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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 3 (19. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0021
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Verbürgte
Auflage 5000.
Zentral-OrganfiirSainmelwesen,
Versteigerungen und Alterthumskunde.
Verbürgte
Auflage 5000.
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.
Nr. 3.
l». I-»»-- I8»8.
vierteljährlich, Ausland 3.— (Erscheint wöchentlich.) Raum so Pfg., Auktionen so Pfg.
6. Jahrgang.


Von der Numismatischen Gesell-
schaft in Berlin.

Den Hauptgegenstand der Sitzung vom 3. Januar
bildete ein Vorlrag des Regierungsraths v. Kühlewein
über die deutsche Hochzeitsmedaille. Anknüpfend an
den jüngst veröffentlichten, auf eine persönliche Anregung
des Kaisers ergangenen Erlaß des Kultusministeriums,
betr. ein Preisausschreiben für eine solche Medaille,
legte der Vortragende nach einigen einleitenden Worten
über das Wesen, die Geschichte und die Bedeutung der
Medaille überhaupt die geschichtliche und künstlerische
Entwicklung dieses besonderen Kunstzweiges eingehend
dar, seine Ausführungen durch eine große Anzahl von
Hochzeitsmedaillen verschiedener Art und verschiedenen
Ursprungs beleuchtend. Schon das Mittelalter liebte
es, fürstliche Hochzeiten in seinen Geprägen zu verewigen;
m einer beträchtlichen Reihe von Münzen, welche gegen
die sonstige Uebüng die Bilder oder Namen eines
Herrscherpaares aufweisen, erblickt man Denkmünzen
zur Erinnerung an die Vermählungsfeier. Als dann
zu Anfang des 16. Jahrhunderts der Gebrauch, beson-
dere Medaillen, d. h. keinen bestimmten Geldwerth dar-
Ueliende, sondern lediglich den Zwecken der Erinnerung
Lrenenoe Erzeugnisse der Kleinkunst anzufertigen, aus
Deutschland kam, wurde er alsbald auch
für die Verewigung von Ehebündnissen verwendet, und
zwar nicht nur seitens der Fürstlichkeiten, sondern auch
der Privatleute, obwohl diese, wie der Breslauer Arzt
Kundmann banausisch bemerkt, das gar nicht nöthig
hätten, da sie sich doch täglich sehen könnten. Man
vertheilte damals die Bildnisse der Ehegatten oder
Brautleute auf die beiden Seiten der Medaille, oder
gab ein Paar Medaillen mit je einem Bildniß und
dem Wappen, zuweilen, wie Hagenaner auf seiner
herrlichen Medaille der Margarethe Firmian, Gemahlin
des lungeren Frundsberg, einen auf den besonderen
Spruch beifügend. Namentlich Tobias
("m^dreslau, später in Dresden), hat eine
üattliche Reihe solcher Medaillen verfertigt, welche auf
die Beliebtheit dieser Sitte schließen läßt. Statt oder
Bildnissen erscheinen auch die Wappen des
hochzeitlichen Paares Im 17. Jahrhundert kommt die
Allegorie auf: die Medailleure versinnbildlichen das
Wesen und den Segen der Ehe auf die mannigfachste
Weise. Besonders häufig find zwei auf einem Altäre
lodernde Herzen, zwei Palmbäume, durch eine Hand
aus Wolken mit einem Bande mit einander verknüpft,
Gott Amor in allen möglichen Stellungen und Han-
z. B. als Schmid zwei Herzen zusammen-
fchweißend. Aus der Bibel wird die Erschaffung des

Weibes und die Hochzeit von Kana entlehnt, der Storch
im Nest, die Gluckhenne und dergl. deuten auf Ziel
und Zweck der Ehe. An Aufschriften finden sich neben
ernsten und religiösen Zitaten und Sprüchen auch
Aeußerungen derberen Humors: „Ein Gluckhenn liebt
ihr Küchlein sehr, Ich lieb meine Liebste noch viel
mehr" oder: „Wie küssen sich die zwei so fein" um ein
Liebespaar; auf der Rückseite um eine Nonne die
elegische Frage: „Wer küßt mich armes Nönnelein s"
Die Verallgemeinerung der Sitte, daß entweder das
Brautpaar seine Freunde oder diese jenes mit solchen
Medaillen beschenkten, führte bald zur fabrikmäßigen
Herstellung derartiger Stücke, die. ohne Beziehung auf
eine bestimmte Hochzeit, ganz allgemein gehalten sind
und nur gelegentlich durch Eingravirung einiger Buch-
staben oder der Jahreszahl eine individuelle Bedeutung
erhalten. Medaillen dieser Art haben bis in unser
Jahrhundert hinein fast alle bekannten Stempelschneider


Nr. 3». Schapergläser. Museum in Stuttgart, Neckarstr. 8.
(Text Seite so.)
gefertigt, ihnen schließt sich ein Thaler an, den Herzog
Ernst der Fromme von Gotha 1671 angeblich aus An-
laß der Vermählung seines ältesten Sohnes ausgab,
der aber in Bild und Schrift allgemein die Ehe ver-
herrlicht ; auch von der Stadt Hamburg giebt es einen
solchen, offenbar zu Geschenkzwecken bestimmten Thaler.
In unserem Jahrhundert sind die privaten Hochzeits-
medaillen an Zahl und Bedeutung hinter den fürst-
lichen beträchtlich zurückgetreten, erst in neuester Zeit
wendet man sich wieder der hübschen Sitte, sich mit
solchen Medaillen zu beschenken, zu und die heutigen
Medaillenfabriken haben Erinnerungsmedaillen sowohl
für bestimmte Paare, als auch allgemein anwendbarer
Gepräge ausgegeben. Leider ist der Kunstwerth der
meisten neueren Erzeugnisse, gleichviel ob offiziellen
oder privaten Ursprungs, gering, wie ja überhaupt
die heutigen deutschen Medaillen in ihrer überwiegenden
Mehrheit beträchtlich nicht nur hinter den österreichi-

schen und französischen, sondern auch hinter den ita-
lienischen zurückstehen. Nicht ohne Neid blickt man
auf die überaus feine und zierliche, vielleicht nur ein
klein wenig zu süßliche Medaille, welche Roth in
Paris für den gleichen Zweck verfertigt hat, den das
Ausschreiben unseres Kultusministeriums verfolgt.
Nachdem in jüngster Zeit unsere großen Künstler, wie
Begas, Eberlein, Siemering, Hildebrand, Vogel, ihre
Thätigkeit diesem Zweige der Kunst zugewendet haben,
steht zu hoffen, daß auch hier eine Wendung zum Bes-
seren eintreten wird, da ja das Interesse an den Me-
daillen zweifellos im Zunehmen ist. Des Kaisers An-
regung hat auch hier wieder einer in weiten Volks-
kreisen lebenden Empfindung Ausdruck verliehen; möge
ihr Erfolg dem alten Ruhm der deutschen Medaille
würdig entsprechen! In der lebhaften und eingehenden
Besprechung des Vortrages wurde allseitig die Maß-
nahme des Kultusministeriums mit sreudiger Aner-
kennung begrüßt und insbesondere auch noch darauf
hingewiesen, wie sehr gerade eine Hochzeitsmedaille ge-
eignet ist, die veredelnde Freude an der Kunst in Kreise
zu tragen, die von ihrem Wirken sonst fast ganz un-
berührt bleiben. — Unter den zur Ansicht vorgelegten
und von den erforderlichen Erläuterungen begleiteten
Stücken befand sich die vollständige Reihe der auf
Grund der Gesetze vom 4. April und 12. Juni 1866
zu Helsingfors geprägten Münzen von Finland : Stücken
zu 2 Markka, 1 Markka, 50, 25, 10, 5 Penmä und
1 Penni, die letzten 3 Werthe in Kupfer (Herr Ad-
miral Strauch), verschiedene neuere Medaillen, darunter
die schöne Böcklinmcdaille von Sandreuter, die ihr Ge-
präge einem Bilde des Meisters entlehnt (Herr von
Kühlewein und Herr Mecklenburg), zwei interessante
und seltene aui den spanischen Erbsolgekrieg bezügliche
Medaillen, die eine die Eroberung von Barcelona, die
andere den Sieg der habsburgischen Waffen feiernd
(Herr Hauptmann Brause), seltene Mittelaltermünzen
kleiner Groschen: Otto von Rittberg 1519, schöne
Brakteaten von Nordhausen, Witten und Bierchen von
Oldesloe, Petersgroschen der Stadt Braunschweig (Herr
Dr. Bahrfeldt) u. a. Herr Geh. Regierungsrath Friedens-
burg hielt einen Vortrag über Geschichtsmünzen, d. i.
solche Münzen (nicht Medaillen), welche entweder schon
an sich selbst oder wegen der besonderen Veranlassung
ihrer Entstehung oder endlich, gleichsam nebenher, durch
besondere Beizeichen zu Erinnerungsmalen für gewisse
geschichtliche Thatsachen und Vorgänge geworden sind.
Schon das Alterthum kannte solche Gedächtnißmünzen,
deren letzte Epigonen unsere Siegesthaler von 1871
sind. In anderen Ländern wird der Gebrauch, Münzen
zur Erinnerung an geschichtliche Ereignisse auszugeben,
noch heute befolgt. Geschichtsmünzen im weiteren
Sinne sind die sogenannten Nothmünzen, die Ausbeute-
münzen, endlich die Gepräge kurzlebiger Reiche und
von Eintagsfürsten.

Berichte aus Vereinen.
Berlin. (Anthropologische Gesellschaft.) Am
5. d. M. hielt die Gesellschaft unter Virchows Leitung
 
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