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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 25 (17. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0197
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Nr. 25.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 17. Juni 18S«
(Erscheint wöchentlich.)

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.


Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

4. Jahrgang.

Anleitung zum Sammeln
von Münzen.
Von
Dr. M. Kirmis.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)

Ehe wir fortfahren, haben wir noch die neben ab-
gebildeten Illustrationen nachzutragen. Wir gehen dann
über zu den Arabern.
Die Araber.
Zur Zeit des Propheten waren der byzantinische
Solidus und die Sassanidendrachme die in Arabien um-
laufenden Münzen; einheimische Gepräge gab es nicht.
Als dann der Islam mit reißender Schnelligkeit die
Grenzen Arabiens überschritt und weite, altkultivirte
Gebiete seiner Herrschaft unterwarf, sahen die Kalifen
auch die Nothwendigkeit eigenen Prägens bald ein. Zu-
erst wurden byzantinische und persische Münzen möglichst
getreu kopirt, die ersteren mit Bild und Namen des
Kaisers und mit den üblichen christlichen Emblemen.
Die ältesten zu Damaskus (erobert 635) unter
Omar geprägten Kupfermünzen tragen in griechischen
Zeichen den abgekürzten Prägeort und das
Prägejahr ^klVTVO XVII (der Hedschra, also 639 n.
Chr.); etwas später werden die Münzen zweisprachig,
griechisch und arabisch, Kreuz und Weltkugel fallen weg,
die Formel: Im Namen Gottes tritt auf; aber
erst unter Abdülmelik (685—705) beginnt eine Periode
eigenartiger Prägung arabischen Charakters.
In Afrika übernahm man, wie in Syrien und
Persien, die Münzen der Besiegten, fing selbst aber erst
zu prägen an, nachdem das Land einen unabhängigen
Emir erhalten hatte. Die älteste Werkstatt befand sich
in Kairawan, zum Vorbilde dienten die kleinen
dicken Gold- und Erzmünzen Heraklius' I., die Legenden
waren lateinisch mit meist unterdrückten Vokalen, wie
z. B. IXMXILH8ROV8O8, tu uowins äowiui ruissri-
ooräis uuus clsus, oder XXL8O8XI8IVX80lIXXO^I-
I8ILlII<8 , uou ost äeus nist uuus eui uou äsus alias
similis. Die ältesten, nach der Eroberung 711 in S pa-
nien geprägten Dinars folgten dem Typus von Kai-
rawan mit der lateinischen Formel: RIO 8OIRVR8
RRRINR8 IX 8k^XI^_; im Jahre 720 n. Chr. treten
zweisprachige Inschriften auf, denen bald arabische Ge-
präge folgten.
Wie schon bemerkt, setzte Abdülmelik endgültig den
Typus der arabischen Prägung fest, indem er um 78
d. H. (700 n. Chr.) bestimmte, daß keine bildlichen Darstel-
lungen, sondern nur arabische Inschriften beide Seiten
der Münzen zieren sollten.
In den Ländern des Kalifats wurde in Gold,
Silber und Erz geprägt, die Goldmünze hieß Dinar
(äsuarius), die Silbermünze Dirhem (Drachme), das
Kupferstück Fuls (Mirs) und diese Namen erhielten
sich, unbeschadet aller Aenderungen im Gewicht und
Gehalt , unverändert durch Jahrhunderte. Die Felder
der Münzen sind mit Koransprüchen geziert, während

die Umschriften Daten und Namen enthalten. Sie
geben zunächst ein mit Worten ausgeschriebenes Datum,

Denar Gelimer'S (sso—KSt). Gehört zu den Vandalen.



Justinian. Halber Follis, geprägt zu Karthago im IS. Jahre der
Negierung, 510 n. Chr. Gehört zu Ost-Nom.


2) Uncial-As nach der Reduktion vom Jahr 217. — Beamtenname:
M. Titint(us).
1) und 2) gehören zu der Tafel des römischen Schwerkupfers.


zeigen den Prägeort und dadurch den Wechsel der Re-
sidenz an (im Namen Gottes wurde dieser Dinar ge-

prägt in . . im Jahre . .), sie nennen den Münzherrn
(die omaijadischen Kalifen — 661—750 n. Ehr. —
ließen ihren Namen nicht auf die Münzen setzen) und
geben durch den beigefügten Titel Aufschluß über wech-
selnde politische Verhältnisse. Weiter kennzeichnen sie
durch polemische Sprüche die Sekte, zu welcher sich der
Münzherr bekennt und deuten durch Weglassung des
Kalifennamens auf Bürgerkrieg oder Rebellion.
Die Schrift dieser Münzdenkmäler heißt die „ku-
fische", nach der Stadt Kufa (638 n. Chr. von Omar
gegründet), aus welcher in den ersten Jahrhunderten
der Hedschra die meisten Abschristen des Koran hervor-
gingen; man kann sie die arabische Unzialschrift nennen,
aus welcher sich im Laufe der Zeit ein zierlicheres Kursiv
entwickelte.
Für uns haben die arabischen Münzen ein ganz
besonderes Interesse wegen ihres häufigen Vorkommens
in den Ostseeländern. Die Funde bilden gleichsam eine
Straße vom kaspischen und schwarzen Meere durch das
südwestliche Rußland, Liesland, Kurland bis nach Finn-
land hinauf und dann wieder durch Preußen, Posen,
Pommern, Mecklenburg, Holstein und Schleswig, bis
zu den schwedischen Küsten und den Inseln der Ostsee,
also wesentlich in Ländern, welche vom 8. bis 1l. Jahr-
hundert von Slaven bewohnt wurden. Die Münzen
finden sich in tadellosen Stücken und als Hacksilber,
meist vermischt mit gleichzeitigen abendländischen Ge-
prägen und mit jenem charakteristischen arabischen Sil-
berschmuck, dessen feine Löthung heute noch die Bewun-
derung jedes Kenners und den Neid jedes Goldarbeiters
erregt. Selten kommen arabische Münzen vereinzelt
vor, gewöhnlich bilden sie der Zahl, oder doch dem
Melallwerthe nach, den Hauptbestandtheil des der Erde
anvertrauten Schatzes; im südwestlichen Rußland sind
Funde von vielen tausend Stücken keine Seltenheit, nach
Westen zu werden die Depots dürftiger. Die G e-
präge beginnen mit dem ersten Jahrhundert der
Hedschra, scheinen aber nicht über das Jahr 1012 n.
Chr. hinauszugehen. Sie bestehen fast nur aus Dir-
hems der abbasidischen Kalifen von Bag-
dad und der unabhängigen Samaniden von Sa-
markand; Münzen der Omaijaden oder der
Kalifen von Damaskus finden sich nur verirrt
unter ihren jüngeren Genossen, solche der spanischen
Omaijaden und der ägyptischen Fathemi-
d e n kommen überhaupt nicht vor. Diese Funde also
sind Zeugen eines mehrere Jahrhunderte dauernden, leb-
haften Handelsverkehrs zwischen Bagdad und den trans-
oxanischen Städten mit den Ostseeländern, dessen be-
deutendster Zwischenort Kiew war; die muhammeda-
mischeu Staaten Asiens versorgten damals wahrscheinlich
fast ausschließlich die slavischen Völker Ost- und Mittel-
europas mit Edelmetall.
Durch die erwähnten Funde wurde in neuerer Zeit
die Lust zum Studium arabischer Münzdenkmäler ange-
facht; insbesondere sind Olaf Tychsen und sein
scharfsinniger Schüler, der Staatsrath Frähn, als
die Väter der arabischen Münzwissenschaft zu betrachten.
(Vergl.: I. G. Stickel, Handbuch der morgenlän-
dischen Münzkunde, Leipzig 1815—70.) (Fortsetzung felgt.)
 
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