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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Gedanken zu Fragen des Handwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0106

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INNEN-DEKORATION

GEDANKEN ZUR FRAGE DES HANDWERKS

Das Merkmal des Handwerks liegt nicht, wie viele
glauben, in der Ausschaltung der Maschine aus
dem Produktionsgang. Es liegt darin, daß eine und
dieselbe Hand das Erzeugnis vom Rohzustand bis
zum Endzustand bringt. Handwerk ist da gegeben,
wo derselbe Mann alle entscheidenden Abschnitte im
Werdegang des Gebildes betreut und verantwortet.
Die Maschine kann sich in einzelnen dieser Ab-
schnitte helfend einschalten; solange die persönliche
Verantwortung des Meisters über die Maschine wacht
und sie unter den Wertmaßstäben der Handarbeit
hält, kann von Handwerk gesprochen werden. Wesent-
lich bleibt für das Handwerk immer, daß der Meister
eine Mehrzahl, womöglich die Vollzahl der Werde-
stufen überblickt und führt, und daß er dem Gebild
dabei das mitgibt, was überall die lebendige Menschen-
spur in der Gestaltung ausmacht: Dauerwert und
Sonderwert, menschliche Wärme, volles, naturhaftes
Geltendwerden des Stoffes, Festhaltung jener wert-
gebenden Grenze, auf der das Gebilde noch ein echtes
Dreigespräch zwischen Werkstoff, bildendem Geist
und wirkender Hand ist. - Durchbrochen wird die

handwerkliche Situation demnach vor allem durch die
Beschränkung des einzelnen Menschen auf einen ge-
ringen oder gar nur punkthaften Ausschnitt des Pro-
duktionsganges - also durch Beschränkung auf die
Instandhaltung und durch jene Überschärfung der
Arbeitsteilung, die zur Arbeitszertrümmerung führt.
Teilung der Arbeit kann das Handwerk vertragen;
Zertrümmerung der Arbeit löscht das Handwerk aus;
sie nimmt den Sonderwert »Handwerk« aus unsrem
Leben fort. Sie kürzt damit die Dingwelt um wichtige
Strecken sinnfällig gemachter Menschlichkeit und
beraubt sie des Quells stets erneuernder Kraft.

Noch deutlicher tritt das Wesen des Handwerks
hervor, wenn man es vom Handwerker aus be-
trachtet. Das erste, das sich da überwältigend auftut,
ist, daß der Mensch, der vom ungehobelten Brett aus,
vom Stabeisen und vom Wollfaden aus einen Stuhl,
ein geschmiedetes Tor, einen Bildteppich zustande
bringt, unvergleichlich viel mehr wert ist als ein
andrer, der nur einen Handgriff beherrscht. Nicht
nur mehr wert als »Arbeitskraft«, sondern vor allem
als ein Fall erfüllteren Menschentums; denn nur in
 
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