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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Formen im Raum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0374

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INNEN-DEKO RATION

FORMEN IM RAUM

Formen haben ein Wort an den Menschen. Sie laden
sein Empfinden ein, mit gewissen inneren Schwin-
gungen in sie einzustimmen. Formen sind, wie nach
neueren Forschungen auch die Schriftzüge des Men-
schen, eine Art »Handlungen«, und als solche enthal-
ten sie zunächst die Anmutung an das Unbewußte in
uns, die Handlung oder die Bewegung mitzumachen,
sich von ihr »stimmen« zu lassen. Das ist es, was man
von den Formen, und zwar gerade von den zweck-
freieren Formen im Innenraum wissen muß: Siegehen
nicht bloß das Auge an und das sogenannte künstle-
rische Gefühl, sondern sie üben unterhalb des Bewußt-
seins einen Einfluß auf unsre Seele, der mehr mit
einer magischen als mit einer ästhetischen Wirkung
zu tun hat. - Bei wissenschaftlichen Versuchen mit
einem bestimmten Alkaloid haben sich diese Einwir-
kungen als außerordentlich stark herausgestellt, so-
bald durch die betreffende Droge die Bewußtseins-
schärfe herabgesetzt war. Eine Versuchsperson gab
zum Beispiel an, die Form des Treppengeländers übe
auf sie einen Zwang aus, die Treppe hinaufzugehen;
eine andre erfuhr, daß die Form des Plattenestrichs

im Flur sie nötigte, den Flur entlangzugehen. Wenn
es eine solche Deutlichkeit der Formwirkung auch
nur in abnormen Zuständen gibt, so ist dieselbe doch
auch im normalen Zustand an sich vorhanden, nur
vom Bewußtsein gedämpft. Namentlich alles, was ins
Ornamentale schlägt, ist Träger dieser Wirkungen,
weil es noch reiner als die Zweckformen eine be-
stimmte Seelenbewegung zum Ausdruck bringt. Rich-
tig gehandhabte Ornamentformen sind »Seelenstim-
mer« und somit, da jeder Raum auf eine gewisse Stim-
mung abzielt, wichtige Bestandteile desselben. Weiß
zum Beispiel ein Festsaal in der Vorhanggestaltung,
in den Lichtträgern festliche Formen zu entfalten, so
liegt darin nicht ein Überfluß, sondern eine dyna-
mische Verstärkung dessen, was der Raum anstrebt.
Das Feierliche, das Jubelnde, das Sprühende und
Fröhliche kann in der Sprache der zweckfreieren For-
men wunderbar zum Ausdruck kommen und sich von
da den Seelen mitteilen. Kostbarkeit des Materials,
der Arbeit stehen da nicht mehr als ungebührlicher
Aufwand vor uns, sondern als wichtige Unterstützung
der Architektur. Denn mit dem billigen, bloß aufge-
 
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