wirkens an
Herd und Bratspieß ? Doch wohl! Denn die Frauen
haben damit durch aufgeregte Tage, wo alles Mensch-
liche zu wanken schien, einen Strom ruhigen, fried-
lichen Tuns geleitet und die erregten Gemüter wieder
auf Bleibendes und Nächstes gelenkt. Häscher und
Gefangene haben, während die Glieder noch von der
Kampfesmühe zitterten, aus einer Schüssel gegessen
und sich dabei oft erst wieder als Menschen erkannt.
Trauer hat sich gemildert beim Mahl, Begeisterung
sich beschwingt und gefestigt. Wo gestorben wurde,
wo neues Leben die Wände beschrie, überall holte
das Mahl die Geister zum Einfachen, zu schlichten
Grundrhythmen des Daseins zurück und half ihnen,
den ungemeinen Augenblick zu bestehen. — w. F.
J sogenannten Weltgeschichte, in der die Männer
ihre Taten vollbringen, rasselt es von Waffen, es
rauscht von Heereszügen, von Fahnen auf eroberten
Türmen. Aber von einer wichtigen Sache, die stets
mit diesen Taten verbunden war, meldet der Histo-
riker nichts: Immer haben in den Zwischenakten
des Riesendramas die Frauen gekocht. Sie huschten
um die Lagerfeuer von Siegern und Besiegten, sie
trugen den Verschwörern, den Eroberern dampfende
Schüsseln zu und haben damit die ganze Weltge-
schichte sozusagen erst ermöglicht. Nein, man hat
sie nicht ganz vergessen! Ehre dem trefflichen Ho-
mer, der so gewissenhaft war, auch die kulinarischen
Zwischenspiele der Heldentaten ausführlich zu wür-
digen! Jeden Augenblick werden in seinen unsterb-
lichen Gedichten die Hände zum lecker bereiteten
Mahl erhoben. Hatte vielleicht der naive Sänger einer
heldischen Frühzeit ein besseres Wissen als wir um
die tiefere Bedeutung des weiblichen Wirkens an
Herd und Bratspieß ? Doch wohl! Denn die Frauen
haben damit durch aufgeregte Tage, wo alles Mensch-
liche zu wanken schien, einen Strom ruhigen, fried-
lichen Tuns geleitet und die erregten Gemüter wieder
auf Bleibendes und Nächstes gelenkt. Häscher und
Gefangene haben, während die Glieder noch von der
Kampfesmühe zitterten, aus einer Schüssel gegessen
und sich dabei oft erst wieder als Menschen erkannt.
Trauer hat sich gemildert beim Mahl, Begeisterung
sich beschwingt und gefestigt. Wo gestorben wurde,
wo neues Leben die Wände beschrie, überall holte
das Mahl die Geister zum Einfachen, zu schlichten
Grundrhythmen des Daseins zurück und half ihnen,
den ungemeinen Augenblick zu bestehen. — w. F.